Der 8. Absatz.

Von der Katzen.

[376] Die Katz ist ein gemeines Hauß-Thier (ich rede da nicht von den wilden Katzen / die sich in den Wälderen aufhalten) dero Dienst und Verrichtung bestehet eigentlich in dem Mäuß- und Ratzen-fangen / welche sonst vil Getraid fressen und vertragen / die Kleider und Bücher etc. zernagen wurden.101 Sie haben auch deßwegen ein scharpffes Gesicht / und sehen wohl bey der Nacht / ein grosses Maul / ein lange weiche Zungen / spitzige Zähn und Klauen / einen stillen Gang und behenden Sprung. Die Katz ist von Natur gar säuberlich / und thut sich zum öffteren durch das Lecken mit der Zungen butzen /[376] doch scheuet und hasset sie das Wasser und üblen Geschmack / liebet hingegen die Wärme und wohlriechende Ding. Sie schmeichlet dem Menschen sehr / und sucht sich zuzumachen / doch ist sie heimlich falsch / und wann man ihr zu vil trauet / thut sie unvermerckt Schaden /und ist auch dem Stehlen ergeben / absonderlich wann sie alt ist. Die Katzen lieben ihre Junge sehr / und seynd geflissen für dero Sicherheit: wann sie jung / da seynd sie gespäßig / und schertzen gern. Sie lieben sehr die alte Herberg / die sie gewohnt haben / diese suchen und erkennen sie wiederum / auch wann sie schon zimmlich weit seynd vertragen worden. Die Gestalt / Farb und Grösse der Katzen ist genugsam bekannt: sie werden blind gebohren / und bleiben 8. Tag blind. Sie leben ins gemein nicht vil über etlich Jahr lang / weil sie geil und gefräßig seynd.

Es gibt nicht wenig Menschen / welche von Natur die Katzen nicht leiden können / also / daß ihnen gantz übel wird / wann eine Katz nah bey ihnen ist /wann sie schon nichts von ihr sehen oder wissen /welches kein leere Einbildung ist / sondern es kommt solches her von einer heimlichen Antipathi oder natürlichen Widerwärtigkeit / so zwey Ding gegen einander haben / die gantz ungleich constituirt oder beschaffen seynd.

Ein bewährter Scribent stellt die Frag an / warum die Hund und Katzen erschaffen seyen?102 Die allgemeine Antwort ist: ad decorem universi, das ist / zu der Zierd der Welt / welche Zierd eben in dem bestehet / daß es so vil unterschiedliche Creaturen darinnen gibt. Ferners aber und insonderheit ist der Hund verordnet / dem Menschen seinem Herrn bey Tag und Nacht aufzuwarten / zu Hauß und daraussen / wo er geht und steht / ihne zu begleiten / und als ein getreue Leibwacht zu beschützen. Die Katz aber solle des Haußherrn gleichsam Kämmerling seyn / fleißig daheim bleiben / und in allen Zimmeren des gantzen Hauß fleißige Obsicht haben / damit die einheimische Dieb / die Mäuß und Ratzen nicht einnisten / und keinen Schaden thun / nichts zerbeissen und zernagen /und wann sie eine antrifft / solle sie selbe gefangen nemmen.

Es verrichten auch beyde ihre Dienst aus Antrieb der Natur gar fleißig / der Hund macht seinem Herrn zu Gefallen tausend krumme Sprüng: er laufft den Weeg dopplet oder dreyfach: Das Katzel macht sich bey ihm zu / und in der Nacht visitirt sie alles aus /von dem Keller an biß unter das Dach hinauf.

Es kan deßwegen nicht unfüglich der Mann und das Weib im Hauß zum Theil mit dem Hund und der Katzen verglichen werden.103 Ich sage nur zum Theil / damit ich bey dem löblichen Frauenzimmer keinen Verschmach aufhebe / dann gleichwie der Hund vilfältig auslaufft / in Wälder und Felder / und sich bemühet etwas in die Kuchel zu bringen / nicht so vil für sich selbsten / sondern vilmehr für das gantze Hauß: hingegen die Katz bleibt zu Hauß / sie visitirt zum öffteren alles aus / sie laßt sich nicht weit hinweg / und liebt die Säuberlichkeit. Also solle der Mann zwar denen Geschäfften nachgehen / die Feld-Arbeit verrichten / und suchen das tägliche Brod zu gewinnen / und die Nothdurfft in das Hauß zu verschaffen: Das Weib hingegen soll nicht vil auslauffen / sondern gern zu Hauß bleiben / die Kuchel / die Speiß-Ge wölb und Keller öffters visitiren / nichts lassen zu Grund gehen oder verderben / den Haußrath sauber halten etc. auf solche Weiß wird die Haußwirthschafft wohl geführt / wann Weib und Mann zusammen helffen / und ein jedes das Seinige thut.

