Vorred

An den geneigten Leser.


Ich kan mir leichtlich einbilden, geneigter Leser, daß du bey dem ersten Anblick dieses gegenwärtigen Buchs dich verwundern und gedencken werdest / es seye etwas zu viel und vermessentlich geredt / daß ich die grosse und kleine Welt, in einem nicht grossen Buch / und zwar natürlich, sittlich, und politischer Weiß, zum Lust und Nutzen vorzustellen versprüche / und mich einer (wie es scheint) so schweren Sach unterfange.

Aber ich lasse mich dieses von meinem Vorhaben gantz und gar nicht abschrecken / sondern glaube vielmehr / daß ich guten Fug und Grund solches zu thun habe.

Ich setze aber zum Voraus meines Beweißthums jenes bey den Lateineren bekannte Axioma oder Sprüchwort: Quilibet verborum suorum optimus interpres est. Ein jeder ist selbst der beste Ausleger seiner Worten. Nun will ich hiemit auch meine Wort des vorgesetzten Titel-Blats auslegen / und sage demnach / daß ich da Erstlich den Macrocosmum, oder die grosse Welt / wolle vorstellen / das ist / die meiste und fürnemste Gattungen der Geschöpff / die in der gantzen Welt befindlich seynd / kürtzlich beschreiben: als nemlich die Himmels-Gestirn / die vier Elementen / Meteora oder Lufft-Gesichter / die Mineralia oder Metallen / die Edelgestein und Erd-Säfft etc. und dieses zwar alles in dem Ersten Theil des gegenwärtigen Buchs.

Alsdann schreite ich weiters zu den beseelten oder lebhafften Creaturen / und zwar in dem Anderten Theil zu dem Menschen / der sich in dem höchsten Grad des vernünfftigen Lebens befindet / und von den Gelehrten insgemein Microcosmus, das ist / die kleine Welt / genennt wird: und dieses zwar darummen /weilen er gleichsam ein Compendium, oder kurtzer Begriff ist aller Creaturen / und mit allen etwas gemein hat / nemlich mit den leblosen Dingen / als mit den Steinen / Feur und Wasser etc. das Wesen oder die Wesenheit: mit den vernünfftigen Thieren aber die Empfindlichkeit / und mit den Englen den Verstand. Dessen innerliche und äusserliche Glieder thue ich mit der Feder gleichsam anatomiren / oder stuck-weiß zertheilen / und dem günstigen Leser für die Augen legen.

Ferners komme ich in dem Dritten Theil zu den unvernünfftigen Thieren / als welche sich in dem mitleren Grad des Lebens befinden / und ein empfindliche Seel haben: und erstlich zwar zu den vierfüßigen / so wohl wilden als zahmen Thieren: hernach aber zu den fürnemsten Fischen und Vöglen deren Natur und Eigenschafften ich beschreibe.

In dem Vierten Theil endlichen handle ich von den wachsenden Dingen / als Bäumen-Früchten / Kräuter und Blumen. Mithin erhellet klar / daß ich nicht ohne billiche Ursach die Groß- und Kleine Welt vorzustellen versprochen habe. Nicht zwar die Welt wie selbe die Mathematici und Geographi nennen / pro Globo Terraqueo, für die Welt-Kugel oder den Erd-Kreiß /welchen sie in unterschidliche Reich / Meer / Flüß und Landschafften abtheilen / und auf denen Land-Charten verzeichnen / sondern die Welt / wie sie die Philosophi nennen / pro universo, das ist / für die gantze Versammlung aller erschaffenen Dingen.

Dise / sage ich / thue ich vorstellen auf dreyerley Art / natürlich, sittlich und politischer Weiß. Natürlich zwar / weilen ich die natürliche Eigenschafften und Beschaffenheit der Creaturen beschreibe: Sittlich aber / weilen ich insgemein die natürliche Eigenschafften geistlicher Weiß auslege / und durch vielhundert allegorische Conceptlein oder Gleichnussen theils auf die Tugenden / theils auf die Laster appliciere / und anbey dem Christlichen Leser zeige / wie daß er auch von den unvernünfftigen Thieren ja auch von den empfindlichen Creaturen viel Gutes und Löbliches sehen und erlernen könne. Politischer Weiß endlichen stelle ich sie vor / indeme ich / nicht zwar allezeit / doch zum öffteren / wann es sich schicket /und die Materi mir Anlaß gibt / ein kleinen politischen Discurs darüber führe. Ich nimme aber da die Politic nicht in sensu rigoroso, allein für jene Staats-Wissenschafft und Erfahrenheit / welche einem regierenden Herren / und seinen Ministris vonnöthen ist /Land und Leuth wohl zu regieren / sondern in sensu latiori, in einem weiteren Verstand / nemlich für eine jedem Menschen anständige Lebens-Art / die nach der Richtschnur der Billichkeit / und gesunden Vernunfft einem jeden anzeigt / was er nach seiner Stands-Gebühr zu thun oder zu lassen habe.

Es verspricht ferners der vorgesetzte Titel die Groß- und kleine Welt besagter massen jedermänniglich zum Lust und Nutzen vorzustellen; Weilen ich in Verfassung dieses Buchs mich jederzeit beflissen habe dasjenige zu beobachten / wessen das Sprüchlein des Poeten alle Scribenten oder Schrifftsteller erinneret / nemlichen:


Omne tulit punctum, qui miscuit utile dulci.


Das jenig Buch hat Krafft und Safft /

Das Lust und Nutzen gleich verschafft.


Ob ich es nun also getroffen hab / muß ich einem unpartheyischen Urtheil des geneigten Lesers überlassen. Auffs wenigst hab ich mich zu diesem End beflissen denen geistlichen und ernstlichen Discursen hin und wider etwas curioses einzumischen / und dardurch den Lust des Lesers anzureitzen.

