Knüppel aus dem Sack; Knüppel in den Sack.


Knüppel aus dem Sack; Knüppel in den Sack

[92] Der alte Velten lebte im Dorfe Krikskraks. Er war ein ehrlicher, tüchtiger Bauersmann geworden, nachdem er zuvor lange Zeit ein tüchtiger Soldat gewesen war, wie die Schmarren und Narben auf seinem Gesichte bewiesen. Seine Frau war ihm gestorben, aber seine drei Söhne lebten noch; das waren nämlich der Hans, der Töffel und der Martin oder Märten.

Der alte Vater Velten erzählte gar zu gern von seinen Zügen und Kriegen, von seinen Schlachten und Wachten, von seinem Hunger und Durst den er ausgestanden habe; wie hart es da und dort hergegangen sei, wie viele er kaput und mausetodt gemacht habe, und wie er selbst oft in Gefahr gekommen sei, kaput gemacht zu werden, wenn er sich nicht so tapfer hätte gehauen und gehalten. Er sagte umständlich an, wo er da und dort im Quartier gelegen, wie die Wirthsleute gewesen wären, und was er gegessen und gesprochen, und wie viele Länder und Städte, wie viel große Prinzen und Herren er gesehen hätte.

Da hörten denn die Verwandten und Nachbarn und Gevattersleute gar andächtig zu, wenn er dergleichen in den Abendstunden so recht lebendig auf dem Rasensitz vor seinem Hause erzählte, am andächtigsten aber hörten die drei Söhne zu, und die Lust zu reisen, und so viel herrliche und wundersame Dinge selbst zu schauen, kam ihnen an, und ward zur großen Sehnsucht, und ihr Dörfchen ward ihnen zu enge, und wollte ihnen gar nicht mehr gefallen, zumal da sie sich einbildeten,[93] sie müßten ein gar grausam großes Glück in der großen Welt machen.

Da trat denn der älteste, das war der Hans, vor dem Vater hin, und sprach: »Vater! ich will und muß in die Welt hinaus, von der du so viel uns erzählt hast, es will mich nun fürder nicht leiden! Gebt mir mein mütterliches Erbtheil! wenn ihr wollet so gut sein!«

»Hans, sprach der Vater, bleibe noch ein oder zwei Jahre, und ziehe dann in Gottesnamen hinaus in die Welt, wenn du dann noch wirst wollen; denn du bist fürwahr jetzt noch ein wenig dumm, und sie übertölpeln dich gewiß.« – So sprach der Vater.

Was aber auch der Vater Gutes und Verständiges sagte, so blieb der Hans was er hieß, nämlich – Hans, und meinte, ihn sollte niemand übertölpeln, dazu sei er viel zu pfiffig und schlau, und eben, wenn er auch noch ein wenig dumm sei, so wolle und müsse er ja nun ganz klug werden, durch die Reise – denn er dachte, wenn man auch ganz dumm sei, durch Reisen werde man ganz klug, und müsse zu Gold und Ehre kommen. So dachte unser Hans und es giebt der Hänse viel, die auch so denken.

»Nun! sprach der Vater, wenns denn nicht anders sein kann, und du auf deinem Kopfe bestehst, so gebe Gott nur, daß es gut abgeht. Laß dir denn die Nase ein wenig putzen! – Hier hast du dein Mütterliches!«

»Ih! ja doch! – Nase putzen!« dachte der Hans; da müßten sie es gewiß und wahr recht klug anfangen. – Er strich schmunzelnd sein Erbtheil ein, vielleicht wohl an 20 oder gar 21 Thaler, und sagte dem Vater ein freundliches: »Gott behüts!«

Und Hans ging desselbigen Tages, wo er hinein ging in die Welt, weit und immer weiter, und so weit, daß er gar in einen Wald kam und meinte, nun müsse er schon bald über die Welt hinaus sein, und nur der Wald hindere ihn noch daran, denn der Wald[94] sei doch ganz unendlich. – Das war er denn auch wirklich, indem er ja beinahe eine halbe Stunde lang und breit war.

Da kam im Wald zu ihm, ein klein, klein Männlein, mit großem, großem, langem, grauen Barte, und sprach zu ihm: »Guten Abend Hans; wo willst denn hin?«

»In die Welt hinaus, weit, weit hinaus; bin schon den ganzen Tag gegangen; hab mir mein Erbtheil geben lassen, und denke wenn ich noch zwei oder drei Tage so marschire, daß ich um die Welt rings herum sein muß.«

»Ei du scheinst mir ein tüchtiger Bursche, sagte das Männlein, und wirst dich schon durch die Welt durchschlagen, mein ich.«

»Ja ja, sagte dummklug lächelnd der Hans, das mein' ich denn eben wohl auch.«

»Nun, sprach das Männlein; Hans, auf der Reise muß man doch gut essen und trinken, sonst wird man leicht matt und hinfällig, und kann ja nicht weiter fortkommen; gib mir dein Erbtheil, so geb' ich dir ein Tischgen, das heißt, ›Tischen, Tischen deck' dich,‹ und wenn du das sagst, so deckt sichs von selbst, und stehn alle Speisen und Weine darauf, nach welchen dein Herz verlangt.«

So ein Tischchen gefiel dem Hans aus der Maßen wohl, und er ging den Tausch ein, denn so konnte er essen und trinken was ihm gefiel, zu aller Zeit und Stunde, und unser Hans hatte immer guten Appetit, und aß auch gern etwas Gutes, und sein Geschmack war fein, so fein, daß er geräucherten Schinken von Kartoffeln, und Bier von Kofent nicht gut unterscheiden konnte, wenn er auch beim Essen und Trinken die Augen zuthat.

