Siebenter Auftritt


[189] Robert und Jack herein – Die Vorigen.


GURLI läßt sogleich die Hand sinken und begafft Robert.

ROBERT. Potztausend! große Gesellschaft!

JACK. Und Sirenen die Menge, wendet Euer Schiff Sir!

ROBERT. Narr, ich bin kein Weiberscheu.

SAMUEL. Du kommst eben recht Bruder, um deinen Namen als Zeuge unter meinen Ehekontrakt zu schreiben.

ROBERT. Herzlich gerne! viel Glück auf die Fahrt.

SIR JOHN. Robert! hier steht ein Biedermann, der künftig zu unserer Familie gehören wird.

ROBERT. Das ist mir lieb, Sir. Ich halte nichts von Komplimenten. Ihre Hand Sir. Er schüttelt sie. Ich bin Ihr Diener! und wenn es wahr ist, daß Sie ein Biedermann sind, so bin ich Ihr Freund.

KABERDAR. Freundschaft ist die Blüte eines Augenblicks und die Frucht der Zeit.

ROBERT. Wahr! sehr wahr! was vor der Zeit reift, schüttelt der erste Wind herunter.

GURLI neugierig zu Liddy. Wer ist der Mensch.

LIDDY. Das ist Bruder Robert.

GURLI. Bruder Robert? Ei! Bruder Robert gefällt mir.

ROBERT. Ist das die Braut? Ich freue mich Ihrer Bekanntschaft. Er geht auf sie zu. Erlauben Sie mir einen Kuß.

GURLI. Zehn wenn du willst. Sie küßt ihn.

SAMUEL. Nun Miß ich bitte zu schreiben.

MÄSTER STAFF. Die Formalitäten ziehen sich in die Länge.

SAMUEL zu Gurli dringend. Ist's Ihnen gefällig?

GURLI schüttelt den Kopf.

MISTRISS SMITH halb in sich hinein. Dies ist die langweiligste Verlobung, der ich jemals beigewohnt habe.

GURLI zu Liddy. Höre doch Liddy! Bruder Robert gefällt mir besser als Bruder Samuel.

LIDDY. Närrisches Mädchen!

KABERDAR. Gurli du wirst kindisch.

GURLI. Sei nicht böse lieber Vater! Gurli hat ihren freien Willen.

KABERDAR. Den hat sie.

GURLI. Nun Liddy, gilt dir's gleich viel, ob Gurli deinen Bruder Samuel, oder deinen Bruder Robert heiratet?

LIDDY lachend. Mir wohl, liebe Gurli, aber nicht Samueln.[190]

GURLI. Ach! was! der närrische Mensch! wer wird ihn fragen! Sie geht zu Robert. Lieber Bruder Robert willst du wohl so gut sein, Gurli zu heiraten?

ROBERT sehr erstaunt. Wie? was?

MÄSTER STAFF. Ein sonderbarer Casus.

MISTRISS SMITH. C'est unique.

VISITATOR. Unbegreiflich geschwind.

SAMUEL. Ich werde zu Stein.

SIR JOHN lächelnd zu Kaberdar. Einer meiner Söhne ist der glückliche, mir gleichviel welcher?

KABERDAR bedeutend. Mir nicht gleichviel.

GURLI. Nun, du antwortest mir nicht?

ROBERT. Zum Henker was soll ich antworten?

GURLI. Gefall ich dir nicht?

ROBERT. O ja.

GURLI. Nun du gefällst mir auch. Du bist so ein drolliger Mensch, ich seh dir gern in die Augen. Deine Augen sprechen so, daß man immer antworten möchte, wenn man gleich nicht weiß was. Nun!

ROBERT. Miß ich kenne Sie gar nicht. Ich sehe Sie heute zum ersten Mal in meinem Leben.

GURLI. Ja freilich, ich dich auch. Aber Gurli will dich gerne immer sehen.

LIDDY. Bruder, auf meine Gefahr.

ROBERT. Zum Henker! Das Mädchen ist allerliebst, aber ich kann sie doch nicht betrügen, Miß, ich bin ein armer Teufel, ich habe nichts als ein Schiff von zwölfhundert Tonnen, damit laufe ich morgen in die weite See, und gehe vielleicht übermorgen zu grunde.

GURLI. Du sollst nicht in die See laufen, du sollst bei Gurli bleiben.

ROBERT. Und mit Gurli hungern.

KABERDAR. Sir, diese Geschichte ist einzig in ihrer Art, und muß Sie sonderbar überraschen. Sie ist meine Tochter; ein gutes Mädchen, ein Kind der Natur, ihr Brautschatz zehntausend Pfund Sterling. Weiter hab ich nichts dabei zu sagen.

ROBERT. Sir, ich mache mir aus zehntausend Pfund Sterling so viel, als aus einer verfaulten Planke; und ich wollte mich auch nicht gern von meiner Frau totfüttern lassen.

GURLI. Narr, ich will dich füttern, aber nicht totfüttern. Heirate mich immer, es soll dich nicht gereuen. Sie streichelt[191] ihm die Wangen. Ich will dich so lieb haben, so lieb –

ROBERT lachend. Ein närrischer Handel! Nun in Gottes Namen! ich bins zufrieden.

GURLI freudig. Bist du? laß dich küssen!

SAMUEL. Robert ist das brüderlich gehandelt? mir mein Glück vor dem Munde wegzufangen?

ROBERT. Beim Teufel! nein! – Nein Miß, ich kann Sie nicht heiraten.

GURLI traurig. Nicht? Warum denn nicht?

ROBERT. Mein Bruder hat ältere Ansprüche auf Sie.

GURLI. Dein Bruder ist ein Narr!

SAMUEL. Sachte Miß! haben Sie mir nicht hundertmal versprochen, mich zu heiraten. Antwort?

GURLI. Ob gerade hundertmal, das weiß Gurli nicht; aber versprochen hab' ich es.

SAMUEL. Gut. Waren Sie nicht eben im Begriff den Kontrakt zu unterschreiben? – Antwort? –

GURLI. Freilich war ich, aber nun will ich nicht mehr.

SAMUEL. Bruder, du hast gehört, wie die Sachen standen.

ROBERT. Das hab ich. Nein Miß, daraus wird nichts.

GURLI. Aber ich will ihn nicht! ich will ihn nicht! ich will ihn nicht! Du närrischer Samuel, was willst du mit Gurli anfangen? Gurli will dich nicht haben!

ROBERT. Das gilt mir gleichviel Miß; Sie mögen tun, was Ihnen beliebt, aber ich bin sein Bruder, und ich darf Sie, hol mich der Teufel, nicht heiraten.

GURLI. Sag mir recht im Ernst: Gefall ich dir?

ROBERT. Bei meiner armen Seele! du gefällst mir.

GURLI. Nun, so mußt du mich heiraten! Liddy, sag ihm das.

LIDDY. Die Schwester kann nur raten, und bitten, nicht befehlen.

GURLI. Wer kann ihm dann befehlen? Zu Sir John. Du bist sein Vater, befiehl ihm!

SIR JOHN. Weiß Gurli nicht von ihrem eignen Vater, daß man in solchen Fällen den Kindern gern ihren Willen läßt.

GURLI. Nun so bitt ihn! wenn mein Vater mich bittet, so tu ich alles, was er haben will. Ja, ja, Vaterchen, bitt' ihn! bitt' ihn! Indem sie um ihn herumhüpft und ihm die Wangen streichelt, stößt sie ihm von ohngefähr an seinen podagrischen Fuß.[192]

SIR JOHN laut aufschreiend. O weh! o weh! mein Bein! mein Bein! daß dich das Donnerwetter! o weh! weh!

GURLI erschrocken und ängstlich. Sei nicht böse! Gurli hats nicht gern getan.

SIR JOHN. Liddy hilf mir fort! hilf mir aus dem Gedränge! Hier sind so viele Menschen um mich her, und es kömmt doch nichts zustande. Fort! fort!

KABERDAR zu Liddy. Erlauben Sie, daß ich Sie begleite.

LIDDY. Recht gern. Sie fahren beide den Alten hinein.


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 189-193.
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