Der 6. Absatz.

Von der Tauben.

[462] Die Taub ist der schönsten / edlisten und nützlichsten Vöglen einer / sie ist berühmt und hochangesehen in H. Schrifft / im alt- und neuen Testament / schon zur Zeit des Sünd-Flusses ist sie unter allen Vöglen auserkiesen worden / von der Arch Noë ausgesandt / die nachlassung des Sünd-Flußes zu verkundschafften /und mit[462] Darreichung eines Oel-Zweigleins den erwünschten Frieden zu verkünden.65 Die Taub ist in dem alten Testament aus göttlichem Geheiß aus den fürnehmsten Versöhnung- und Reinigungs-Opferen eines gewesen.66 Der himmlische Bräutigam in Hohen Liederen Salomonis thut sein geliebte Gespons zu sonderem Liebs- und Ehren-Zeichen öffters ein Tauben nennen. Aber was dises alles weit übertrifft / so hat GOTT der Heil. Geist bey dem Tauff Christi des HERRN selbst in Gestalt einer Tauben zu erscheinen sich gewürdiget.67 Zu geschweigen die vilfältige Wunder / welche GOTT durch die Tauben zu Ehren und Gefallen seiner HH. offtermahl gewürcket hat.

Nicht weniger ist auch in den weltlichen Geschichten die Taub berühmt: Es haben vor Zeiten die alte Römer die Tauben in solchem Werth und Ehren gehabt / daß sie offt grosse Summen Gelds darauf verwendet haben / ja auch / wie Ælianus bezeuget / gewisse Völcker ihretwegen Krieg geführet haben. Bey den Assyriern wurden die Tauben für etwas Geheiligtes gehalten / und ware hoch verbotten / eine zu tödten / deßwegen sie sich fast unendlich vermehrt haben. Es gibt zwar auch noch heutiges Tags ungemeine und unmäßige Liebhaber der Tauben / welche vil Zeit und Geld auf dise Vögel wenden / und selbe in grosser Anzahl unterhalten.

Die Schönheit der Tauben ist mit der Feder nicht genugsam zu beschreiben / ja kaum mit einem kunstreichen Pembsel vor zu stellen / also zierlich spihlet die Sonn und die Natur zugleich in derselben annehmlichen schön- und vilfältigen Farben.

Aber die Tauben seynd kaum mit so vil schönen Federen geziert / als mit herrlichen Tugend- oder Qualitæten des Leibs und des Gemüths begabet.68 Sie haben ein scharpfes Gesicht und Gehör / auch guten Geschmack / und einen starcken schnellen Flug: Sie essen nichts Lebendiges / und tödten also nicht das mindiste Thierlein / sie ernähren auch frembde Junge. Sie erkennen den Sperber oder Stoß-Vogel von Weitem / was für einer Art er seye: Dann einige rauben die Tauben nicht anderst / als wann sie würcklich fliegen / andere wann sie in der Höhe / und wiederum andere / wann sie in der Niedere sitzen. Dises alles wissen die Tauben genau zu unterscheiden / und dem Feind vorzubiegen. Und mit diser Erkanntnus seynd sie von der Natur begabt / eben darum / weil sie sonsten schwach / unschuldig und einfältig / ohne Waffen und ohne Gall / ohne Hertzhafftigkeit und Zorn-Muth seynd.

Es werden insgemein der Tauben dreyerley Gattungen gezehlt / nemlich die Hauß oder zame Tauben /die in den Häusseren auferzogen und geätzt werden /oder unter den Dächeren in den Taubenschlägen nisten / und in das Feld zwar ausfliegen / ihre Nahrung von dem Getraid etc. suchen / doch aber wieder nacher Hauß kommen. Die Ringelholtz- oder wilde Tauben / und die Turtel-Tauben / welche in der Grösse und Farb etwas von einander unterschieden seynd / doch in der Haupt-Sach überein kommen.