Das Männlein führte den Hans ein Paar hundert Schritte in den Wald hinein. Da stand ein kleines Hüttchen, gebaut aus Moos und Baumrinden. Als Hans hinein trat, so wußt' er vor Staunen fürwahr kein Wörtchen zu sagen, denn das Abendlicht fiel in[95] viel hundert Farben, durch farbige Steine hinein, welche lauter kostbare Diamanten, Rubinen und Saphire waren, wie Jahr gewiß schon gemerkt habt. Der Boden war mit Sammtteppichen belegt, mit wundersamen Silberlilien und Goldrosen durchwirkt, und die Wände bestanden aus einem einzigen Spiegel, in welchem Alles so goldig und silberig und edelsteinig schimmerte und flimmerte, daß der Hans dachte, er sei selbst eine Gold- oder Silberstufe, oder ein großer Diamant, oder so etwas kostbares und herrliches geworden, als er sich in dem Spiegel besah. Die Decke des Hüttleins sah so hoch, so hoch aus, und war so blau wie der Himmel selbst, und schimmerten auch Sterne daran. Es stand aber weiter nichts darin, als ein Polster zum Sitzen, und ein alt Tischchen, das ganz unscheinbar war.

Da sprach das Altmännlein: »das ist das Tischlein deck' dich, nimms hinaus vor die Hütte und probir' es, und wenn der Tausch dich reut, so bring das Tischlein wieder herein, und ich geb' dir dein Erbtheil dann wieder.«

Hans probirte das Tischlein, und sagte: »Tischlein, Tischlein, deck' dich;« und schau, das Tischlein war gedeckt, und auf den vier Ecken desselben standen vier kristallene Flaschen, mit köstlichem goldenen Wein, und in der Mitte standen die herrlichsten Gerichte, und der Hans, der einen guten Magen und scharfe Zähne hatte, aß und trank tapfer, denn sein Lebtag hatt' er so etwas Gutes noch nicht gehabt, und er sagte: »Potz tausend!«

»So wahr ich lebe,« – sagte der Hans dann weiter, nachdem er erst ordentlich satt war, in sich selbst – »das Altmännlein ist doch ein Dummbärtchen. – So ein Tischchen gegen die Paar lumpigen Thaler Erbtheil? – Ei! ei! In zwei Wochen will ich mehr davon abessen, zumal wenn ich mir Gäste bitte!«[96]

Es kamen Handwerksbursche des Wegs gezogen, und ob es wohl im Walde war, so war's doch eine Landstraße. Das müßt Ihr Euch aber selbst zusammen reimen. Die Handwerksburschen ladete er alle ein, und sie mußten mit ihm essen und trinken, wie sie nach und nach ankamen. Da wurden sie alle satt, und fröhlich vom Wein, und zu spätem Abend nahm der Hans Abschied von dem Altmännlein, und sagte: »es bleibt bei unserm Tausch, – Ihr mein Erbtheil; – ich euer Tischlein;« und somit zog er wieder seines gekommenen Wegs zurück. Das Altmännlein rief ihm nach, »nimm dich in Acht Hans, und laß dich ums Tischlein nicht bringen!«

»Hat gute Wege,« sprach Hans zurück, und sagte nochmals: »Adä!«

Da kam er in ein Schenkhaus, wo man aber eben den Gästen nichts schenkte, und der Schenkwirth war höflich und manierlich, aber es kam dem Wirthe doch seltsam vor, daß der Dummhans, der gar nicht klug aussah, so ein veraltetes Tischlein auf dem Rücken mit sich daher trug. Indessen weil er ein Wirth war, so ließ er sich nichts merken, und blieb denn grundgrausamlich höflich, und sprach: »Ihr lieber ehrenwerther Herr, Ihr müßt heut' Abend bei uns mit recht schmalen Bissen fürlieb nehmen.«

»Hä! hä! hä! hä! Nä! nä! nä! nä! so soll's denn dasmal gar nicht werden, sagte der Hans, sondern Ihr sollt einmal mit mir fürlieb nehmen, – und nun werdet Ihr schon sehen!«

»Tischlein, Tischlein decke dich!« sagte der Hans, nachdem er das Tischlein in die Stube gestellt hatte, und flugs war ein gar fein Tischtuch auf dem Tische, und standen Wein und Braten, Fisch und Pasteten darauf, so viel nur Platz darauf war. Da lachte nun Hans recht aus Herzensgrunde und die Wirthsleute mußten mit ihm essen und trinken, aber der Bissen blieb ihnen anfangs im Munde stecken, vor Verwunderung und Erstaunen.[97]

Hans war den ganzen Tag marschirt, und hatte zu Abend zweimal tüchtig gegessen, mit den Handwerkspurschen und mit den Wirthsleuten, so mithin war er denn von Herzen müde, und wie er denn tüchtig essen konnte, so konnte er auch tüchtig schlafen. Darauf verstand er sich auch!