Aber es hat die Katz auch gewisse Untugenden an ihr / von denen sich ein Hauß-Mutter wohl hüten soll. Die Katz fangt und strafft zwar die kleine Dieb / die Mäuß und Ratzen / sie stihlt aber selbsten vil mehr als sie: Also gibt es auch böse und liederliche Weiber / wann sie ein Kind oder armen Ehhalten erdappen /daß sie nur etwas weniges entzogen haben / da straffen sie selbe hart / inzwischen thun[377] sie selber vil mehr veruntreuen / heimlich dem Mann entziehen / und überflüßig verzehren. Das seynd keine gute Hauß-Katzen / die also mausen / und gar zu gern Wein trincken etc. Die Katz soll man nicht zum Schmeer setzen / ist ein gemeines Sprüchwort bey den Teutschen: man solle sie auch nicht zur Vogel-Warterin oder Fisch-Hüterin bestellen / dann das wäre gar übel gethan. Aber eben so wenig tauget ein versoffnes und schleckerhafftes Weib zur Keller- oder Kuchelmeisterin etc.

Die Katzen schmeichlen zwar / so lang man ihnen schön thut und auch schmeichlet: aber so bald man sie beleidiget / oder ihnen wehe thut / da ist im Augenblick alle Freundschafft aufgehebt / sie vergessen aller Gutthaten / und versetzen einem geschwind einen Biß oder Krätzen: es seynd auch ihre Biß und ihr Krätzen gleichsam vergifft / und heilen ungern: ja auch ihr Athem und ihre Haar seynd ungesund und schädlich / wann man gähling eines hinein schlucket.104 Deßwegen solle man den Katzen niemahl zu vil trauen: absonderlich aber zur Zeit einer grassirenden Pest selbe fleißig fliehen und meiden (deßgleichen auch die Hund und Tauben) die Ursach dessen ist / weil diese Thier überall hinkommen / in die von der Sucht angesteckte Häuser / und also gar leicht etwas vergifftes in ihren Haaren hangen bleibt / welches sie mit sich nacher Hauß bringen / und den Leuthen anhencken. Ja es ist auch einstens geschehen /daß zur Zeit der Pest jemand von einer Fliegen (die vorher auf einem mit der Pest behaffteten Cörper gesessen) ist vergifftet und angestecket worden.

Auch die falsche böse Weiber schmeichlen ihren Männeren / so lang sei ihnen gute Wort geben / und thun was sie wollen: aber wann sie selbe erzürnen /da pfutzgen sie als wie die Katzen / das ist / sie geben die schlimmste Stich- und Biß-Reden aus / welche bitterlich schmertzen.

Wann die Katz eine Mauß gefangen / und würcklich in ihren Klauen hat / da spihlt und schertzt sie ein Zeitlang gar kurtzweilig mit ihr / aber wie gut und aufrichtig sie es gemeint habe / das zeigt der leidige Ausgang / dann gählingen versetzt sie ihr einen tödlichen Biß / und frißt sie mit Haut und Haar. Fast eben also ein leichtfertig- und verführerisches Weibsbild /wann sie einen ehrlichen jungen Gesellen mit ihrem betrüglichen falschen Liebkosen gefangen / und gleichsam in ihr Garn gebracht hat / da spihlt und schertzt sie ein Zeitlang mit ihm / aber gähling / wann sie ihren Vortheil ersihet / da gibt sie ihm einen tödtlichen Stich / und bringt ihne zum Fall etc.

Sonsten können auch füglich mit denen natürlichen Katzen wegen ihres Schmeichlens und ihrer Falschheit die politische Hof-Katzen und falsche Schmeichler verglichen werden.105 Solche Schmeichler aber seynd die jenige / welche anderen zu Gefallen nur immerdar reden / was man gern hört / wann es schon nicht wahr ist / und thun was man gern sieht / wann es schon nicht recht ist / die Gunst und Huld grosser Herren dardurch zu erwerben / und einen Gewinn zu machen. Wann die Schmeichlereyen nur auf den eignen Nutzen allein abzihleten / und sich mit dem vergnügten / daß sie einem armen Schlucker etwas eintrugen / da wäre es noch zu erdulten: aber wann sie zu grossem Schaden und Nachtheil des Nächsten gereichen / da ist es so unerträglich als unverantwortlich.

Ein solcher schädlicher Schmeichler und politische Hof-Katz ist gewesen jener Gewissen-lose Finanz-Rath zu Paris / als er einstens seinen König und Herrn wegen Mangel des Gelds etwas contristirt oder unmuthig sahe / da erbotte er sich einen guten Rath zu geben: Die Bauren / sagte er / seynd Lauren / man muß sie scheeren als wie die Katzen in Calabrien /man muß sie stutzen als wie die Felben-Bäum / man muß sie beschneiden als wie die Weinstöck / man muß sie rupfen als wie die Gänß.106 Ihro Majestät thun eins / Sie machen eine Auflag / und schlagen einen gewissen [378] Tax, ein Extra-Mauth auf alle und jede Victualien oder Eß-Waaren / so die Unterthanen in die Stadt zu verkauffen bringen / da werden Sie bald sehen / wie die Königliche Rent-Kammer sich vermehren wird. Dictum factum, es ist geschehen (ja es geschicht noch vil öffters / ich erzehle nichts neues) obwohl nicht ohne Klagen und Fluchen der bedrangten Unterthanen: es hat auch ein Nahmhafftes eingetragen. Aber es hat bald darauf geheissen: Consilium malum consultori pessimum: Der verfluchte Rath hat dem Schmeichler / dem Rathgeber so bang gemacht /daß er in seinem Todt-Beth verzweifflet ist / und selber ernstlich verbotten hat / seinen Leib an einem geweyhten Ort zu vergraben. Beyerl. Tom. 1. Diese schmeichlende Hof-Katz hat zwar ihrem König das Placebo gesungen / welches aber in den Ohren GOttes sehr übel gelautet hat / und ist in dem La mi erbärmlich ausgegangen.

Ein Schmeichler kommt mir für als wie der Echo oder Widerhall / er schlaget allzeit in den Thon ein /in dem man ihm vorgesungen hat / es mag so falsch gehen als es will.107 Wann ein Fürst oder regierender Herr sagt: Ich muß einmahl Geld haben / ich kan sonst meinen Staat nicht führen: da sagt der Schmeichler gleich: Sie seynd ja Herr und Meister /Sie haben ja die Unterthanen darum / daß sie mit ihnen befehlen etc. Wann der Fürst und Herr sagt: Ich muß meine Recreation haben / ich muß da oder dort jagen / ich werde die Bauren nicht um Erlaubnuß fragen / ob ich in ihren Aeckeren und Wiesen darff durchtreiben lassen. Da ist der Echo gleich wieder da / und sagt: das Jus venandi auf Teutsch (das Jagd-Recht / damit es auch die Bauren verstehen / sie verstehen oder empfinden es zwar nur gar zu wohl) das Jus venandi gehört Ihnen ja in der gantzen Herrschafft undisputirlich / des kan niemand was darwider haben. Wann der Fürst oder Herr sagt: Die Clöster und Pfaffen seynd jetziger Zeit vil zu reich / die weltliche Herrschafften können so nicht mehr bestehen: da sagt die schmeichlende Hof-Katz: Ja / es ist wahr / die Clöster und Pfaffen ziehen alles an sich / man solte es nicht leiden. Wann der Fürst oder Herr sagt: Die Prediger machen den Teufel auch gar zu schwartz / ich glaube nicht / daß es also seye. Da sagt der Schmeichler / der Echo: Ey der Himmel ist ja nicht für die Gänß gebaut. Wann der Fürst oder Herr sagt: Ich kan nicht fasten / ich habe nicht Zeit zu betten etc. da sagt der Schmeichler: Sie seynd es nicht schuldig / Sie müssen ihrer Gesundheit pflegen / und sich conserviren / man hat die Pfaffen darum / das ist für sie angesehen etc.