Die Tauben können sehr lang leben / wann sie wohl verpflegt werden / biß 20. Jahr wie einige bezeugen. Sonsten ist die Taub ein gar keuscher Vogel /der seinem Mit-Consorten / so zusagen / die eheliche Treu unversehrt haltet / und nimmermehr mit einer anderen sich vermischet. Sie liebt auch die Sauberlichkeit / und hasset den Unrath (sie isset auch nichts Unreines) deßwegen sie auch den Regen gern hat / und sich zum öffteren waschet und säuberet.

Es mögen deßwegen wohl die reine unschuldige Seelen mit einer Tauben verglichen werden / als welche auch ihrem himmlischen Bräutigam die Treu so heilig halten / daß sie durchaus mit keiner eitlen Creatur durch unordentliche Lieb sich vermischen / und die Reinigkeit also lieb und werth haben / daß sie sorgsam fliehen alles / was sie bemacklen möchte: oder wann dieses je geschehen solte / so begeben sie sich alsobald zu dem heylsamen Wasser[463] der Reu und Buß / der Andacht / sich wiederum zu waschen und zu reinigen, gleichwie auch die Tauben vil unterschiedliche schöne Farben oder Federen / ein gutes Gesicht und Gehör haben / und also fruchtbar seynd /daß sie all andere Monath Junge züglen / also seynd die reine unschuldige Seelen mit den auserlesnen schönsten Farben gezieret / als mit der schneeweissen der Keuschheit / mit der schwartzen der Abtödtung /mit der rothen der Liebe / mit der grünen der Hoffnung / mit der blauen der Demuth etc.69 Sie haben auch ein gutes Gesicht / sie sehen gar wohl was recht oder unrecht / ihnen nutz- oder schädlich ist: sie hören und verstehen auch wohl was GOtt in dem Innersten ihres Hertzens redet.

Uber diß seynd sie also fruchtbar / daß sie nicht nur Monatlich / sondern alle Tag und Stund gute Werck und verdienstliche Ubungen herfür bringen.

Die Tauben halten sich gern in der Höhe auf / und verstecken sich in die Löcher und Hölen / um also sicher zu seyn von den Nachstellungen unterschidlicher Thieren. Auch die reine gottseelige Seelen halten sich gern in der Höhe auf durch Betrachtung himmlischer Dingen / und weilen sie die Nachstellungen der höllischen Raub-Vöglen und anderer Thieren / das ist / böser Menschen förchten / so nehmen sie ihr Zuflucht / und verbergen sich in die Löcher und Hölen oder Stein-Ritzen / das ist / wie es der H. Bernardus und andere Lehrer auslegen / in die HH. Wund-Mahlen des gecreutzigten Heylands / da mögen sie sicher bleiben vor aller Gefahr: dahin beruffet und ladet sie ein der himmlische Bräutigam / sprechend: Mein Taub / mein Freundin / komme in des Felsen-Löcher und Stein-Ritzen.70 Von disen können sittlicher Weiß verstanden werden die Wort des Psalmisten. Der Spatz hat ihm ein Hauß gefunden / und die Turtel-Taub ein Nest / wo sie ihre Junge hinlegt.

Aber zu mercken ist / daß die Tauben insgemein nur 2. Eyer legen / oder wann das Dritte darzu kommt / ist es ordinari unnutz / sie bringen es nicht auf. Eben also solle in sittlichem Verstand ein Christliche Seel in dem Nest ihres Hertzens nicht mehr als 2. Eyer legen / nemlich die Liebe GOttes und des Nechsten. Wann aber das Dritte / die eigne Lieb darzu kommt / da solle sie selbes nicht aufkommen lassen /sondern alsobald in der Bruth verstecken / dann es wurde kein reines unschuldiges Täublein daraus er wachsen / sondern ein böser schädlicher Vogel / der auch die andere zwey weg beissen wurde; dann die unordentliche Lieb seiner selbst kan neben der wahren Lieb GOttes und des Nechsten nicht bestehen. Durch dise zweyfache Lieb können auch verstanden werden jene Tauben-Flügel / welche ihm David zu haben gewunschen hat / sprechend: Quis dabit mihi pennas sicut columbæ etc.71 O hätte ich Flügel wie Tauben / daß ich fliegen und ruhen möchte! Dann die wahre Liebe GOttes und des Nechsten ist es allein /die den Menschen über alles erheben / und ihme vollkommne Ruhe verschaffen mag.