Dem Wirth ging das Tischchen sehr im Kopfe herum. Er hatte zwar ein ganz ähnliches, aber zu dem hätte er tausendmal sagen mögen: »deck' dich!« es hätte sich doch nicht gedeckt.

»Ach Frau! sagte er, so ein Tischchen sollten wir haben. Solche herrliche Gerichte können wir nicht bereiten, und solchen Wein! solchen Wein! hab ich in meinem Leben nicht getrunken, selbst in den Rheinlanden nicht!«

»Und Mann, fiel die Frau ein, das Feuer auf dem Heerde, das Anrichten und Zubereiten der Speisen, und die Küchenmagd könnten wir ersparen, und wenn Gäste kämen, wäre Alles gleich fertig, aufs herrlichste und beste, ohne Mühe, und wir könnten es viel wohlfeiler geben, und da würden wir recht viel Zuspruch bekommen, und würden in kurzer Zeit die allerreichsten Leute.«

»Ja freilich! sagte der Wirth seufzend; aber was hilfts, wir haben nun einmal kein solches Tischchen!«

»Bist du ein Mann, wie ein Hund für 'n Dreier! erwiederte die Frau hitzig; Du bist ja so dumm wie der Dummhans, der von seinem Tischlein kein Wörtchen würde haben gesagt, hätte er nur für zwei Heller Menschenverstand. Geh, nimm ihm das Tischchen weg, und stell deins dafür hin; der Bengel merkt es gewiß nicht!«

Der Wirth schüttelte den Kopf, und sprach: Unrecht Gut gedeiht nicht gut, und kommt nicht an den dritten Erben. Aber die Wirthin setzte ihm mit liebreichen Worten recht zärtlich zu, so daß er nachgab; denn sie sagte:

»Du bist ja viermal so dumm wie der dümmste Ochse! das Glück kommt dir in die Hand, aber du greifst nicht zu; und wenn[98] dir einmal eine Bratwurst vors Maul kommt geflogen, sperrst du gewiß das Maul auf, aber beißest nicht hinein. – Was ists denn mehr? Heute oder morgen bringt den dummen Hans doch Jemand, der kein solcher Pinsel und Schöpshammel ist als du, um das Tischlein! – Warum ist er denn ein so miserabler Peter?«

Solchen beweglichen Worten und Redensarten konnte er Mann nicht widerstehen, zumal da er zu dem Tischlein ein gar großes Gelust hatte, und dachte, »die Frau hat doch wohl nicht unrecht!« – So ging er denn vor Hansens Schlafkammer, und horchte ob der Hans schliefe, und dieser schnarchte daß die Fensterscheiben klirrten, und die beiden Tischchen waren leicht vertauscht.

In einem Rennen rannte der Hans nach dem Aufstehen am andern Morgen nach Hause, und kam an, sein Tischlein auf dem Rücken.

»Was? sagte der Vater; bist du es denn Hans? oder bist du es nicht? du kommst schon am zweiten Tage wieder? bist du denn in der Welt gewesen? – und hast du denn schon dein Glück gefunden?«

»Ja Herzvater, das bin ich selbst, gewiß und fürwahr, da belüg ich Euch nicht, und bin weit hin gewesen, bis zu einem großen Wald, wo lauter Bäume drinn standen, und das Glück habe ich auch wahrhaftig gefunden; das ist nämlich dieses kleine Tischlein, dafür ich mein Erbtheil hingegeben habe, an ein klein Männlein mit langem Barte, das mirs abließ.«

»Dummhut!« sagte der Vater!

»Nä! Vater! – – Klughut!« sagte der Hans. »Seht mich nur nicht so grießgramig an! Ihr sollt schon sehen, was mein Tischlein kann, und sollt Euch Alle verwundern. Ich will Euch Alle heut Abend traktiren, mit Wein und Braten und andern Gerichten, wie Ihr noch niemals gerochen habt, selbst der reiche Herr Pathe, der Oberförster, nicht, und sollt Ihr dazu nicht erst lassen kochen! Laßt[99] nur alle Gevattern und Vettern und Muhmen und Nachbarn zu Abend kommen. Ihr sollt schon sehen, was mein klein Tischchen macht!«

So sagte der Hans, und schmunzelte dazu mit kleinen Augen, und dachte sein Glück sei seine Klugheit – aber das denken ja Viele, die eben nicht allemal Hans heißen, obgleich sie es sind!