Aber wie gehet es / wann ein solcher Fürst oder Herr in dem Todt-Beth mit halb-gebrochner Stimm sagt: O weh! hätte ich nur die Unterthanen nicht so hart gepresset / keinen so grossen und übermäßigen Pracht geführt / die geistliche Güter nicht angegriffen! etc. da lasset sich kein Echo mehr hören / der auf den vorigen Thon einschlaget: Nein / die politische Hof-Katz schleichet darvon / als wann sie nie gestohlen hätte: der falsche Schmeichler / der Minister oder Beambte schupfft die Achsel / und sagt: es geht mich nichts an (aber zuvor hat es ihn gar vil angegangen) ich hab mir nichts zu sagen oder zu widersprechen getraut / ich hätte eingebüsset / wäre in Ungnad oder um den Dienst kommen etc. Also / sage ich / machen es die politische Hof-Katzen / die vornen lecken und hinten kratzen. Aber was sagt die H. Schrifft darzu? was haltet sie von ihnen? Sie sagt: Qui dicunt impio justus es, maledicent ei populi etc.108 Wer zum Gottlosen sagt: du bist fromm oder recht daran /den verfluchen die Leuth / und hasset das Volck. Sie sagt: Meliora sunt vulnera diligentis, quàm fraudulenta oscula blandientis: Die Streich oder Wunden eines wahren Freunds seyen besser als ein falscher Kuß / das falsche Lob des Schmeichlers. Sie sagt: Melius est à sapiente corripi, quàm stultorum adulationibus decipi:109 Es ist besser / [379] daß man von den Weisen gescholten / als von der Narren Heuchlerey betrogen werde. Sie sagt: Laudatur peccator in desiderio animæ suæ, & iniquus benedicitur:110 Der Sünder wird gelobt.

Ich hab gemeldet / daß vil Leuth von Natur die Katzen in der Nähe nicht leiden können: der Königliche Prophet David aber hat die politische Katzen / die schmeichlende Hof-Katzen nicht leiden können / er hat gesagt / sie thuen grossen Schaden / er möge sie an seinem Hof gar nicht haben: darum hat er gebetten / der Gerechte soll ihn straffen in Barmhertzigkeit: Oleum autem peccatoris non impinguet caput meum: Das Oel des Sünders aber soll mein Haupt nicht feißt machen.111 Durch das Oel des Sünders aber / wie Berchorius und andere anmercken / seynd die süsse Wort des Schmeichlers zu verstehen / dann gleichwie das Oel gar gelind und glimpffig ist / und leicht eindringet / also auch die Schmeichlerey.

Auch die Heil. Vätter können dise politische Hof-Katzen / die Schmeichler gar nicht erdulten. Der H. Augustinus sagt: Adulantium linguæ ligant homines in peccatis etc.112 Die Zungen der Schmeichlenden verknüpffen die Menschen in Sünden / dann man thut gar gern das jenige / wegen dem man verhofft gelobt zu werden. Wiederum: Malo à quolibet reprehendi, quàm ab adulante laudari: Ich will lieber von einem jeden gestrafft / als von dem Schmeichler gelobt werden etc. Adulatio fallax & crudelis est,113 das Schmeichlen ist betrüglich und grausam. Der H. Hieronymus aber: Beata mens, quæ nec adulatur nec adulanti credit:114 Glückseelig ist der Mensch / der weder einem anderen schmeichlet / noch ihme schmeichlen laßt. Wiederum: Nihil est, quod tam facilè corrumpat mentes hominum, quàm adulatio etc.115 Nichts verderbt den Menschen mehr als das Schmeichlen: die Zung des Schmeichlers ist schädlicher als das Schwerdt des Verfolgers. Chrysostomus aber: virtutis inimicus est,116 der Schmeichler ist ein Feind aller Tugend: dann wie Cassiodorus anmercket / so nennt er einem anderen zu Gefallen die Tugenden Laster / und die Laster Tugenden. Den Pracht und Hochmuth seines Herrn nennt er ein standmäßige und reputirliche Aufführung: das Schinden und Pressen der Unterthanen eine gute Domestication: den Betrug eine Klugheit: die Leichtfertigkeit eine Freundlichkeit: die Verschwendung eine Freygebigkeit: den Zorn und die Rach eine Hertzhafftigkeit: das verdammliche Duelliren eine Generosität: die Hartnäckigkeit eine Standhafftigkeit. Aber es stehet geschrieben: Væ vobis, qui dicitis bonum malum, & malum bonum etc.117 Wehe euch / die ihr das Gute böß / und das Böse gut heisset / aus Liecht Finsternuß / und aus Finsternuß Liecht machet etc.