Ferners wann man die heimische Tauben mit etwas wohlrüchendem anstreicht / da ziehen sie auch andere frembde Tauben mit sich / sie bewegen selbe zu ihrer Nachfolg / und bringens mit ihnen heim in ihren Schlag. Auf gleiche Weiß wann die sittliche Tauben /das ist / die GOTT-liebende Seelen einen guten Geruch der Tugend / oder eines exemplarischen Lebens von sich geben / da reitzen sie die frembde und wilde Tauben / ich verstehe die Sünder und Irrglaubige zu ihrer Nachfolg an / und bringen selbige endlich mit ihnen in den Tauben-Schlag der Catholischen Kirchen und des Himmels.

Aber gleichwie die Stimm der Tauben / absonderlich der Turtel-Tauben mehr ein lauteres Seuftzen als Singen ist / also thun die Gott-liebende Seelen die Zeit in disem Jammer-Thal des sterblichen Lebens mehr mit Weinen und Trauren / als mit Lachen und Schertzen zu bringen.[464]

Es haben insonderheit auch die Ehe-Leuth von den Tauben Gutes zu erlernen: dann sie lieben sehr so wohl sich unter einander / als auch ihre Junge: Sie erweisen einander unterschidliche Liebs-Zeichen / sie fliegen mit einander / sitzen bey einander: in Ausbrutung der Eyer / in Sammlung der Nahrung / und Aetzung der Jungen machen sie Umwechslung / eines lößt das andere ab / sie tragen die Bürde zugleich.72 Auf gleichen Schlag sollen die Ehe-Leuth einander lieben und schützen / mit einander schalten und walten / zur Führung der Haußhaltung / zu guter Auferziehung der Kinder gleiche Hand anlegen / und den Last der Mühe und Sorgen mit einander tragen. Die Tauben vergnügen sich mit ihren 2. Eyeren / das Dritte / wie gemeldt / ist nichts nutz: Auch die Ehe-Leuth sollen bey Leib nicht mehr als 2. Eyer ausbruten /nemlich die Lieb gegen dem Ehe-Gatten / und gegen den Kinderen: ein dritte frembde Lieb aber sollen sie in dem Nest ihres Ehe-Betts durchaus nicht gedulten /sondern hinaus werffen.

Die Tauben seynd zwar für sich selber sanfftmüthig / friedsam und unschuldig / sie beleidigen oder beschädigen niemand / sie beissen und kratzen nicht: ja man kan Kurtzweil und Nutzen von ihnen haben: Doch aber gibt es auch wegen der Tauben offt Zanck und Hader ab / es gibt Streit und Rauff-Händel ab unter den Buben / und unter den Nachbaren / wann sie argwohnen / oder einander bezüchtigen / daß sie einige Tauben entführt / oder aufgefangen haben / da krieget und streitet man offtermahls / als wann es die Stadt Trojam gelten thäte.73 Also ist es jenem ergangen / welcher dermassen in ein schönes paar Tauben verliebt und vernarret gewesen / daß er sie all seinem Haab und Gut vorgezogen / und mehr als sein Weib und Kinder geliebt hat. Es haben aber dise Thierlein das Unglück gehabt / daß sie in ein peltzene Mauß-Fallen seynd eingangen / die Katz hat sie gefressen. O da war es ein Jammer und Noth / kein Trost und kein Zuspruch wolte was helffen / der arme Tauben-Hanß hat sich also darüber bekümmeret und betrübet / daß er ein lauterer Melancholicus, aus einem Melancholico aber gar zu einem Narren worden ist / also das man ihn hat binden und anlegen müssen: Er aber hat in seiner Raserey nichts als von Tauben geredt / und die mit ihm musten umgehen / haben auch nichts anders als von Tauben reden müssen / wann sie anderst wolten ein Ruhe haben.

Andere 2. wohl bemittlete Männer haben einander wegen der Tauben vor Gericht und Obrigkeit so lang umgezogen / biß daß der eine um viles / der andere aber schier um all sein Haab und Gut theils durch den Proceß / theils wegen der Straff / so er wegen verübten Frevel hat erlegen müssen / kommen ist.

