Der 1. Absatz.

Von dem Ceder-Baum.

[540] Was der Löw unter den Thieren / und der Adler unter den Vöglen / das ist der Ceder unter den Bäumen /nemlich ein König gleichsam / und der fürnemste derselben; dann er übertrifft sie alle an der Grösse /und wachset schnur gerad in ein verwunderliche Höhe auf / wird auch so dick / daß etlich Männer zumahl mit ausgespannten Aermen ihn kaum umfangen mögen.1

Die Ceder-Bäum / wie ich in dem Indisch- und Sinesischen Lust- und Staats-Garten à f. 581. lise /wachsen in Ost- und West-Indien / im Africanischen Königreich Congo, in der Americanischen Insul Cuba, und in Neu-Spanien oder Mexico.2 In der Ost-Indischen Insul Tercera sollen sie so häuffig wachsen / daß man Wägen / Schiff / und Schlitten daraus zimmert / die Sinesische Ceder aber auch gewisse Früchten tragen. Ubrigens seynd die allergröste und höchste Ceder-Bäum / nach Zeugnuß der Scribenten in Syrien / und zwar auf dem Berg Libano zu finden / die so starcke Stammen haben / daß sie ein und andere Klaffter dick seynd / und 4. Männer ihn kaum umfangen können: die Aest stehen von unten an biß oben auf / also daß die untere allzeit grösser seynd als die obere / gantz ordentlich um den Stammen herum gesetzt. Das Holtz / wann mans zu Brettern schneidet /seye rothlächt / und der Blätter sitzen auf einem Reißlein gemeiniglich 40. oder 50. beysammen. Seine Zapfen richte der Ceder aufwerts empor / welche den Tann-Zapfen nicht ungleich / aber weit grösser / viel dicker und härter seyen: daran befinden sich gewisse Nüßlein mit glantzendem wohlriechendem Hartz gefüllet etc.

Sonsten schreibt man von dem Ceder-Baum insgemein / daß er im Sommer und Winter allzeit grüne /ein so gut und hartes Holtz habe / welches niemahl wurmstichig werde / und niemahl faule: er gebe auch einen lieblichen Geruch von sich / und mache einen annemlichen Schatten.

Das Dach des weltberühmten Tempels der Göttin Dianæ zu Ephèso war aus Ceder-Holtz gemacht: der herrliche Tempel Salomonis aber zu Jerusalem ware innerhalb nach austrucklichem Befehl GOttes von unten biß oben mit lauter Ceder-Holtz ausgetäferet.3

Cedro omnis domus intrinsecus vestiebatur.4 Auch die Königliche Burg Syon hat David aus Göttlichem Befehl von Ceder-Holtz aufgebauet.5 Das gröste Lob aber der Ceder-Bäumen bestehet in dem / daß sie in Heil. Schrifft Cedri DEI, Ceder GOttes genennet werden.

Ja daß die ewige Weißheit sich selber würdiget mit einem Ceder-Baum zu vergleichen / quasi cedrus exaltata sum in libano,6 Ich bin erhöht als wie ein Ceder-Baum auf dem Berg Libano.

Ein solcher erhöchter / und überaus hoher Ceder-Baum in sittlichen Verstand / Cedrus Dei, ein Ceder GOttes ist die Seeligste Jungfrau Maria auf eine gantz besondere Weiß; weilen sie nemlich ist ein Tochter GOtt des Vatters / ein Mutter GOtt des Sohns / und ein Braut GOtt des Heiligen Geists.7 Cedrus exaltata, ein erhöchter und überaus hoher Ceder-Baum ist sie; weilen gleich wie der[540] Ceder ein König der Bäumen ist / und sie in der Höhe alle weit übertrifft / also ist Maria ein Königin des Himmels und der Erden /der Engel und Menschen / die sie alle in der Hoheit /das ist / in der Vollkommen- und Heiligkeit / in der Gnad / Verdiensten und Glory gar weit übersteiget.

Der Ceder-Baum grünet allzeit / faulet niemahl /und wird von keinem Wurm versehrt: auch / und noch vielmehr Maria hat allzeit gegrünet / und floriret wegen der unversehrten Jungfrauschafft / und Jungfräulichen Mutterschafft / sie ist von aller Corruption oder Verfaulung der Sünd / und von allem Wurm des bösen Gewissens / und der bösen Neigungen jederzeit befreyt gewesen.