»Mit dem Jungen mags doch was Bedenkliches und Absonderliches haben:« meinte der Vater, und meinte auch, daß die dümmsten Hänse ja sehr oft das meiste Glück hätten, und so ladete er denn die Verwandtschaft und Bekanntschaft ein, und der Hans that indessen daheim wie ein vornehmer Herr, und sprach zu sich selbst: »Die sollen einmal recht Nasen und Mäuler aufsperren, und sehen, was ich geworden bin!« – Und das geschah denn auch.

Denn, – als nun Alle beisammen waren, und der Hans den Tisch hatte hingesetzt, sprach der Hans: »Stellt Euch Alle da herum, um mein klein Tischlein, und paßt mir recht auf!« und dann sprach er:

»Tischchen, Tischchen decke dich!« damit sie alle sehen sollten, welch ein Wundermann er wäre. – Aber das Tischchen wollt sich nicht decken.

Da kam der Hans in große Angst und Noth, und schrie wohl hundert Mal »Tischchen decke dich! – Liebes Tischchen decke dich; ich bitte dich gar schön! – Bestie decke dich, brüllte er zuletzt in Unmuth, und schlug mit geballter Faust eine Ecke von dem morschen Tischchen ab, aber decken wollt es sich doch nicht, sondern blieb gar eigensinnig wie es war, nämlich gar kahl und leer, obwohl es so tüchtig gestraft war, daß es nur drei Ecken jetzt hatte.«

Der arme Hans fing erbärmlich an zu heulen und zu weinen. Der Vater Velten aber fing an gewaltig zu donnern und zu blitzen, und das Gewitter schlug ein, denn er schlug mit geballter Faust den Hans, den armen betrogenen, betrübten Hans ein paar Mal mit[100] ganzer Macht und Kraft hinter die Ohren. Und wie es nun bei Gewittern geht, nämlich daß man gern in seinem Hause daheim ist, so gings auch hier; – Verwandte, Bekannte, Gevattern und Nachbarn zogen still und spöttisch ab, und da ihnen nicht mit gutem Essen und Trinken das Maul hatte können gestopft werden, so thaten sie es weit auf, erzählten Alles, und lachten, höhnten und spotteten über den dummen Hans, der toll und dumm geworden sei, und über seinen Vater dazu; – und Hans hieß von nun an im Dorfe und in der Nachbarschaft nur der Dummhans, an welchem Namen ihn Jedermann erkannte.

Hans war aber doch klug, und packt am andern Tage das Tischlein auf den Rücken, geht in den Wald, und will dem grauen Männlein sagen, es reue ihn der Kauf, indem das Tischlein seine Kraft und Tugend verloren habe, und er brächte ihm dasselbe nebst der abgeschlagenen Ecke wieder, und wolle aber auch sein Erbtheil wieder haben.

Ih ja! – Alles gut, aber nur war das Männlein nicht da, das Hüttlein war auch nicht da, und wen er fragte, der sagte, solch ein klein Männchen und Hüttchen wäre dahier niemals gewesen – sie hielten Alle ihn mit seinem Tischchen auf dem Rücken für ein wenig verrückt, und sprachen so unter sich, das muß doch ein ausgemachter Dummhans sein!«

Da hatten sie es freilich getroffen, ohne daß sie es selbst ganz recht wußten!

Der arme Hans ging traurig nach Hause, und hatte doch Einen klugen Gedanken, und sprach zum Vater:

»Vater, in der Welt komme ich wohl nicht fort, das merk' ich schon; aber ich will Euer Knecht sein, und ums Lohn dienen. Nehmt mich an!«[101]

»Es sei also, sprach der Vater. Es muß nicht Alles und Jedes in der Welt fortkommen. Komm du nur im Dorfe fort, und diene ums Lohn!«

So nahm er ihn zu seinem Knecht an, um bedingtes Jahrlohn.

Der Töffel, Veltens zweiter Sohn, dachte: Der Dummhans ist wohl wirklich ein bischen zu dumm, obwohl er doch der älteste von uns ist. Aber ich will auch in die Welt, und will es schon klüger anfangen, mein Glück zu finden.

Da trat er vor den Vater hin, zwang und bettelte ihm das bischen Muttertheil ab, und es ging Alles wie vorher. Der Vater warnte, der Sohn bestand auf seinem Kopf, und zog hinaus in die weite und große Welt, und kam zu Abend in den Wald, und das Altmännlein stand wieder da, und sprach: »Guten Abend Töffelchen! Ich weiß schon, was du im Sinne hast, denn ich weiß Alles schon von dem Hans. Willst du mir aber dein Erbtheil geben, so geb ich dir dafür den ›Esel schlag aus,‹ welcher mein Goldesel ist, und wenn der Esel ausschlägt, so fahren lauter Goldstücke aus seinem Hufe, – so viel, daß du auf einmal zehnmal so viel hast, als dein Erbtheil beträgt.«

Ja! unser Töffel war sehr klug! – »So wie der Hans laß ich mich nicht hinters Licht führen, dachte er.«

»Ja! sagte er zum Altmännchen; den Tausch will ich wohl ein, gehen; aber ist denn auch Alles wahr?«

»Nun da komm und siehe es selbst, und versuche es,« sagte das kleine alte Männchen, und führte den Töffel ein Paar hundert Schritte weit in den Wald hinein; wo ein kleiner mit Stroh gedeckter Stall war, und in dem Stall war das Goldeselein, und es sah in demselben viel prächtiger aus, als in dem prächtigsten Prachtzimmer. Der Esel hatte freilich nur Disteln und Kleie und geschroteten Hafer in seiner Krippe, und Heu in der Raufe, aber die[102] Krippe war von lauterm Gold, und Edelgestein blitzte daran, und die Raufe war von Silber und hellschimmernde Edelgesteine waren auch daran, und das Goldeselein lag auf weichen, weichen Bettchen wohl ausgestrecket.

»Nun probir es;« sagte das Männlein, und sprich den Spruch: »Eselein schlag aus.« – Töffel sagte: »Eselein schlag aus!« Und so geschahe es. Das Eselein erhob sich alsbald von seinem weichen Bettchen und schlug mehrmals aus, und die Goldstücken flogen und stoben umher, und weil der Töffel sehr klug war, und sich nicht wollte anführen lassen, so wiederholte er die Probe einigemal, und allezeit traf es richtig zu.

Nun das war denn gut Tauschen! Töffel gab sein Erbtheil und nahm den Esel, mit den von ihm aufgelesenen Goldstücken, und machte links um, nach Hause zurück.

Des Abends aber mußte er in demselben Wirthshause bleiben, wo der Bruder Hans geblieben war, und machte seine Sachen überaus witzig und sagte dem Wirthe: »Nehmt mir mein Goldeselein recht wohl in Acht, und gebt ihm ein sanft weiches Bettlein, wofür ich Euch morgen recht wohl will zu Dank sein. Nur nehmet Euch gar sehr in Acht, daß Ihr nicht etwa sprecht: ›Eselein schlag aus,‹ sonst gehts Euch nicht gut. Das will ich Euch nur gesagt haben!« – Nun dacht' er, er wäre recht sicher! und sie müßten gewaltig sich fürchten.

Solche Reden fielen aber dem Wirth gar sehr auf, und er machte ein sinniges Gesicht, und erzählte der Frau alles, was der Töffel gesagt hätte, und was er für Bedenklichkeiten habe, und daß der Esel vielleicht ein gefährlich grausames Thier sein möge.

»Mann! sagte die Frau, mit dem Esel ist es gewiß wie mit dem Tischchen, denk ich. Laß uns probiren. Es mag seine eigne Bewandniß damit haben. – Sieh Mann! wenn du nun des Nachts hintrittst an die verwahrte Stallthür, und sprichst durchs Astloch[103] oder die Spalte: ›Esel schlag aus!‹ so kann er doch dich nicht treffen! – Das wirst du doch wohl verstehen, du Esel?«

Der Mann, der doch Kopf hatte, und wo er ihm fehlte, denselben von der Frau theils geliehen, theils aber auch zurecht gesetzt bekam, verstand es ganz und gar, und da er schon einmal ein Spitzbube gewesen, wurde es ihm schon leichter, es zum zweiten Mal zu werden, denn das Böse führt zum Bösen, und bringt den Menschen dahin, daß er denkt, das Böseste sei das Beste.

Der Wirth ging zur Stallthüre des Goldeseleins. Die Gier nach Gold war einmal wach und lebendig geworden, denn sonst hätt' er ja mit dem Tischlein des Goldes und Gutes wohl übergenug mögen haben.

Beim hellleuchtenden Monde sahe er, wie ruhig und sanft das fromme Eselein auf seinem Bettlein lag und schlief, und daß das Eselein doch kein grimmiger brüllender und reißender Löwe sei, der die Leute verschlinge, sondern nur ein Esel, von ganz gewöhnlicher Mülleresel Art und Weise.

»Will 's doch einmal wagen, dachte der Wirth, weil es doch nur ein Esel und weil die Thür des Stalls doch fest verschlossen ist, und der Esel nicht sogleich heraus, und dich fressen kann: – wills wagen!«

Der Wirth wagt es, und ruft vor der Thür: »Goldeselein schlag aus!« – Und das Eselein schlug aus, nachdem es von seinem weichen Bettlein aufgestanden war, und als es ausgeschlagen hatte, so rauschelten die Goldstückchen aus den Hufen, und das Eselein legte sich wieder nieder. Das sahe der Wirth beim Mondenschein, denn der Stall war hell und licht genug durch seine Spalten und Ritzen, wie wenn ein Paar Fenster wären drinnen gewesen.

Da der Wirth das Goldeselein sogar friedlich und sanftmüthig sahe, da bekommt er einen gewaltigen Muth, und ein wahres Heldenherz, und macht sich in den Stall hinein, und liest die Goldstücke[104] auf; ja er unterfing sich sogar, das Eseleinchen noch ein paar Mal die Probe machen zu lassen, die denn auch recht gut ablief.

