Der 2. Absatz.

Von dem Palm-Baum.

[544] Auch der Palm-Baum ist ein edel und fürtreflicher /ein schön- und sehr fruchtbarer Baum: es gibt zwar vil unterschidliche Art- und Gattungen der Palm-Bäumen / wie in dem Indisch- und Sinesischen Lust-Garten Fol. 301. & sequent. weitläufig zu sehen ist; dann anderst seynd sie in America, in Palæstina etc. in Indien / anderst in Brasilien / in Egypten etc. beschaffen.14 Ja es werden auch von etlichen die Cocos-Bäum / und Dattel-Bäum / Cocos-Palmen / und Dattel-Palmen genennt. Es hat aber der Palm-Baum insgemein wider die Gewohnheit aller andern Bäumen dieses an sich / daß er untenher an dem Stammen zu nächst an der Erden dünner und schwächer ist / obenher aber gegen den Aesten dicker und schöner / da hingegen andere Bäum zu unterst am dickisten seynd /in die Höhe aber sich nach und nach verliehren. Der Palm-Baum ist ein hoher ansehnlicher Baum / er vermehrt sich / und wachset so häuffig / daß er gantz dicke Wälder formirt.

Er hat seine allzeit grünende Aest und Blätter / die im Winter nicht abfallen / und sind als wie ein Schwerdt gestaltet.

Den Nutzen aber und die Fruchtbarkeit des Palm-Baums belangend / so ist selbe unvergleichlich groß; dann er tragt schier das gantze Jahr hindurch die beste und häuffige Früchten / die dem Menschen zur Speiß dienen: es fliessen auch theils aus dem Holtz / theils aus den Früchten unterschidliche gute Säfft / welche nicht nur als ein guter Palm-Wein können getruncken / sondern auch wie ein Oel / wie ein Milch / etc. ja auch Artzney-weiß können gebraucht werden.15 Es kan ferners von dem Palm-Baum ein gewisse Art Baum-Woll gezogen / und aus derselben Kleider und Beth-Gewand gemacht werden / wie unterschidliche Authores melden. Mit einem Wort / der Palm-Baum verschafft einem Menschen alle Nothdurfft / er speiset / träncket / kleidet und heilet: Aus dem Holtz aber des Indianischen Palm-Baums können unterschidliche Sachen gearbeitet werden / grosse Schiff gemacht / hohe Mast- oder Segel-Bäum / und gantze Häuser: nichtweniger aus der Rinden Schildt und Beckel-Hauben etc.

Billich derowegen kan man dem edlen Palm-Baum die Sinn-Schrifft zueignen / und von ihm mit Wahrheit sagen:


Ab uno omnia.


Alles was dir nutz kan seyn /

Gibt der Palm-Baum gantz allein.


Daher ist es auch geschehen / daß vor Zeiten so vil tausend heilige Einsidler von dem eintzigen Palm-Baum sich ernähret / und erhalten haben /[544] und GOTT hat uns aus sonderbarer Fürsichtigkeit / die sonst öde Landschafften und Wüsteneyen mit diesem edlen und fruchtbaren Baum / dem Menschen zu Dienst bereichet und versehen.

Aber der edle Palm-Baum ist nicht nur fruchtbar und nutzlich / sondern auch rühmlich; dann er ist allzeit für ein Zeichen des Siegs gehalten worden / der Beständigkeit und der Stärcke: deßwegen pflegte man denjenigen / die sich in dem Streit tapfer gehalten haben / bey dem Triumph Palm-Zweig in die Händ zu geben.16 Ja nicht nur auf der Erden / sondern auch in dem Himmel werden die Palm-Zweig hochgeacht; der heilige Evangelist hat in seiner heimlichen Offenbahrung eine unzahlbare Menge der Auserwählten / vor dem Thron GOttes in grosser Herrlichkeit stehend gesehen / welche alle Palm-Zweig in ihren Händen hatten / zum Zeichen / daß sie die Welt / das Fleisch /und den Teufel überwunden haben.17 Nicht weniger Christus der HErr selbsten / da er triumphirlich zu Jerusalem ist eingezogen / hat er gewolt / daß das Volck ihme mit Palm-Zweigen in den Händen entgegen komme.