Der natürliche Ceder-Baum vertreibt (wie Rupertus und Hugo Card. schreiben) die Schlangen und gifftiges Ungezifer / hingegen erquicket er die von der Sonnen-Hitz Abgemattete mit seinem Schatten. Der Marianische Ceder-Baum aber vertreibt durch den Geruch / oder durch die Krafft seiner Heiligkeit die höllische Schlang / und das gifftige Ungezifer der Sünden: hingegen mit dem Schatten ihres Mütterlichen Trosts und Schutzes erfrischet sie die matte Seelen / und beschirmet sie von den hitzbrennenden Strahlen der strengen Göttlichen Gerechtigkeit. Der Ceder hat nach Proportion seiner Höhe grosse und tieffe Wurtzlen: und auch diser sittliche Ceder-Baum Maria ist entsprossen von starcken und tieffen / das ist / in der Tugend und in der Demuth starck und tieff gegründeten Wurtzeln / nemlich / wie Hugo Card. anmercket / von dem Stammen Abraham / Jesse /David / von ihren HH. Eltern Joachim und Anna.

Aus dem Ceder-Holtz ist der Tempel Salomonis erbauet worden / und aus dem Marianischen Ceder-Baum ist der Göttliche Tempel die heiligste Menschheit Christi erbauet worden.

Fernere Gleichnuß zwischen den Eigenschafften des Ceder-Baums / und den Vollkommenheiten Mariä führet fort der hochgelehrte Laurent. Dalmata S.J. und sagt / daß jene Wort / die Ezech. c. 31. v. 3. etc. von dem König der Assyrier geschriben stehen / viel besser von der Mutter GOttes können gesagt werden /nemlichen Ecce Assur quasi cedrus in libano pulcher ramis & frondibus nemorosus etc.8 sihe /Assur war ein Ceder-Baum auf dem Berg Libano / schön an Aesten / und schattich von dicken Zweigen / und hoch aufgeschossen. Die Wasser zohen ihn auf / und die Tieffe macht ihn hoch: seine Flüß lieffen rings um sein Stamm oder Wurtzel / darum wuchs er höher als all andere Bäum etc. Dann / sagt ermeldter Author, die Wasser / so von dem himmlischen Berg Libano herfliessen /und den Marianischen Ceder-Baum anfeuchten /seynd die häuffige und ungemeine Gaaben und Gnaden GOttes / mit welchen Maria gezieret / und Krafft derselben über alle Heilige / ja über alle Chör der Englen erhöcht ware etc. oder es kan auch gesagt werden / abyssus exaltavit illam, der tieffe Abgrund ihrer Demuth habe sie also erhöcht / nach dem Göttlichen Ausspruch / wer sich ernidriget / wird erhöht werden. Je höher die Ceder-Bäum mit ihrem Gipffel sich in den Lufft erheben / je tieffer wurtzlen sie in der Erden ein / damit sie nemlich bey anhaltenden Sturm-Winden bestehen mögen: und also hat sich Maria ein rechter Ceder-Baum zu seyn erwisen; dann je höher sie in der Vollkommenheit / in der Gnad und in den Verdiensten gestiegen ist / je tieffer hat sie sich durch Geringschätzung und Verachtung ihrer selbst ernidriget / und mithin ist sie bey allem Ungewitter vest und unbeweglich verbliben.

Der Ceder ist vor Zeiten wegen seinem lieblichen Geruch aus allen andern Bäumen der erste den Göttern geopffert und ihnen zu Ehren verbrennt worden: aber der Marianische[541] Ceder-Baum hat sich selbsten gleich in der Empfängnuß dem wahren GOtt aufgeopfferet / durch das Feur der Liebe gäntzlich verzehret / und also den angenehmsten Geruch der Tugend und Heiligkeit von sich geben, durch welchen sie auch die höllische Schlang (als wie der Ceder-Baum das gifftige Ungezifer) vertriben hat / also / daß selbe auch in der Empfängnus durch die Erbsünd ihr nicht zuzukommen vermöchte; mithin hat sie auch dise Eigenschafft des Ceder-Baums / welcher keinen Nast oder Knöpff hat / dann sie ist Virga, in qua nec nodus originalis, nec cortex actualis culpæ fuit, das ist /


Ein Stab ohn alle Näst und Rinden

Befreyt von allem Erb der Sünden.