»Nun da siehst ja doch, Mann! was großes Unglück der Esel gebracht hat, wenn man zu ihm spricht, schlag aus; sprach zu ihm die Frau, der er die glänzenden Goldstücken zubrachte. Das Tischchen und das Eselchen gehören doch offenbar zusammen. Gehe gleich, und kauf ein anderes Eselchen in der Mühle im Thale, das dem Goldesel ähnlich sieht, denn da haben sie ihrer von allen Sorten.«

Der Wirth ging in der Mitternacht zum Müller hinab, und kaufte ein ganz ähnliches kleines Grauschimmelchen um wenige Thaler, und zog es in den Stall, und den Goldesel zog er in die Scheune, und verbansete ihn mit Stroh, daß ihn keiner finden konnte.

»Hei! hei! juchhei!« rief der Wirth zu seiner Frau. »Nun ist Alles gemacht! Nun will ich ein neues Wirthshaus bauen; ich will mir ein großes Rittergut, oder gar eine Grafschaft kaufen, oder noch mehr, und will ein reicher vornehmer Mann werden – recht reich und vornehm, wie die vornehmsten Leute! Hei, hei! hei! schrie er fast überlaut, und warf dabei seine Mütze hoch in die Höhe!«

»Nun! da seh ich doch, daß du ordentlich nun anfängst verständig zu werden! sprach die Frau; du lieber Michel,« und streichelte ihn dazu.

»Ih ja wohl! du herzliebe Grete, nun hats keine Noth, denn der Verstand kommt immer mit dem Gelde, und ich will es nun wohl dem Klügsten gleich thun; das kannst du mir gar sicherlich glauben.« Und weil sie nun eben sehr gutwillig jetzt war, so glaubte sie's ihm auch und sprach: »am Kopfe hat dirs ohnedieß ja niemals gefehlt, du hübscher herzlieber Michel!«

Der Töffel zog mit frühem Morgen von dannen nach Hause, zum Vater hin, und zu Hansen hin, und meinte der Hans sollte sich recht schämen. Und so kam er denn nach Hause, und die liebwerthe[105] Vetterschaft, Verwandtschaft, Nachbarschaft und Gevatterschaft mußte wieder zusammen gerufen werden zu Abend, obwohl der Vater großes Bedenken hatte, und kopfschüttelnd meinte, Ein Esel brächte den andern gebracht!

»Nun! gebt einmal recht Acht, und schaut gar wohl auf, sagte der Töffel sehr schlau. Ihr sollt nun einmal sehen, wie klug ich gewesen bin, und sollt sehen Euer blaues Wunder! Wenn ich spreche: ›Esel schlag aus!‹ da schlägt er hinten und vorn, mit allen Vieren auf einmal aus, und aus seinen Hufen fliegen lauter Goldstücken hervor, und Ihr sollt Euch auflesen, so viel Ihr wollt und mögt, denn ich will Euch allesammt glücklich machen!«

»Das wäre ja recht wunderherrlich und gut! dachten die Zusammengerufenen; nur gebe Gott, daß es nicht geht wie bei dem Hans.«

Aber gerade so gings auch. Der Esel sollte ausschlagen, und die Goldstücken sollten herum fliegen, aber der Esel rührte und regte sich nicht, so viel der Töffel auch rief, und die Nachbarn und Verwandten lachten schon heimlich, und sahen sich einander recht schlau und bedenklich an.

Da nahm der Töffel die Faust, die störrige Bestie zur Ordnung zu bringen, und puffte den Esel aufs Kreuz und auf den Kopf, und sprach: »Esel schlag aus!« – – Und der Esel schlug nun auch wirklich ein paar Mal gar tüchtig aus; indem er sein: yah, yah! schrie, und traf dabei den Töffel so kräftig an Kopf und Brust, daß dieser umfiel. Aber die Goldstückchen fielen nicht heraus.

Die Freunde und Bekannten schlichen sich davon, mit spöttischem Schmunzeln, und erzählten aller Welt vom dummen Töffel, den der Goldesel braun und blau geschlagen hätte. Dem Töffel schrieen jetzt die Kinder im Dorfe überall nach: »Töffel Yah! ha ha! Goldesel Yah! Schlag aus, Esel schlag aus – Esel! Esel!«[106]

Es half nichts daß Töffel hinging, das Männlein zu suchen, denn er fand es ja nicht, kehrte gar tief und betrübt zurück, und diente von nun an dem Vater auch als Knecht, und wenn man vom dummen Töffel sprach, so wußte das kleinste Kind, wer gemeint war.

Nun wollte der jüngste Bruder, der Märten in die Welt hinaus. Er war immer der nachdenklichste, aber auch der stillste und folgsamste gewesen, aber dasmal schlugen doch des Vaters Ermahnungen und Bitten nicht bei ihm an. »Laßt mich auch ziehen, Liebvater sprach er; vielleicht gehts besser mit mir, und wenn es auch nicht so ginge, so dien' ich Euch dann, wie meine Brüder als Knecht, und wir sind dann wieder einander ganz gleich.«

»So zieh denn hin mit Gott! sprach der Vater, und sieh dich vor,« und gab ihm sein Erbtheil. Die Leute im Dorfe hielten sich freilich sehr über den dummen alten Vater auf, und meinten, er müsse närrisch im Kopfe sein, aber der Vater ließ den Sohn ziehen.