Ein solcher triumphirlicher / ein solcher edel- und fruchtbarer Palm-Baum / in sittlichem Verstand / ist das heilige Creutz: dieses ist jener Palm-Baum / von welchem der himmlische Bräutigam in dem hohen Lied gesprochen hat: Ascendam in Palmam & apprehendam Fructus ejus.18 Ich will auf den Palm-Baum steigen / und seine Frucht ergreiffen / oder abbrechen. Die Früchten aber dieses Palm-Baums seynd die unendliche Verdienst Christi / die Erlösung des menschlichen Geschlechts / daß wieder hergestelte Recht zu dem Himmel / die heilige Sacramenten /etc. der kostbare Safft aber / welchen dieser heylwehrte Palm- oder Creutz-Baum von sich gibt / ist das Heil. Rosenfarbe Blut / so er für uns vergossen hat /es seynd die Fontes Salvatoris, die Brünnen des Heyls / die er uns aus seinen heiligen 5. Wunden hat fliessen lassen. Warhafftig nullo silva talem profert fronde, flore, Germine. etc.


Kein Wald hat jemahl tragen /

Ein so edlen Palmen-Baum;

Mit Wahrheit kan man sagen /

Man könn zehlen d' Früchten kaum.


Dieser Baum grünet und floririt allzeit / seine Blühe und Blätter fallen niemal ab / das ist / die Ehr und Hochschätzung des heiligen Creutzes wird allzeit dauren: es heist da bey diesem Baum / fructus mei, fructus honoris & honestatis, Die Früchten / die an mir hangen / seynd voller Ehr und Reichthum.19

Aus dem Holtz des Indischen Palm-Baums werden / wie gemeldt / Schiff / und Mast- oder Segel-Bäum gemacht / damit über die Flüß und Meer zu fahren; auch aus dem Holtz des heiligen Creutzes wird ein Schifflein gemacht / ja das Creutz Christi ist das eintzige Schifflein / in welchem die Seel über das gefährlich- und ungestümme Meer des zeitlichen Lebens /der gegenwärtigen Welt / an das Gestatt der glückseeligen Ewigkeit überfahren / und den vilfälltigen Nachstellungen der höllischen Meer-Räuber / der bösen Gelegenheiten / und verführerischen Gesellschafften /den hefftigen Sturm-Wind und Wellen der schweren Versuchungen etc. entrinnen kan. Das ausgespante Seegel-Tuch in diesem Schifflein ist der am Creutz hangende / und mit Näglen angehäffte Jungfräuliche Leib Christi. His te committe velis, si tutò navigare velis, rufft einem Christen zu Petrus Blesensis.20 In dieses Schifflein must eintretten / wann dich wilst in G'fahr erretten.

Endlichen werden auch aus dem Holtz dieses sittlichen Palm-Baums[545] des H. Creutzes die stärckste und sicherste Waffen gemacht / uns wider die unsichtbarliche Feind der Seelen zu beschützen / selbige zu bestreiten / und zu überwinden.

Aber zu mercken ist / was Plinius und andere Natur-Kündiger von den Palm-Bäumen schreiben /und auch der H. Ambrosius und Ephrem etc. bekräfftigen / daß es nemlich unter den Palmen ein Unterscheid des Geschlechts / das ist / Männlein und Weiblein gebe / nach Proportion als wie unter den Thieren / und diese seyen also beschaffen / daß die Weiblein wenig oder gar kein Frucht tragen / wann sie nicht also gepflantzt werden oder aufwachsen / daß sie von den Männlein mögen überschattet werden / oder aufs wenigst gegen einander stehen / daß der Lufft den Staub von den Blätteren / oder den Geruch von dem Männlein auf das Weiblein hinüber trage / wann sie mit den Aesten emander nicht erreichen können: mit einem Wort / das Weiblein unter den Palm-Bäumen will mit dem Männlein vergesellschafftet seyn / es muß einiger massen mit ihm verbunden seyn / sonst tragt es keine Früchten.21 Vast ein gleiche Beschaffenheit hat es mit der Christlichen Seel / und mit dem Creutz Christi / als einem sittlichen Palm-Baum /wann die Seel das Creutz nicht in ihrem Angesicht /oder vilmehr in ihrem Angedencken / und ihrer Anmuthung hat / wann sie nicht durch die Liebe / durch die Gedult / und Abtödtung mit dem Creutz vergesellschafftet und verbunden ist / da wird sie niemalen einige des Himmels würdige Früchten herfürbringen. Wann sie aber mit dem Creutz verbunden / oder von demselben überschattet wird / alsdann wird sie fruchtbar gemacht. Sobald das Männlein unter den Palm-Bäumen umbgehauen / oder hiweg genommen wird /da steht das Weiblein ab / es wird unfruchtbar; und sobald das Creutz von der Seelen hinweg genommen wird / da bringt sie keine Früchten mehr der guten Wercken herfür.22

Ein fernere Gleichnuß mit dem Palm-Baum geben mir die Wort des Psalmisten an die Hand / indem er sagt: Justus ut Palma florebit.23 Der gerechte wird grünen wie ein Palm-Baum: dann erstlich / gleichwie der Palm-Baum unterhalb zu nechst bey dem Erdboden dünner / schwächer / und unansehnlicher ist / hingegen je mehr sich der Stamm in die Höhe erhebt / je dicker / schöner / und stärcker wird er; also seynd die gerechte / und gottseelige Menschen in den irrdischen Dingen / und zeitlichen Geschäfften / und Wissenschafften gemeiniglich schwach / und wenig erfahren /sie seynd auf der Erden / das ist / bey den Welt-Menschen nicht ansehnlich / ja öffters gantz verachtet: Hingegen aber in der Höhe / in der Tugend und himmlischen Dingen seynd sie starck / wohl bestelt /und erfahren / sie seynd schön und wohl angesehen vor GOTT und seinen Englen. Dahingegen die eytle Welt-Menschen ihr meiste Stärck / und ihr meistes Ansehen nur auf der Erden haben / in der Höhe aber /oder an den Kräfften der Seelen seynd sie gantz schlecht bestelt / schwach und unformlich. Wiederum der Palm-Baum grünet allzeit / ist allzeit fruchtbar /und zu allem nutzlich / nichts ist umsonst an ihm; es geht zwar langsam zu biß er aufwachset / aber wann er einmahl in seiner perfection ist / da schibt er alle Neu-Mond neue Zweiglein herfür. Eben also geht es zwar hart und langsam zu / es kost vil Mühe und Zeit / biß daß der Gerechte zur Vollkommenheit gelangt /aber wann er selbe erreicht hat / da grünet er beständig / er tragt die schönste Blühe und Blätter der guten und auferbaulichen Worten und Exemplen / er gibt den besten Geruch von sich eines unsträflichen Wandels / er bringt die gantze Zeit / sowohl im Sommer des Trosts und der Wohlfahrt / als im Winter der Trübsaal und des Miß-Trosts[546] die beste und häufige Früchten der reichlichen Verdienst und guten Wercken herfür / und alles / was an ihm / ist nützlich. Pietas ad omnia utilis. Die Babilonier pflegten zu sagen / die Menschen können 360. Gutthaten oder Nutzbarkeiten von dem Palm-Baum haben: aber die Früchten und Nutzen / so die Catholische Kirch von den Gottseligen und vollkommnen Seelen hat / seynd nicht nur 360. sondern unzahlbar vil.

Fernes / der Palm-Baum liebt ein Erden / welche zwar vom Wasser öffters begossen wird / doch aber mehr mager und sandig / als fett und lettig ist: es ist ihm auch die Kälte zuwider / er wachst gern in hitzigen Ort- und Länderen. Eben eine solche Beschaffenheit hat es auch mit dem sittlichen Palm-Baum / mit dem Gerechten und seinem Wachsthum: Er hat zwar vonnöthen / daß er öffters von den himmlischen Gnaden-Flüssen angefeucht und begossen werde / doch steht er vil lieber in einer sandigen mageren / als in einer feisten leimigen Erden / das ist / der Gerechte und Vollkommene führt vil lieber ein rauhes / streng-und bußfertiges als ein wollüstig- oder bequemliches Leben: er liebet mehr die Armuth / Mortification und Demüthigung / als Wollüst / Ehren / und Reichthumben. Der weise Seneca sagt: Multis ad philosophandum obstitêre divitiæ. Die Reichthumben seynd vilen an der Weißheit verhinderlich gewesen / aber noch vilmehr haben die Wollüst und Reichthumben an der Tugend und Gottseeligkeit geschadet. Deßwegen gleichwie der Palm-Baum zu Zeiten muß gestutzt / und das Uberflüßige davon geschnitten werden / als muß der Gerechte ihm selber den Uberfluß abthun /und in allem der Mäßigkeit sich befleißigen. Auch die Lauigkeit des Hertzens und der Liebe ist dem Gerechten / als wie dem Palm-Baum die Kälte / schädlich /er liebt die Wärme die Hitz des Eyfers und der Andacht etc.

Endlichen ist noch an dem Palm-Baum merckwürdig / daß / wie Thom. le Blanc. S.J. aus Aristotele und Plutarcho bezeuget / wann man schon ein auf rechtes Stuck Palmen-Holtz mit einem grossen Last beschwähret / so gibt es dannoch nicht nach / es krümt oder biegt sich nicht / sondern es widersteht dem Last / und richtet sich mit Gewalt in die Höhe auf.