Der Ceder-Baum wurde bey der alten Heydenschafft wegen seiner Dauerhafftigkeit für ein Sinnbild oder Anzeigen der Ewigkeit gehalten / auch deßwegen die Götzen-Bilder aus Ceder-Holtz geschnitzlet / auf daß sie unversehrt allzeit dauren solten. Daher entstund auch der Brauch / daß wann man von etwas sagen wolte / es seye eines ewigen Angedenckens würdig / sagte man / es seye Ceder-würdig / oder verdiene in Ceder-Holtz verzeichnet zu werden. Der Heil. Evangelist Lucas / aus absonderlicher Lieb und Hochschätzung der Mutter GOttes / hätte gern gesehen / daß auch ein sichtbarliches Angedencken der Seeligsten Jungfrauen allzeit auf der Welt verhanden wäre / und deßwegen hat er ihr Heil. Bildnuß mit grossem Fleiß aus Ceder-Holtz geschnitzlet / welche Bildnuß R.P. Laurent. Dalmata S.J. in der Heil. Capell zu Loreto selbst gesehen zu haben bezeuget / in Mundo Mar. Disc. 4. n. 99. ja von und aus diesem Marianischen Ceder-Baum ist das Ebenbild des ewigen Vatters / der Sohn GOttes selber dem Leib nach formirt oder gestaltet worden.

Aber nicht nur das Holtz des Ceder-Baums ist edel und fürtrefflich / sondern auch das Hartz / oder der Safft / so daraus trieffet / hat grosse Krafft / daß wann man die Bücher darmit bestreicht / da bleiben sie allzeit unversehrt und von den Schaben befreyt: wie dann nach Zeugnuß Plinii die Bücher des weltweisen Pythagoræ 535. Jahr lang in der Erden vergraben gelegen / gantz und unversehrt seynd befunden worden.9 Noch viel kräfftiger ist der Schutz und Beystand Mariä / die H. Schrifft / und andere Glaubens-Lehren von den schädlichen und schändlichen Schaben / das ist / vor den Ketzern und Irrglaubigen (welche dieselbe gern zernagen thäten) zu bewahren.

Endlichen wie Plinius lib. 24. e. 5. bezeuget / so dienet der Safft und die Frucht des Ceder-Baums für unterschidliche Kranckheiten und Gepresten des Leibs: der Marianische Ceder-Baum aber ist ein bewehrtes Mittel für alle auch unheilsame Kranckheit-und Anligen des Leibs und der Seelen: Sie ist abyssus gratiæ & pelagus curationum, sagt der Heil. Jo. Damas. ein Abgrund der Gnaden / und ein Meer des Heils.10

Der Heil. Rich. à S. Laur. aber vergleicht sie gar recht einem Garten / in welchem alle heilsame Kräuter zu finden seynd / welche ein unfehlbar- und übernatürliche Krafft haben / alle Kranckheiten zu curiren.

In sensu politico aber / in politischem Verstand stellet uns meines Erachtens der Ceder-Baum füglich ein vollkommenen und ausgemachten Regenten vor: dann ein regierender Herr muß warhafftig den Eigenschafften des Ceder-Baums gleichende Qualität- und Tugenden haben.11 Gleich wie der Ceder-Baum schnur gerad aufwachset / und in der Höhe all andere Bäum übertrifft / also muß ein guter Regent gerad nach der Richtschnur der Gerechtigkeit procediren /und weder durch die gar zu grosse Clemenz[542] oder Güte zu viel auf die rechte Seiten / weder durch die allzu grosse Strengheit auf die lincke Seiten sich lencken /sondern allzeit in dem Mittel sich halten.


Medium tenuêre beati.


Glückseelig ist der jenig Mann /

Der das Mittel treffen kan.