Da kam der Märten denn in den Wald zum Altmännlein wie die beiden andern Brüder, und das Männlein sprach zu ihm: »Märten ich weiß, du bist ein ehrlicher Bursche, und still und fromm. Ich will dir eine Gabe geben, – die letzte die ich noch geben kann, wenn du mir dein Erbtheil gibst! Hier ist ein Sack mit einem tüchtigen Knüttel drinn, und wenn du den in die Tasche steckst, und sprichst: ›Knüttel aus dem Sack,‹ so prügelt er Alles blitzheidelbeeren blau, bis du sprichst: ›Knüttel in den Sack,‹ dann ist der Knüttel wieder in seinem Sack und in deiner Tasche, und er thut Niemand mehr etwas, und Alles ist gut – freilich aber, du wirst mir es nicht glauben. Ich bin dasselbe Männlein, welches dem Hans und dem Töffel das Tischchen deck' dich und das Goldeselein gegeben hat, um welche sie der listige Wirth im Wirthshause dort an der Waldhöhe gebracht hat. Aber freilich, du wirst mirs nicht glauben!«[107]

»Mein Väterlein! Ihr seht mir doch gar zu grundehrlich aus, sprach der Märten, ich glaube Euch gern; hier ist mein Erbtheil, und gebt mir nur dagegen den Knüttel aus und in den Sack.«

So war denn der Tausch gemacht, und das Männlein ermahnte noch den Märten, sich ja in Acht zu nehmen vor dem trügerischen Wirthe.

Märten kehrte zu Abend bei dem Wirthe ein, und forderte etwas Brod und Bier, für die Paar Dreier, die nicht zu seinem Erbtheil gehörten, sondern die er sich beim Vater verdient hatte. Das Erbtheil hatte er ehrlich dem Männlein gegeben, und gedacht, wenn der auch nicht ehrlich sein sollte, willst du es doch sein, denn er hatte immer gehört: »Ehrlich währt am längsten,« und glaubte es auch!

Als er nun mit seinem Sack und Knüttel zu Bett ging in seine Schlafkammer, sagte er:

»Lieben Leutchen, daß nur keiner in meine Kammer kommt, und etwa spricht: ›Knüttel aus dem Sack,‹ sonst könnt es ihm übel ergehen. – Ich will Euch gar recht sehr gewarnt haben.«

»Mann, sagte die Frau, hast du was gemerkt? Das hat gewiß wieder etwas zu bedeuten, und giebts wohl wieder da etwas zu fischen; und aller guten Dinge sind ja drei.«

»I ja freilich Frau, sprach der Wirth, wenn man nur wüßte obs gut abliefe, und der Knüttel nicht einen durchbläute, daß man lendenlahm würde. Die Sache ist mir doch bedenklich und verdächtig.«

»Michel, du bist ein Rindvieh, und bleibst ein Rindvieh bis an dein seliges Ende, sprach die Frau zum Mann, in ihrer gütigen und manierlichen Manier. Wer weiß, ob uns nicht der Knüttel mehr Glück und Gut bringt, als das Tischlein und der Goldesel, und[108] man vielleicht davon recht jung und gesund, und wohl gar obendrein schön wird.«

»Ja Frau, sprach der Mann, da kannst du, weiß Gott, doch Recht haben, und da wollen wir beide hinauf gehen, wenn er im festen Schlaf ist, und die Sache versuchen.«

So gingen sie denn mitsammen hinauf. Und der Wirth sprach: »Knüttel aus dem Sack.« Da fuhr der Knüttel hinaus, und zerbläute dem Wirth und der Wirthin die Achseln, die Schultern, den Rückgrat, die Lenden, die Waden, und Summa Summarum Alles was an ihrem Körper war, vom Kopf bis zu den Fußzehen, und das Prügelbrod fiel hageldicht und blitzschnell, und der Märten, der eigentlich mit Vorsatz noch gar nicht geschlafen hatte, hatte seine wahre Herzenslust und Freude daran, und rief noch einmal: »Knüttel aus dem Sack,« und der Knüttel verdoppelte seinen Eifer und seine Schläge, und der Märten lachte wie ein Kobold, denn wo die Wirthsleute hinliefen, in die Kammern oder Stuben, da prügelte der Knüttel drauf los, und half nichts, daß sie ihm die Thür vor der Nase zuschlugen, und zuletzt selbst in den Keller krochen und flüchteten, denn der Knüttel hörte zu knütteln nicht auf, und der Märten, der auch immer hinter drein war, hörte zu lachen nicht auf. Da baten sie ihn hoch, himmelhoch: »Herr, lieber Herr, laßt doch den verdammten Knüttel ruhn, und erbarmt Euch unser, wir werden ja sonst noch zu Mus und Brei geschlagen.« Da erbarmte er sich denn, und der Knüttel fuhr wieder in seinen Sack.

