76. Der spukende Mönch im Ringelthurm zu Lehnin.
Mündlich.
Riedel in den Märkschen Forschungen Bd. I. S. 191.

[77] An dem zerstörten Theil der Lehniner Klosterkirche befindet sich ein fast noch ganz erhaltener Thurm, zu dessen Spitze eine gewundene Treppe leitet, weshalb er der Ringelthurm heißt. Hier ist's nicht recht geheuer, denn man hört es oft hier Trepp auf, Trepp ab poltern und in der halb eingestürzten gothischen Halle, die darunterliegt, umhertoben. Wer dreist ist, kann auch eine mächtige Gestalt mit schwarzem Gesicht, krausem Haar und weißem, flatterndem Gewande sehen, aber er muß nicht zu nahe heran gehen, sonst verfolgt sie ihn so lange, bis sie ihn vom alten Kirchhofe vertrieben hat. Andere haben in dieser Gestalt einen Mönch erkannt, der in gefalteten Händen das Evangelienbuch hält und mit funkelnden Augen gen Himmel blickt, gleichsam als bete er zu Gott für die Ruhe der Grabstätten, die ehemals in diesem Theile der Kirche waren, aber vor mehreren Jahren zerstört wurden. Niemand kann den Greis ansehen, ohne von tiefer Rührung ergriffen zu werden.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 77-78.
Lizenz:
Kategorien: