93. Die Lüchtemännekens.
Mündlich.

[98] Die Lüchtemännekens (Leuchtmännlein) sind kleine Wesen, die ein Licht tragen und oft den Wanderer in später Nacht irren und vom Wege abführen, so daß er sich erst nach langer Zeit wieder zurecht finden kann; doch nicht immer spotten sie also der Menschen, sondern dienen ihnen auch, wenn man es nur versteht, sie zu lenken; man sagt aber, es seien die Seelen ungetaufter Kinder, die nun im Grabe keine Ruhe haben.

Dicht bei Stülpe und am Fuße des Golm sieht man sie oft, und ein alter Mann, der lange Jahre dort[98] in der Pechhütte wohnte, sah sie oft genug, wenn er Abends sich im Dorfe verweilt hatte, lustig vor sich her tanzen. War es nun recht finster oder hatte der Schnee im Winter den Weg verschüttet, so rief er wohl einem solchen Lüchtemänneken zu: »Komm und leuchte mir nach Hause!« Da war auch gleich eins da und führte ihm wohlbehalten bis zu seiner Wohnung, wo es verschwand. Dann legte er aber einen Dreier auf die Schwelle seines Hauses und konnte gewiß sein, daß der jedesmal am andern Morgen verschwunden war; dafür waren ihm aber auch die Lüchtemännekens bei nächster Gelegenheit wieder gefällig und dienstbar.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 98-99.
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