Die Hoheit aber seiner Würde und und seines Stands belangend / gleichwie er in dieser seine Unterthanen / so wohl als der Ceder die andere Bäum / gar weit übertrifft / also soll er sie auch in der Klugheit und Tugend übertreffen. Ein Ceder-Baum erfordert viel biß er zu einer solchen Höh- und Grösse aufwachset / er ziehet viel Safft von Erden an sich / aber er behaltet es nicht für sich allein / sondern wann er aufgewachsen ist / theilt er wiederum reichlich mit /was er empfangen hat / und laßt es auch andere geniessen / er gibt ein wohlriechenden Safft und heilsame Früchten von sich / er macht ein angenehmen Schatten / und vertreibt die Schlangen von dem Platz /auf dem er steht. Eben also erfordert ein regierender Herr viel zu seiner Verpflegung / zu seiner standmäßigen Aufführung / er ziehet einen grossen Theil von den Güteren oder Einkommen seiner Unterthanen an sich / aber er soll es nicht zu seinem Nutzen / oder vielmehr zu seinem Pracht und Uberfluß allein verwenden / sondern wann er in Stand gesetzt ist / soll er es auch seine Unterthanen wiederum geniessen lassen / durch die Milde und Freygebigkeit ein guten Safft /und guten Geruch eines tugendlichen Wandels von sich geben / durch den Schatten aber seines Schutzes /seiner Protection die Unterthanen beschirmen und alles feindlich- oder schädliches von ihnen abwenden.

Der Ceder-Baum bleibt unversehrt im Ungewitter /er grünet allzeit / und ist keiner Fäulung / keinen Würmen unterworffen. Auch ein großmüthiger Regent solle standhafftig und unverrucket bleiben in dem Ungewitter der anhaltenden Gefahren und Beschwerden /und keiner Corruption unterworffen seyn / das ist /sich nicht corrumpiren lassen / oder von der Gerechtigkeit abweichen / weder durch die Affection zu seinen Favoriten oder Günstlingen / weder durch das Schmeichlen seiner Augen-Diener etc.

Viel unterschidlich und fürtreffliche Eigenschafften hat der Ceder-Baum an sich / aber vor allem wird sein Höhe gerühmt und bewundert / dise macht ihn ansehnlich / diese erhebt ihn über alle Bäum; auch ein regierender Herr / ja ein jeder Oberer muß unterschidliche Tugenden haben / aber vor allem ist die Klugheit an ihm zu loben / dise erhebt und erhöht ihn über den gemeinen Pöfel / diese ist eine veste Grund-Saul /von welcher sein Regierung / sein Authorität oder Ansehen muß unterstützt und aufrecht erhalten wer den.12 Durch die Klugheit wird er insgemein viel mehrer als mit Gewalt ausrichten / die Klugheit des Fürsten / oder Vorstehers ist gleichsam ein Steur-Ruder / welches das gantze Schiff des gemeinen Wesens regieren muß / sie ist der Perpendickel / der das Uhrwerck in seinem richtigen Gang erhaltet: ja sie ist das Primum mobile, nach welchem alle Stern und Planeten des Politischen Firmaments / das ist / alle Ständ des Lands / oder Mitglieder der Communität ihren Lauff nemmen / und ihre Revolutiones anstellen.

Die Klugheit / spricht Cicero, ist ein Kunst recht zu leben / sie ist der sicherste Schutz eines Lands /oder Reichs / sagt Isocrates, ja der allerhöchste Regent / GOtt selbsten hat die Erden durch Weißheit gegründet / und durch Verstand die Himmel bevestiget.

Fürnemlich aber bestehet die Klugheit eines Regenten / oder einer Obrigkeit / in Erinnerung des Vergangenen / in Vorsehung des Zukünfftigen / und in Betrachtung des Gegenwärtigen /[543] dann nach reiffer Erwegung dieser dreyen muß er einen Schluß fassen /und sein Urtheil stellen / damit er sicher gehe / und weißlich handle.

Gar wohl und sinnreich hat dises vorgestellt der berühmte Symbolist de Saavedra Hispanus,13 indem er drey Schlangen abgebildet / deren zwey in dem Spiegel die verflossene / und zukünfftige Zeit / die dritte aber die gegenwärtige in einer Reiß- oder Sand-Uhr betrachtet / mit beygesetzter Sinnschrifft:


Quæ fint, quæ fuerint, quæ mox futura trahantur.


Was g'schicht / was g'schehen ist / und kan /

Diß alls / betracht ein weiser Mann.


Diese drey Ding seynd drey klare Spiegel / in welchen ein Regent seine begangene Fehler und Mängel zu verbessern / die künfftige zu verhüten leichtlich ersehen kan und soll.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 540-544.
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