Ja auch die heydnische Weltweise haben die Schmeichler nicht leiden können: dann Democritus hat gesprochen: Rectè facta collaudare honestum est, mala verò adulterini animi & impostoris: Was recht und gut ist / loben / ist billich: aber das Böse gut heissen / ist ein Betrug und Falschheit. Seneca aber schreibet: Das Schmeichlen wird mit offnen und günstigen Ohren angehört / es dringet ein biß zum Innersten des Hertzens / und also schleicht ein an statt eines Freunds ein annehmlicher Feind. Endlichen sagt Plutarchus, die Schmeichler seyen ärger als die Raaben / dann diese bicken nur den Todten die Augen aus / jene aber verblenden die Lebendige.

Der Kayser Fridericus hat einstens seine Hofherren und Räth zu sich beruffen / selbige aber / ehe daß sie in den Pallast eingetretten / auf folgende Weiß angeredet: Wolte GOtt! daß ihr zuvor 2. Stuck ablegen thätet / nemlich simulationem & dissimulationem, das Schmeichlen und die Gleißnerey / alsdann wurdet ihr mir wohl rathen / und ich recht urtheilen. Der König Sigismundus aber / als ihn einer seiner Hofherren über die massen[380] gelobt und lang geschmeichlet hatte / vermeinend / er wolte ihm das Placebo Domino nur fein recht singen / da gab ihm der König ein gute Maultaschen / sprechend: cur me mordes adulator? warum beissest du mich also Schmeichler. Ich glaube zwar nicht / daß dieser König ein Musicant gewesen seye / doch hat er meines Erachtens den Tact zu diesem Gesang gar wohl gegeben. Alphonsus endlich / der König der Arragonier / hat nichts mehrs als die Gleißner und Schmeichler gehasset / er hat sie gar recht eine Pest der Fürsten genennt: dann sie thun den grösten Schaden / sie bringen zu Zeiten die regierende Herren um Land und Leuth / dessen eine Prob zu weisen / darff man nicht zu dem König Roboam ins alte Testament zuruck gehen / man kans bey Manns-Gedencken im Teutschland haben etc.

Ein Wunder-Ding / all die obgemeldte haben die politische Hof-Katzen oder Schmeichler / wie billich /so gar nicht leiden können / hingegen vil Fürsten und Herren jetziger Zeit können sie nur gar zu wohl leiden / sie wollen selbe immerdar zu nächst bey ihnen haben / bey der Tafel / oder hinter dem Sessel / auf dem Jagen und auf den Reisen / in dem Audienz-Zimmer und in der Rathstuben / da heißt es immerdar nur: Loquimini nobis placentia:118 Sagt uns etwas Wohlgefälliges / .