Eben aus dieser Ursach hab ich auch zum öfftern von der Materi / welche directè und für sich selber ist tractirt worden / einen Auslauff und Anhang gemacht von einer andern angehörige Materi: als zum Exempel von dem Gesicht oder den Augen komm ich auf die Spiegel / und Perspectiv: von dem Gehör oder den Ohren auf die Music und musicalische Instrumenten /von den wilden Thieren auf die Jägerey / von den Fischen auf die Fischerey etc. und dieses wiederum mit sittlicher Application. Neben dem daß ich auch nicht selten Apologos morales, oder sittliche Fabel-Reden unterschidlichen Thieren habe beygesetzt.

Was aber das jenig / so ich von den Edelgesteinen /wilden Thieren und Vöglen etc. geschriben / nicht allerdings übereins stimmet mit deme / was / und wie mans etwan in andern Büchern findet / so wolle man deswegen mich nicht verdencken / noch eines Fehlers / oder Unwahrheit beschuldigen (massen ich von unbekanten Sachen nichts geschrieben / was ich nicht in guten und approbierten Authoribus gefunden hab) sondern man wolle es vielmehr der Ungleichheit der Authorum, so hiervon schreiben / zumessen / als welche / wie ich zum öffteren gefunden hab / sehr different seynd / und manchesmahl einerley Ding / zum Exempel ein Thier / oder ein Edelgestein auf unterschidliche Weiß beschreiben / und nennen / der eine gibt ihm dise Coler / Grösse / Krafft und Eigenschafft / der ander aber ein andere etc. Neben dem / daß es sehr schwer / ja vast ohnmöglich ist / allzeit so genau-und sicheren Bericht oder Kundschafft zu haben / von solchen Dingen / die sich gar weit entfernet / und in einem anderen Welt-Theil befinden.

In Beschreibung der vierfüßigen Thieren hab ich mich meistens an die Thier-Bücher Doct. Gesneri, und der Vöglen an die Ortinologiam oder Historiam de avibus Aldrovandi gehalten: In Beschreibung der Edelgesteinen aber an Erasmi Franc. Indisch- und Sinesischen Lust- und Staats-Garten / auch Hrn. Joan. Hybners Natur- und Kunst-Lexicon etc. In Beschreibung der Bäumen / Kräuter und Pflantzen an Mathioli und Tabernæmontani Kräuter-Bücher etc. In anderen unterschidlichen Materien hab ich mich des Petri Berchorii bedienet / der Polyantheæ, der Summæ Exemplorum & similitudinum, wie auch vieler Commentaristen / Historicorum, Prediger und Asceten / neben dem / was meine wenige Gedancken beygetragen haben: aus welchem allem endlichen dieses gegenwärtige Truck-Werck erwachsen ist.

Daß ich aber in dem vorgesetzten Titel dises Buchs auch den HHrn. Predigeren ein besonderen Vortheil und Beyhülff versprüche / das Geschicht gantz nicht darumen / als wolte ich ihnen Maaß oder Unterweisung geben / sondern es ist nur von einer Bequemlichkeit / und Erspahrung der Zeit und Mühe zu verstehen / indeme sie da von gar unterschidlichen Materien beysammen finden / was sie sonst in vielen Bücheren (die ein mancher auch nicht so gleich beyhanden hat) mit langer Zeit und Mühe aufzusuchen genöthiget wären. Als zum Exempel / will einer etwann einen Heiligen in einer Lob-Predig per allegoriam mit Sonnen / mit dem Löwen oder Adler / mit dem Ceder-oder Palm-Baum etc. vergleichen / so hat er schon beysammen nicht nur die Eigenschafften der Sonnen /deß Löwen oder Adlers / deß Ceder- oder Palm-Baums / sondern auch die Moralia, oder sittliche Application darüber: er hat auch ein kleine Erudition und Bericht von denckwürdigen Begebenheiten / die sich mit solchen Dingen zugetragen haben: er hat weiters auch einige Text von diser Materi aus der Heil. Schrifft / der HH. Vätter und Weltweisen. Wann er dann die Sach noch ein wenig amplificiren oder ausführen will / so wird ihm ausser dem Exordio und Epilogo zu einer vollständigen Predig weiter nichts mehr ermanglen.

Was endlichen den Stylum oder die Schreib-Art /so ich hierinnen gebraucht hab / belanget / so ist selber nicht einerley / sondern nach Unterschid der Materien unterschidlich / bald Historicus in Erzehlung und Beschreibung der Sachen / bald Concionatorius in Lobsprechung der Tugend und Bestraffung der Lasteren etc.

Wann ich aber zu Zeiten nach Erheischung der Materi etwas schärffers schreibe / so soll es gleichwohl geschehen mit all-schuldigem Respect gegen waserley Stands-Personen / und mit Protestation niemand insonderheit dardurch zu tadlen.

Ubrigens gleichwie ich weder hoffen noch prætendiren kan / daß dise meine Schrifften jedermänniglich gefallen werden oder sollen / also verhoff ich gleichwohl hingegen / daß sie auch nicht allen mißfallen werden: und wird mir genug seyn / wann der Christliche Leser / in Ansehung so mancherley wunderbarlichen Werck- und Geschöpffen GOttes (von welchen ich da schreibe) den allmächtigen Schöpffer preyset /und mit mir / ja mit den drey Knaben in dem Babylonischen Feuer-Ofen von Hertzen spricht: Benedicite omnia opera Domini Domino, laudate & superexaltate eum in sæcula.1 Alle Werck des HErrn lobet den HErren, lobet und erhöhet ihn über alle Ding, und zu allen Zeiten.

Fußnoten

1 Dan. c. 3 v. 57.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738.
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