Eben also ein gerechte und vollkommene Seel /wann sie schon ein grosse Bürde tragen muß / wann sie schon mit unterschidlichen Beschwerden überhäufft und beladen ist / so weicht sie doch nicht / sie gibt nicht nach / sondern bleibt allzeit beständig und aufrecht / als wie der Palm-Baum stehet. Mithin verdient sie gar wohl das Lemma, oder die Sinn-Schrifft:


Premor non opprimor.


Ich wird gedruckt / nicht unterdruckt.


Oder wie jener Poët etwas ausführlichers:


Pressa sub ingenti ceu pondere Palma virescit,

Sub cruce sic florent dedita corda DEO.


Gleichwie der Palm auch hart beschwert /

Dannoch grünt / und aufrecht steht /

Also der Grecht / obwohl betrangt /

Wie ein Palm-Baum siegreich prangt.


Ubrigens gedunckt mich / der so fruchtbare Palm-Baum ein lebhaffte Abbildung oder Entwurff der Freygebigkeit zu seyn / weilen er ja alles / was er hat /dem Menschen zu Nutz[547] so reichlich und häuffig mittheilet: doch also / daß er sich nicht auf einmahl gäntzlich erschöpfft / sondern also gibt oder mittheilet / daß er immer im Stand bleibt / noch ferners zu geben / als wann er es gleichsam verstunde / daß die Freygebigkeit solle mäßig und vernünfftig geübt werden (und gleichwie all-andere Tugenden) zwischen zwey äussersten Dingen / nemlichen dem Geitz / und der Verschwendung das Mittel halten.24

Die beste Regul und Maaß der Freygebigkeit hat der alte Tobias seinem Sohn / dem jüngern Tobiä /mit folgenden Worten vorgeschrieben: Si multum tibi fuerit, abundanter tribue, si exiguum, etiam exiguum libenter impertiri stude.25 Hast du viel / so gibe reichlich / hast du wenig / so befleiß dich auch das wenige mitzutheilen.

Mit einem Wort: Quomodo potueris, misericors esto, sagt Tobias: Nach deinem Vermögen erweise Barmhertzigkeit.

In Austheilung der Gaaben und Schanckungen sollen jederzeit zwey Stuck gegen einander abgemessen /oder abgewogen werden / nemlichen die Kräfften oder das Vermögen des Gebenden / und die Nothdurfft des Empfangenden: dann wann das Vermögen überschritten wird / setzt sich der Gebende in Gefahr der bevorstehenden Armuth und Vetspottung: wann er aber weniger gibt / als er kunte / und die Nothdurfft des andern erforderet / da wird er den Namen und den Ruhm eines Freygebigen niemahl erhalten.

In dem Alten Testament haben die Opffer mit Saltz müssen angesprengt werden; auch die Gaben / so von der Freygebigkeit herkommen / sollen mit dem Saltz der Discretion oder Bescheidenheit gleichsam gewürtzt werden / damit sie wohl geschmach / und nicht weniger dem Gebenden / als dem Empfangenden gedeylich seyen.

Wann die Freygebigkeit auf solche Art beschaffen ist / da gleicht sie dem edlen Palm-Baum / welcher nicht nur mit seinem Safft und seinen Früchten die Hungerige und Durstige speiset und träncket / sondern auch die Anschauende mit der Schönheit der Aest und Blätter / und mit der Lieblichkeit des Geruchs ergötzet: dann ein besondere Fürtrefflichkeit dieser Tugend der Freygebigkeit ist / daß sie nicht nur die Bedürfftige vergnüget / sondern zugleich auch die Unbedürfftige mit ihrer Annehmlichkeit einnimmt /und sich bey ihnen beliebt macht. Es ist keine geringe politische Klugheit / die Freygebigkeit recht zu üben wissen / und die Gemüther dardurch zu gewinnen; wer unbedacht und unbescheiden viel verschencket /der bringt nicht mehr dardurch zu wegen / als daß man zwar seine Gaben liebt / ihn aber darbey verachtet: hingegen seynd nicht wenig Regenten zu zehlen /welche durch ein generose und zugleich bescheidene Freygebigkeit die Affection ihrer Unterthanen / die Sicherheit ihres Land / und den Ruhm eines Preyß-würdigen Fürstens bey der spaten Nach-Welt erworben haben.