Es gehet einem manchen bey Hof / als wie jenem Hund und der Katzen ergangen ist / die wider alle Gewohnheit Cameradschafft mit einander gemacht haben / und über Feld gereißt seynd.119 Sie kamen in eine Herberg / wo eben die Affen versammlet waren / und einen Rath hielten. Der gröste und stärckiste Aff / so mit grosser Gravität præsidirte / befahle der Katz /sie solle alsobald sagen / wie er ihr gefalle und vorkomme. Die Katz gedenckete gleich / holla / ich muß den Mantel nach dem Wind hencken / und das Placebo singen / oder reden / was man gern hört / sonst möchte wohl mein Balg müssen die Haar lassen. Sie machte also ein tieffes Reverentz / und fienge an nach ihre Gewohnheit zu schmeichlen / sprechend: Gnädiger Herr / sie kommen mir nicht anderst vor / als wie ein großmüthiger Löw / und all die herum sitzende Herren Affen / als wie lauter junge Löwen: oder sie kommen mir vor / als wie ein König / der mit seinen Hofherren und Räthen umgeben ist. Ja sie seynd so schön (ey so lüg) als wie die Sonn mit hellglantzenden Strahlen umgeben. Nun / sagte der oberste Aff /das ist recht / das ist ein gescheide Katz: er liesse ihr ein gutes Trinckgeld geben. Hernach aber fragte er auch den Hund / wie er ihm gefalle und vorkomme? Der Hund war ein guter redlich- und einfältiger Tropff / er hat nicht mögen lügen und schmeichlen / als wie die Katz / sondern hat rund und glatt die Wahrheit herauß gesagt / sprechend: Du kommst mir halt vor als wie ein Aff / und die andere alle auch wie Affen /ich sihe nichts / das einem Löwen oder König gleich sehe. Hierauf haben sich die Affen erzürnt / seynd über den guten Hund hergewischt / und haben ihn verzaußt und zerraufft / also daß er kümmerlich mit dem Leben darvon kommen ist / und mit der Flucht sich salvirt hat. Als er der Gefahr entrunnen war / hat er von weitem noch einmahl umgeschaut / und nichts anders gesagt / als: So gehet es einem / wann er nicht schmeichlen kan / und die Wahrheit sagt: Also wahr ist der Spruch bey den Lateineren:


Veritas odium parit.


Die Wahrheit macht ein sehr verhaßt /

Drum ein mancher sie verlaßt:

Hingegen Schmeichlen bringt vil Gunst /

Das ist bey Hof die gröste Kunst.
[381]

Fußnoten

1 Das Cameel ist ein starckdaurhafft- und williges Thier.


2 Das Cameel ist ein Sinnbild des Gehorsams / und der Mühe und Arbeit.


3 Fürsichtigkeit des Cameels im Trincken ist zu imitiren.


4 Trincke was klar ist / und rede was wahr ist.


5 Mitleiden ist von dem Cameel zu erlernen.


6 1. Cor. c. 11.


7 Sittliches Fabel-Gedicht.

Mann soll nicht zu vil begehren.


8 Unterschiedlich-Nutzbar- und Fürtrefflichkeit der Pferdten.


9 Geschicklich- oder Gelirnigkeit der Pferdten.


10 Grosse Liebhaber der Pferdten.


11 Eigne Lieb ist schädlich.


12 Eigenschafften des Pferdts auf die menschliche Sitten gezogen.


13 Gute Christen seynd sittliche Pferdt GOttes.


14 Ep. ad Rom. c. 8. v. 35.


15 In Psal. 75.


16 Habacuc c. 3. v. 8. & 15.


17 Fromme Christen mit guten Pferdten verglichen.


18 Jacobi c. 3. v. 5.


19 Ep. 88.


20 Job. c. 11. v. 22.


21 Sittliches Fabel-Gedicht. Hoffart kommt vor dem Fall.


22 Der Esel seynd dreyerley.


23 Psal. 103. v. 11.


24 3. Reg. c. 1.


25 Der Esel ist ein verächtliches / doch gut- und nutzliches Thier.


26 Merckwürdige Geschichten haben sich mit den Eßlen zugetragen.

Num. c. 22. v. 28.

3. Reg. c. 13.


27 Jud. c. 15. v. 15.


28 Isaiæ c. 1. v. 3.


29 Matth. c. 21. v. 2.


30 Job. c. 5. v. 7.


31 ad Thess. c. 3. v. 10.


32 Der höchstschädliche Müßiggang wird gescholten.


33 Eccli. 13. v. 29.


34 Proverb. c. 28. v. 19.


35 In Isaiæ c. 1. v. 14.

Lib. de clem.


36 Wachen schaffts Brod / vil schlaffen bringt Noth. Geschicht.


37 Ein gehorsam- und gedultiger Mensch mit dem Esel verglichen.


38 Eccli. c. 33. v. 25.


39 Sittliches Fabel-Gedicht.

Ein jeder soll mit seinem Stand zufrieden seyn.


