Fünfter Auftritt


[184] Gurli – Die Vorigen.


GURLI. Was willst du Vater? Sie erblickt den Notarius. ha! ha! ha!

KABERDAR. Ernsthaft Gurli.

GURLI streichelt ihm die Backen. Was befiehlt mein Vater?

KABERDAR auf Samuel deutend. Willst du diesen Mann heiraten?

GURLI. Ich hab' es Liddy versprochen.

KABERDAR. Liebst du ihn?

GURLI. Ich liebe Liddy.

KABERDAR. Aber Liddy wird nicht dein Gemahl, sondern er.

GURLI. Aber er ist Liddys Bruder.

KABERDAR beiseite. Das ist sein größtes Verdienst.

GURLI. Und er wird immer wohnen wo du wohnst, Vater, Gurli wird dich nie verlassen und Liddy wird auch da wohnen. Nicht wahr närrischer Samuel?

SAMUEL. Antwort: Ja!

KABERDAR. Du hoffest also glücklich mit ihm zu werden?

GURLI. Mit ihm allein nicht, aber mit ihm, mit dir und mit Liddy.

KABERDAR. Nun Gott segne euch! ich habe nichts dagegen einzuwenden. Er umarmt seine Tochter und nachher Samuel, der sich dabei mit vieler Feierlichkeit benimmt. Sir Sie werden zugleich mein Sohn und mein Bruder.

SAMUEL. Doppelte Ehre! doppeltes Vergnügen! doppelte Zufriedenheit!

KABERDAR. Wenn es nämlich doppelt gelingt.

SAMUEL. Kein Zweifel. Wäre es Ihnen nun gefällig, den Kontrakt vorlesen zu lassen?

KABERDAR. Mir gleichviel, denn mich kann er nur in einem Punkte betreffen; in dem Punkte der Aussteuer.

MÄSTER STAFF. Da haben wir Platz gelassen. Indem er ihm das Papier zeigt.

KABERDAR. Und zwar so viel, daß man den Titel eines großen Königreichs mit allen Provinzen, die es besitzt und nicht besitzt, hineinschreiben könnte. Haben Sie mich für so reich gehalten Sir?

SAMUEL. Für sehr reich und sehr großmütig.

KABERDAR. Wirklich! dann muß ich ein seltner Mensch sein, denn reich und großmütig fand ich noch nie beisammen.[185] Doch jede Tugend kann ausarten, so auch die Großmut. Sie wissen Sir, ich stehe auf dem Sprunge selbst wieder zu heiraten und sehr möglich, daß einst noch ein Dutzend Kin der Anspruch auf meine väterliche Großmut machen.

SAMUEL verlegen. Ja, ja.

VISITATOR. Ei! ei!

MÄSTER STAFF. Hm! hm!

KABERDAR. Wieviel halten Sie daher für notwendig um mit meiner Tochter nicht dürftig und nicht im Überflusse, nicht karg, und nicht verschwenderisch leben zu können?

SAMUEL. Je nun, in solchen Fällen muß man immer lieber zuviel, als zuwenig berechnen.

KABERDAR. Und wenn uns nun auf der Mittelstraße eine Summe von zehntausend Pfund aufstieße?

SAMUEL freundlich. Ach die würden wir nicht liegen lassen.

VISITATOR. Geschwinde! geschwinde aufheben!

MÄSTER STAFF. Und die Zahl derselben in diesen leeren Platz einschalten.

SAMUEL. Überdies schmeichle ich mir mit einer geneigten Antwort auf folgende Frage: wenn der Himmel unsere Ehe mit Kindern segnet –

GURLI. Ha! ha! ha! Hör doch! bekommen wir denn auch Kinder?

SAMUEL. Ich hoffe es.

GURLI. Da wird Gurli viel lachen müssen. Gurli hat noch nie Kinder gehabt.

MÄSTER STAFF. Hora ruit: das heißt: die edle Zeit verstreicht. Wär' es Ihnen gefällig durch die Unterschrift der Kontrahenten diesem Kontrakt die gehörige Gültigkeit, Festigkeit und Unauflöslichkeit zu erteilen?

SAMUEL. Wohl gesprochen. Geh' Er, mein lieber Visitator und beruf Er meine Familie hieher. Sämtliche Personen müssen bei dieser Feierlichkeit gegenwärtig sein. Visitator ab. Noch eine Frage werden Sie gütigst erlauben: die Früchte welche aus dieser Eheverbindung zu erwarten stehen, in welcher Religion sollen sie erzogen werden? Antwort? –

KABERDAR ein wenig warm. Erziehen Sie sie zu ehrlichen Männern, übrigens machen Sie mit ihnen was Sie wollen.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 184-186.
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