»Nun ihr Spitzbuben, sagte er, nun gebt mir das Tischchen deck dich, und das Goldeselchen Schlagaus morgen heraus, oder ihr sollt sehen!« – –

»Ja, ja, ja, o Gott ja! lieber gnädiger barmherziger Herr, riefen sie heulend, das sollt Ihr morgen Alles haben.«[109]

Als aber der Morgen kam, suchten sie Ausflüchte und sagten, »daß sie gestern Alles nur in der Angst zugesagt hätten, und hätten gar nicht gewußt, was sie hätten vor Angst und Schmerz gesprochen, denn sie hätten gar kein Tischchen deck dich, und kein Goldeselein Schlagaus.«

Märten nahm sich die Mühe nicht viel Umstände zu machen, und liebte das Hin- und Herreden überhaupt gar nicht. »Knüttel aus dem« –

»Herr, lieber Herr, um Gotteswillen, schrieen die Wirthsleute, wir haben noch genug von dieser Nacht her, hier habt Ihr das Tischchen deck dich, und das Goldeselein dazu.«

Märten erprobte erst, ob Alles seine Richtigkeit hätte. Das Tischchen deckte sich, und er hielt ein gutes Frühstück, und Wirth und Wirthin mußten mit essen, wiewohl ihnen aller Appetit vergangen war, und Goldeselein schlug aus, und die Goldstücke sprühten umher wie Feuerfunken.

Behaltet das Gold, sagte der Märten, fürs Nachtlager, packte das Tischlein dem Eselein auf den Rücken mit großer Sorgfalt, hatte den tapfern Knüttel in der Tasche, und kam mit allen drei Zauberstücken gegen Abend im Dorfe an.

»So wahr ich lebe, sagte der Vater, da ist der Märten auch wieder am zweiten Tage schon da, wie die andern, und wird wohl eben so nach Hause geschickt sein, wie Hans und Töffel, und im Dorfe werden sie uns alle für närrisch halten.«

Alt und Jung im Dorfe waren auch bereits zusammen gelaufen, und lachten und juchheiten, und dachten, nun gäbs wieder einen rechten Haupt- und Generalspaß, und einige von den lieben Vettern, Gevattern, Muhmen und Basen waren mit in die Stube gedrungen, und wollten schauen und hören. Sie dachten: der Eine ist[110] mit dem Tisch, der Andere mit dem Esel gekommen, und der Dritte kommt nun mit Tisch und Esel zugleich. Da giebt es doppelt zu lachen!

»Kommt Herzvater, sagte der Märten, und kommt, lieben Brüder Hans und Töffel;« und setzte sein Tischgen mitten in die Stube, und sprach dem Tischchen heimlich zu: »Tischchen deck dich.« – Da stand das Tischchen voll der herrlichsten Gerichte, und an jeder Ecke eine Flasche mit köstlichem Wein. Märten aber ladet die lieben Bekannten und Verwandten gar nicht ein, mit zu essen. – Dann flüsterte er dem Esel, den er mit in die Stube genommen hatte, heimlich ins Ohr: – »Goldeselchen schlag aus« – Goldeselein schlug hinten und schlug vorn aus, und die Goldstücke stoben und flogen umher.

Les't sie nur auf, sagte der Märten zu den Leutchen in der Stube, die Lachens wegen gekommen waren, und sie ließen sich das nicht zweimal sagen, wußten nicht wie Alles zuging, und waren ganz ernsthaftiglich geworden, obwohl sie sich beim Ripsen und Rapsen nach den Goldstücken überschlugen, und einer den andern überpurzelte.

Es waren so viel in Haus und Stube gedrungen, daß Niemand mehr hinein ging.

»Nun,« sagte Märten, »muß ich Euch doch auch eine Ehre anthun, und eine kleine Belohnung dafür geben, daß Ihr über den Vater und über die Brüder so gelacht und gespottet habt, und sprach: ›Knüttel aus dem Sack.‹« Da tanzte der Knüttel auf den Buckeln lustig und ordentlich vergnüglich herum, und verfolgte die Davonlaufenden durchs ganze Dorf. Der eine bekam einen Klaps von der Seite, der andere einen tüchtigen Puff auf den Rücken, der dritte einen Schmiß auf die Nase, und alle wurden bezahlt.[111]

Somit bekamen sie denn einen gewalttigen Respekt vor dem Märten, zumal da er ihnen gutmüthig oft sein Tischchen decken ließ; – vor dem Goldesel noch mehr Respekt, wie sich von selbst versteht, denn wenn ein Esel Gold hat, so kann er ein Doppelesel sein, und ist doch ein respektables Thier, und wird wohl gar für ein Menschenkind gehalten; – aber vor dem Knittel hatten sie den allermeisten und allertiefsten Respekt, denn das wißt ihr doch, daß der Knüttel die ganze Welt regiert und kommandirt.


Aus wars.

Quelle:
Johann Andreas Christian Löhr: Das Buch der Maehrchen für Kindheit und Jugend, nebst etzlichen Schnaken und Schnurren, anmuthig und lehrhaftig [1–]2. Band 1, Leipzig [ca. 1819/20], S. 92-112.
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