40 Luc. c. 16. v. 22.


41 Der Ochs war vor Zeiten ein berühmt- oder hochangesehenes Thier.


42 Varrø lib. 2. c. 25.


43 Lev. c. 17. v. 3.


44 Deutr. c. 25. v. 4.


45 Der Ochs ist dem Menschen gar dienstbar und nutzlich.


46 3. Reg. c. 31.


47 In wem der Mensch dem Ochsen nachfolgen soll.


48 Matth. c. 11. v. 30.


49 Prov. c. 4. v. 25.


50 1. Reg. c. 6.


51 Böse Weiber seynd gleich den Kühen.


52 Die Christliche Lehr wird durch die Milch angedeutet.


53 1. Cor. c. 3.


54 1. Petri 2. c.


55 Zeitliche Glückseeligkeit und Wollüsten werden durch die Milch verstanden.


56 Jud. c. 4.


57 Sittlich- und politische Milch eines jungen Printzen ist dessen Fürstliche Auferziehung.


58 Löbliche Eigenschafften und Beschaffenheit des Schaafs.


59 Isaiæ c. 1. v. 29.


60 Jerem. c. 11. v. 13.


61 Act. c. 8. v. 32.


62 Luc. c. 10. v. 3.


63 Ein frommer Christ mit dem Schäflein verglichen.


64 Joan. c. 10. v. 3. & 5.


65 Exodi c. 29. v. 38.


66 Die Ordens-Geistliche sollen gleich seynd den Lämmeren.


67 Das Lämmlein ist ein liebreich- und angenehmes Thier.


68 2. Reg. c. 12.


69 Sittliches Fabel-Gedicht.


70 Falschen Freunden soll man nicht trauen.


71 Gar zu grosse Sicherheit ist gefährlich.


72 Das Schwein ein unflätiges müßiges Thier.


73 Geschicht.


74 Sündige Menschen lieben wie die Schwein unreine Wollust.


75 Matth. c. 7. v. 6.


76 Ein reicher Geitzhalß mit dem Schwein verglichen.


77 Luc. c. 12. v. 20.


78 Eccli. c. 5. v. 14.


79 Unterschiedliche Art und Gattungen der Hunden.


80 Die Hund gehören nicht in die Kirchen.


81 Apoc. c. 22. v. 15.


82 Geschicht.


83 Treu und Danckbarkeit der Hunden.


84 Geschichten.


85 Procop. in Encæniali. Conc. 26. n. 5.


86 Chron. Magdeburg.


87 Gar zu groß- und närrische Hunds-Lieb wird gestrafft.


88 Geschichten.


89 Die Bettler seynd geistliche Jagd-Hund.


90 Wachtbar- und Streitbarkeit der Hunden.


91 Adam Weber in arte discurr. fol. 770.


92 Prediger und Seelsorger mit wachtbaren Hunden verglichen.


93 2. Timoth. c. 4.


94 Die Neidige seynd gleich den Hunden.


95 Des Neids üble Beschaffenheit und Würckung.


96 Sep. c. 2. v. 24.


97 Joan. c. 9. v. 33.


98 1. Reg. c. 18.


99 Vilfältig- und grosser Schaden des Neids.


100 Serm. de Zel. & liv.


101 Art und Beschaffenheit der Katzen.


102 Warum die Hund und Katzen erschaffen seyen.


103 Mann und Weib mit Hund und Katzen verglichen.


104 Den Katzen und bösen Weiberen ist nicht zu trauen.


105 Politische Hof-Katzen seynd die falsche Schmeichler.


106 Geschicht.


107 Der Schmeichler ist ein Echo.


108 Prov. c. 24. v. 24. c. 27. v. 6.


109 Eccli. c. 7. v. 6.


110 Psal. 140. v. 5.


111 Die Schmeichler seynd schädlich / und billich zu hassen.


112 S. Aug. super Psal. 59.


113 Lib. 9. de Trinit.


114 In op. ad demetria.


115 Idem super Psal.


116 In Quadrag. epist.


117 Isaiæ c. 5. v. 20.


118 Isaiæ c. 30. v. 10.


119 Sittliches Fabel-Gedicht.

Die Wahrheit macht verhaßt.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738.
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