106. Der Schatz in der Kapelle bei Blankensee.

[109] Auf dem Berge am Kressin-See lag ehemals eine Kapelle, die nun aber schon lange Jahre in Ruinen liegt; man sieht aber noch, daß es ein viereckiges Gebäude war und auf jeder Seite ein hohes gothisches Fenster hatte, die sämmtlich noch erhalten und in weiter Entfernung sichtbar sind. Namentlich gewähren diese Ruinen einen schönen Anblick, wenn man sie am fernen Horizont von der Spitze der Ravensberge aus im Strahle der Abendsonne erblickt.

Hier liegt nun ein großer Schatz begraben, und oft genug hat man die blauen Flämmchen, die ihn verrathen, brennen sehen. Mancher hat auch schon etwas davon erhalten, und so war namentlich einmal ein Mann aus Blankensee oben, der sah mitten in dem alten Gemäuer einen großen Haufen gekochter Krebse liegen. Weil ihm denn das doch ganz wunderbar war, steckte er einige zu sich, um sie seiner Frau mitzunehmen. Als[109] er nun nach Hause kommt, holt er sie aus der Tasche, um sie derselben zu zeigen, aber wie groß war seine Ueberraschung und seine Freude, als er auf einmal Goldstücke statt der Krebse in seiner Hand hatte.

Zuweilen wird auch die alte Zeit da oben wieder lebendig, und besonders konnte davon ein alter Schäfer erzählen. Der bemerkte nämlich eines Tages um Mittag, als er seine Schafe dort hütete, mitten in der Kapelle ein tiefes Loch und in demselben eine Thür, die offen stand, und diese hatte er doch, so oft er auch oben gewesen, sonst nie bemerkt. Er ging nun hinzu, blickte hinein und sah dort die alten Mönche an einem Tische sitzen, wo sie sich die Zeit mit Solospiel vertrieben.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 109-110.
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