Noch mehrer Unglück ist von den Tauben erfolgt den Inwohneren der Stadt Coloski in Russia gelegen: Dise rebellirten wider ihre Lands-Fürstin Olha oder Olea mit Namen / und wolten wider ihre Pflicht von Dero Joch sich loß machen. Weilen dann dise verwittibte Fürstin dermahlen im Stand nicht ware / ihre rebellische Unterthanen mit Gewalt zu bezwingen / und zum Gehorsam zu Gehorsam zu bringen / so muste sie gleichwohl den Weiber-List brauchen / und ein Stratagema erdencken. Es wuste die Fürstin wohl /daß die Burger diser Stadt grosse Liebhaber der Tauben seyen / und vil derselben in den mehristen Häußeren gehalten werden. Sie schickte also einen Gesandten in die Stadt mit Vermelden / sie wolle mit ihnen tractiren und Fried machen / doch mit diser Bedingnus / daß man ihr aus einem jeden Hauß etliche Tauben liffere / welches auch geschehen ist. Aber sehe man / was dise rachgierige Fürstin mit den Tauben hat angefangen: Sie hat allen ein gewisses verborgenes Feurwercklein / welches über ein kleine Weil hat angehen müssen / unter die Flügel gebunden / und sie also frey widerum fliegen lassen: Dise seynd eilends wieder der Stadt zu in ihre gewohnte Häuser[465] und Schläg geflogen / das Feur aber ist hin und wieder von dem Tauben aufgangen / ohne daß man gewust hat / woher es komme / und die Stadt ist in kurtzer Zeit in völligen Flammen gestanden.

Es seynd auch zu Zeiten die Tauben für Briefträger oder fliegende Botten gebraucht worden: nemlich in denen Belagerung- und Festungen / wo sonst niemand hat aus oder ein können / da hat man einer Tauben ein Brieflein unter die Fügel gebunden / und in die Weite etwas zuberichten / abfliegen lassen.74 Ein solche mit einem Brieflein zu dem Feind abgeschickte Tauben ist über das Christliche Kriegs-Heer / welches Godefredus Bullionius ein Hertzog aus Lotharingen commandirte / geflogen / als man das Heil. Land einnehmen /und die Stadt Jerusalem belageren wolte: Es ist aber zweyfelsohne aus sonderbarer Schickung GOttes die Taub eben da in dem Lufft von einem Sperber angegriffen worden / verwundet und herab gefallen / und den Christlichen Soldaten in die Händ gerathen.

Gewisse Völcker / die Damascener und Syrier pflegten vor Zeiten die Bottschafft des erhaltenen Siegs in einer Feld-Schlacht ihren Feinden durch Brieflein zuberichten / welche sie den Tauben unter die Flügel gebunden haben. Als die Stadt Ptolomais von den Frantzosen und Venetianern belägert ward /da hat der Türckische Sultan ein Tauben mit einem Brieflein abfliegen lassen / in welchem geschrieben war: daß er innerhalb 3. Tag mit Hülfs-Völcker ankommen / und sie entsetzen wolte / die Christliche Soldaten aber dieses vermerckend / haben ein grosses Geschrey gemacht / und die Tauben also erschreckt /daß sie herab gefallen ist / und also das Geheimnuß entdeckt worden. Alsdann haben sie der Tauben ein anders Brieflein angehenckt / des Groß-Sultans Nahmen spendirt / und berichtet / erkönne einmahl der belägerten Stadt nicht zu Hülf kommen / worauf sie sich den Christen übergeben hat.

Aber kein bessere Zeitung oder Bottschafft hat jemahl der Welt ein Tauben gebracht / als die / so zur Zeit des allgemeinen Sünd-Fluß aus der Arch Noë ist ausgeflogen / und über ein Weil wieder zuruck kommen / ein grünes Oel-Zwerg in dem Schnabel haltend / mithin dem frommen Patriarchen den fröhlichen Bericht gebracht hat / daß nunmehr der Sünd-Fluß nachgelassen habe / und GOtt mit der sündigen Welt versöhnt / ihr forthin mit so allgemeiner Straff und Verherung durch Wasser verschonen werde.75

Durch die gemeldte Noëtische Tauben kan füglich Christus der HERR verstanden werden: dann als er an dem Heil. Creutz verschieden / da ist sein Seel von der Arch des Leibs ausgeflogen: indem sie aber gesehen hat / daß der Sünd-Fluß unserer Laster (von welchem diese Arch Christus in dem Lufft an dem Creutz auf dem Calvari-Berg ist erhebt worden) nachgelassen habe / da ist diese Göttliche Taub wiederum in die Arch in den Leib zuruck gekehrt / und der Welt den Frieden angekündet / indem Christus den Apostlen nach seiner Auferstehung erschinen ist / und zu ihnen Pax vobis, der Fried sey mit euch / gesprochen hat.76

Es kan auch die Göttliche Mutter Maria billich mit einer solchen Tauben verglichen werden / nicht nur wegen den fürtrefflichen Eigenschafften der Reinigkeit / Unschuld / Sanfftmuth etc. sondern weil sie in der Warheit gewesen ist Nuncia Pacis. Ein Friedens-Böttin / sie hat dem menschlichen Geschlecht den Frieden gebracht / und den Krieg durch die Geburth ihres Göttlichen Kinds geendiget / welchen Adam durch die Sünd zwischen GOtt und dem Menschen hat angestifftet. Maria ist jene Taub / welche der himmlische Bräutigam sein eintzige / sein vollkommne genennt hat / una est columba mea, perfecta mea.77 das ist / eintzig und allein aus allen auserwählt / gantz schön und ohne Mackel / dero Flügel /das ist / die Anmuthungen versilberet seyn wie[466] der Psalmist redet / oder Silberweiß / wegen unbefleckter Reinigkeit / und verguldt / mit dem Gold der Liebe: Una est, sie ist eitzig und allein die ihres gleichen keine jemahls gehabt hat / noch haben wird.

Dieser Vogel / die Taub hat GOtt zum öffteren / als ein Werckzeug grosse Wunder zuwürcken gedient.78 Den Heil. Allovinum hat in dem Tod-Bett ein Engel in Gestalt einer Tauben besucht / und auf ihm geruhet / und seine Cellen mit einem himmlischen Geruch er füllt.79 Einige auf dem Meer schiffende haben in äusserster Tods-Gefahr die Heil. Radegundem umb Hülf angeruffen / diese ist in Gestalt einer Tauben ihnen erschienen / 3. mahl um das Schiff herum geflogen / und hat sie von dem Untergang erlößt.

Der Heil. Leonardus ist einem Gefangnen in Gestalt einer Tauben erschinen / hat ihn aus seinem unterirrdischen Kercker erlediget und heraus geführt / ist auch / weil es stockfinstere Nacht ware / vor ihme hergeflogen / und hat ihm den Weeg gewiesen / biß daß er in erwünschter Frey- und Sicherheit sich befunden.

Sowohl da der H. Joan Chrisostomus als der H. Gregorius Agrigentinus aus göttlicher Verordnung hat sollen zum Bischoff geweyhet werden / ist gehling ein schöne schneeweisse Tauben in der Kirchen erschienen / und hat sich vor allem Volck auf ihr Haupt niedergelassen und geruhet / ihre Tugend und Würdigkeit hierdurch anzuzeigen. Als der Heil. Remigius Ertz-Bischoff zu Rehms Clodoveum König in Franckreich tauffen wolte / da hat ein Taub ein Geschirrlein mit dem heiligen Salb-Oel angefüllet / in dem Schnabel durch den Lufft daher gebracht / welches die Anwesende mit einem übernatürlichen Geruch erfüllet hat / nachdem aber der Heil. Bischoff das Geschirrlein von ihr genommen / da ist die Taub wiederum verschwunden.