Ein in den weltlichen Historien von der Freygebigkeit sehr berühmter / und einem fruchtbaren Palm-Baum / gleichender Fürst ist gewesen Cimon Altheniensis, welcher / nachdem er im Krieg die Barbarer überwunden / und überaus grosse Reichthumen erworben hat / da hat er an allen seinen Land-Gütern die Mäuren und Zäun lassen niederreissen / damit ein jeder von den Früchten ungehindert selbst nemmen kunte / was er vonnöthen hatte.26 Sein Hauß stunde einem jeden offen / ein jeder hatte freyen Zutritt / und fande da Speiß und Tranck in Bereitschafft nach Belieben.[548]

Wann er aber offentlich über die Gassen gienge /da musten ihn viel adeliche Jüngling begleiten / die er alle mit schönen neuen Kleidern versehen hat / und so bald ihme ein ehrlicher Mann begegnete / der schlecht gekleidet ware / da musten sie gleich mit ihm die Kleider vertauschen. Ptolomæus aber ein Sohn Logi hatte kein grössere Freud / als wann er jemand kundte reich machen: dann er sagte / es sey weit ein grössers Glück und Ehr einen andern reich machen / als selber reich seyn.27

Der Persianische König Cyrus, nachdem er Assyrien eroberet / hat er in allen Gelegenheiten / und auf alle Weiß gegen die Seinigen die Freygebigkeit geübt: sprechend / seine Schätz und Reichthumen bestehen nicht in Silber und Gold / sondern in guten Freunden. Theat. vit. Hum. f. 548. aber non omnis fert omnia Tellus, solche fruchtbare und so reichlich mittheilende Palm-Bäum wachsen nicht in allen Landen.

Wohl melden von solchen auch die geistliche Geschichten. Dann ein solcher ist unter andern gewesen /der Heil. Thomas de Villa Nova Ertz-Bischoff zu Valentz in Hispanien; dieser hat seinem Allmosen-Geber oder Ansspender kein andere Regul vorgeschrieben /als all den jenigen zu geben / die es begehren. Sein tägliches und gewisses Allmosen aber / welches alle Tag 500. Menschen empfingen / ware ein Brod / ein Suppen / ein Trunck Wein / und noch ein kleine Müntz darzu: neben noch andern grössern Allmosen /für andere sonders Bedürfftige in geringerer Anzahl. Wann einem Handwercks-Mann der nothwendige Werckzeug abgienge / oder einem Kauffmann die nothwendige Wahren ermangleten / liesse er ihnen alsobald selbige aus seinen Mittlen verschaffen.

Sehr grossen Theil seiner Freygebigkeit haben auch die Findel-Kinder genossen / deren er über 40. auf einmahl beysammen gehabt / und ihnen alle nöthige Vorsorg thun lassen.

Ein solcher ist auch gewesen der von der Freygebigkeit Welt berühmte Joann. Eleemosinarius Ertz-Bischoff zu Alexandria, welcher alle Geist- und Weltliche / Fürnehm- und Gemeine / die aus Syrien (welches von den Persianern ist verhörget worden) nacher Alexandriam geflohen seynd / mit täglicher Nothdurfft von Kleideren / Speis und Tranck versehen hat.

Ja so bald er ist Bischoff worden / hat er vor allen die Arme in der gantzen grossen Stadt aufsuchen und abzehlen lassen / und als derselben siben tausend und fünff hundert seynd befunden worden / hat er allen die Tägliche Nothdurfft reichen lassen. In seinem Todt-Bett hat er selbst bekennet / daß er die 8000. Pfund Golds / so er bey Antritt des Bißthums beysammen gefunden / neben vielen anderen alles um Christi willen (dem vorher alles zugehörte / sagte er) den Armen ausgetheilt habe.

Aber ein grosser Fehler wäre es / wann einer vermeinen solte / es seye die Freygebigkeit nur grossen Herren anständig und üblich: Nein / die allgemeine Regul der Freygebigkeit / wie schon gemeldt / hat der alte fromme Tobias vorgeschrieben / si multum tibi fuerit, abundanter tribue etc. hast du viel / so gib reichlich / hast du wenig / so befleiß dich auch das wenige mitzutheilen. Viel Gottseelige Männer haben sich in schwerer Hand-Arbeit ernährt / in saurem Schweiß des Angesichts ihr tägliches Brod gewonnen / und dannoch den Armen darvon mitgetheilt / da hingegen so viel reiche Geitz-Häls von ihrem Uberfluß nichts geben.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 544-549.
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