Des Heil. Bischoffs Amatorius und der Heil. Jungfrauen Scholasticæ Seel ist in Gestalt einer schneeweissen Tauben gen Himmel fliegen gesehen worden. Dem Heil. Nivardo hat ein Taub den Platz gewiesen /wohin er ein Kloster bauen solle / in dem sie um selben Platz 3. Rödlein oder Circul mit fliegen gemacht hat. Ein andere hat den Bezirch angewiesen / in welchem ein Mutter GOttes Kirchen solle gebaut werden / in dem sie 2. Täg lang vil Höltzlein in dem Schnabel hat zugetragen / und einen gewissen Platz darmit umgeben.

Die Heil. Jungfrau und Martyrin Catharina soll ein geraume Zeitlang in dem Kercker von einer Tauben gespissen und erhalten worden seyn: wie auch der Heil. Abbt Auxentius. Diese Geschicht erzehlet Laurentius Surius in dem Leben der H.H. über alles verwunderlich ist / was sich dißfalls / nemlich mit einer Tauben begeben hat bey der Martyr der Heil. Jungfrauen / und Martyrin Marinœ / welches / weilen es mir etwas zu weitläufftig ist hieher zusetzen / magst du es bey ermeldten Surio ersehen. Tom. 4. ad diem 20. Julii.

Aber weilen die Taub einstens bey den Alten Pacis nuncia für ein Friedens-Böttin ist gehalten worden (welches glaublich von der Noëtischen Tauben seinen Ursprung mag herhaben) so können meines Erachtens / auch die Bottschaffter und Gevollmächtigte Frie dens-Gesandte der König- und Potentaten mit den Tauben verglichen werden / welche von ihren hohen und höchsten Principalen abgeschickt worden mit dem Gegentheil / mit welchem man in Strittigkeit stehet / oder in wircklichen Krieg verfallen ist / in Conferenz zu tretten / und wegen eines Frieden-Schlusses zu tractiren.80 Wann nun solche Herren Gesandte durch ihre kluge Conduite die Sach dahin bringen /daß sie über die strittige Puncta einig werden / ein Accord treffen / und den Frieden schliessen / ich will sagen / mit errichtetem Instrumento Pacis, und Accords-Puncten oder Friedens-Articlen in ihr Land und Reich zuruck / allwo sie von ihrem Principal, König oder Fürsten / mit Verlangen erwartet / und als wie die Noëtische Taub in der Arch mit Freuden empfangen werden: Absonderlich wann der Fried[467] mit favorablen / und für das Reich oder für die Nation reputirlichen Clausulen oder Bedingnussen ist geschlossen worden. Alsdann wird auf ein Neues erfüllet / was geschrieben stehet: Nova lux oriri visa est, gaudium honor & tripudium.81 Ein neues Licht ist aufgangen / welches Ehr / Freud und Frolocken bringt in dem gantzen Land oder Reich; dann wann die Unterthanen eines Reichs oder Landschafft nach ausgestandenem langwierigen Krieg mit dem lieben Frieden widerum erfreuet werden / da ist es nicht anderst / als wann nach einem grossen langwierigen Regen oder hefftigem Ungewitter / der angenehme Sonnenschein wiederum herfür blickt. Es wäre nur zu wünschen / daß der geschloßne Frieden unter den Fürsten und Potentaten allzeit so aufrichtig und daurhafft wäre / als wie jener Friedens-Schluß gewesen ist / welchen GOtt mit dem frommen Patriarchen Noë und dem gantzen menschlichen Geschlecht nach überstandenem Sünd-Fluß gemacht hat / welcher annoch biß auf den heutigen Tag heilig und unzerbrüchlich ist gehalten worden / und biß zu End der Welt wird gehalten werden. Ein solche Beständigkeit des Friedens kan und soll alleinig von dem Allerhöchsten / in dessen Hand die Hertzen der Königen seynd / erbetten werden; dann Christus spricht: Den Fried laß ich euch / meinen Fried gib ich euch.82 Die Welt fagt zwar auch offtermahl: Fried / Fried / und ist doch kein Fried.

Aber es gibt in sensu politico auch noch andere schlimme Tauben / welche der Prophet längstens im Geist hat vorgesehen / wann er gesprochen: Factus est Ephraim quasi Columba seducta non habens cor.83 Ephraim ist worden als wie ein unwitzige Taub / die nicht mercken will. Oder welches eben so vil geredt ist / ein verführte Tauben die kein Hertz hat. Solche unwitzige verführte oder verblendte Tauben / seynd die unbarmhertzige und ungerechte Herrschafften und Beamte / die von dem eignen Interesse, von dem Ehr-Geitz und Geld-Geitz verblendet / nicht sehen oder hören / nicht verstehen wollen die billiche Klagen und Beschwerden der Unterthanen / sie seynd Columba seducta verführt durch die falsche Principia und schlimme Maximen der betrüglichen Welt /unwitzig / indem sie wegen dem Zeitlichen das Ewige in die Schantz schlagen: non habens cor, ohne Hertz / das ist / ohne Mitleiden über die Arme und Betrangte. Solche politische Tauben haben zwar schöne Federen / das ist / sie seynd zierlich gekleidet / adelich und politisch in Sitten / aber sie haben gar harte Schnäbel und scharffe Klauen als wie die Habich / sie beissen und kratzen / ja sie schinden und schaben die arme Unterthanen / daß sie offt Haut und Haar / Haab und Guth müssen dahinden lassen. Aber wie wird es endlich gehen / was wird die Sach für einen Ausgang nehmen? ich sage / wann diesen schlimmen Tauben der Tod einstens die schöne weisse Federen der zeitlichen Ehr und Ansehens ausrupft / so werden sie den kohlschwartzen diebischen Raaben so gleich sehen /als ein Ey dem anderen gleich siehet.

Ein kohlschwartze hungerige Dulen hat einstens wahrgenommen / wie daß die Tauben täglich in dem Schlag richtig und ordentlich gefütteret werden / und zu essen genug haben.84 Sie war ihnen neidig deßwegen / und gedenckte wann ihr nur auch also wohl wäre. Sie hat aber diesen List erdenckt; ihre kohlschwartze Federen hat sie alle gantz weiß gefärbt oder angestrichen / darauf unter die Tauben sich gemischt /sambt ihnen in den Schlag geflogen / und hat ihr die Haut voll gefressen: die Tauben haben es ihr nicht verwehrt: dann sie vermeinten gleichwohl / es sey ein weisse Taub: es hat ihr auch der List noch länger gelungen: sie hat sich aber einstens vergessen / und gehling überlaut ihr Dulen-Geschrey angefangen / und sich also selbst verrathen. Da ist es in dem Tauben-Schlag Lermen worden / die Tauben den Betrug vermerckend / seynd zusammen gestanden / haben die Dulen wacker verzaust / und zum Dauben-Schlag hinaus gejagt. Hierauf / nachdem sie[468] kümmerlich entrunnen / ist sie widerum den anderen Dulen und ihren alten Löcheren in einem Thurn zugeflogen / diese aber / weil sie weiß war / haben sie durchaus nicht mehr für eine Dule erkennen / noch mit essen lassen wollen / sondern auch von ihnen hinweg gejagt / mithin ist dise hoffärtig- und geitzige Dulen (wie das teutsche Sprichwort sagt) zwischen 2. Stühlen nieder gesessen / es hat ihr beyder Seits gefehlt. Also geht es nemlich / wann der Bettler einen Herren / oder der Baur einen Edelmann agiren will: wann man nicht zu frieden ist mit dem / was man ist oder hat: Wann man zu vil will / bekommt man zu wenig über. Hätte die Dulen für lieb genommen / und ich beholffen mit und bey ihres Gleichen / so hätte sie gleichwohl etwas gehabt / weil sie sich aber unter die Tauben gemischt hat / wollen besser und höher daran seyn / als ihr gebührte / ist sie gar um alles kommen / und den Schaden zum Spott gehabt. Ein Gleiches widerfahret denjenigen / die sich ohnbefugt und ohnverdient in Würden und Ehren / oder in Besitz fremder Güter eindringen / dise fallen offt tieffer / und werden ärmer als sie zuvor gewesen seynd.85 Deßwegen mahnet uns der Apostel: Noli altum sapere, sed time.86 Seye nicht stoltz / sondern förchte dir. Und sey behutsam: Wer sich selbst erhöhet / der wird erniedriget werden.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 462-469.
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