Vierte Szene.


[76] Malström. – Brahe. – Die Vorigen.


MALSTRÖM zu Brahe. Kann man das Land nicht rein halten vor zudringlichen Abenteurern, so kann man doch sein Haus davor bewahren. – Vergib, Sylva, daß dein Vater dich in fremder Gesellschaft allein gelassen, ich war schuld daran.

MONALDESCHI. Guten Tag, Graf Malström.

BRAHE. Aber, Ludolf!

MALSTRÖM. Ich kann nicht lügen und jemand einen guten Tag wünschen, der meinen guten Tag verdirbt.

MONALDESCHI. Man nennt das ehrlich, aber grob.

MALSTRÖM. Was grob ist, hält gut.

MONALDESCHI. Ein tüchtig Bauernsprichwort, das für Euch passen mag – was habt Ihr denn, daß Ihr mich anfallt wie ein Kettenhund? Ist man in Eurem Hause, Graf Brahe, auch für ein Geschäft der Königin nicht vor Beleidigung sicher?[76]

BRAHE. Ihr habt ja gesehn, Herr, wie ich mich bemüht habe, es abzuwenden –

MALSTRÖM. Es gibt aber Leute, denen es nicht genügt, wenn man ihnen Widerwillen und Nichtachtung andeutet.

BRAHE. Ludolf!

MONALDESCHI. Das seh' ich – und wenn Ihr auch mich zu solchen Leuten zählt, so macht reinen Tisch und sagt offen heraus, daß Euch der Fremde zuwider ist, der's in wenig Tagen weiter bringt, als ihr Euer Lebelang, dann seid Ihr wenigstens grob und offen zugleich!

MALSTRÖM. Ihr überhebt mich der Offenheit und seid klug genug, einzusehn, daß wir nicht wie Weiber die Zudringlichkeit liebenswert finden.

MONALDESCHI. Das ist die wahre Höhe! Wäre ich ein bettelnder Lump geblieben, dann zeigtet Ihr mir Eure Verachtung, daß ich nichts vermöchte, und weil ich's zu was gebracht habe, so stachelt Euch Zorn und Brotneid zu roher Beleidigung – wie klein!

MALSTRÖM. Der fremde Glücksritter will wohl noch bewundert werden, wenn er sich eingedrängt hat?

MONALDESCHI. Fremd oder nicht fremd! Das ist Euer Patenwort! Wer nichts erwerben kann, der hängt sich mit aller Schwere an die Vetter- und Landsmannschaft, weil er fühlt und weiß, daß er ohne sie nichts wäre. Bin ich durch ein Verbrechen in Eurem Lande hoch gestellt, oder durch mein Verdienst? Übertrefft mich, und Ihr werdet mich würdig besiegt haben – ich habe keinen Schutz als meinen Kopf, mein Herz und meinen Degen. Ihr habt das ganze Land für Euch, habt Eure Erbschaften und Vetterschaften für und hinter Euch, es steht Euch wohl an, gegen den einzelnen Gast nichts aufzubringen als brutale Beleidigung!

MALSTRÖM. Ihr seht auch aus wie ein Gast, der bloßes Gastrecht in Anspruch nehmen und wieder gehen will! Ihr seid ein Gast wie der Spatz, der im Nest der Schwalbe einkehrt, um sich einzunisten.

MONALDESCHI. Wer hat's den Spatz gelehrt? Wer hat ihm die Macht gegeben?

MALSTRÖM. Dafür sind wir Menschen, sind eine Nation, tragen alle Nachteile einer nationalen Gemeinschaft, um das bloß tierische Recht abzuwehren, um gegen den Eindringling in Vorteil und Macht zu sein! Wer sich nicht unterbringt, wo ihn Geburt und Erziehung[77] hingestellt, der wird ein Abenteurer und Landstreicher, den schließt die Gesellschaft aus von ihrer Achtung.

MONALDESCHI. Meine Vorfahren, die römischen Feldherrn, strichen auch durch die Länder, und erzwangen sich mehr als Achtung, sie erzwangen sich Gehorsam.

MALSTRÖM. Tut's eine Nation, so ist's Eroberung, tut's ein einzelner, so ist's Glücksritterei, die man über kurz oder lang züchtigt.

MONALDESCHI. Und Ihr möchtet gern ein solcher Schulmeister sein, da Ihr kein Glücksritter sein könnt?

MALSTRÖM. Die Rute dieses Schulmeisters schlägt nur einmal und dann für immer.

MONALDESCHI. Oder wird zerbrochen für immer.

MALSTRÖM. Je nachdem der Glücksritter Glück hat.

MONALDESCHI. Um ein Glücksritter zu sein, muß man ein Ritter sein können, Eure Ritterlichkeit geht alter Weiber Wege!

MALSTRÖM. Stellt Euch nur, sie wird Euch andre Wege weisen!

MONALDESCHI. Fordert nur, statt zu schmähn.

MALSTRÖM. Da sind wir, wo wir anfangen müssen, um zu endigen, und Ihr sollt's noch heut erfahren.

SYLVA zu Malström eilend. Nicht so, Ludolf, ich bitte dich!

MONALDESCHI. Vergebt, mein Fräulein, daß Ihr um meinetwillen solche Zwiesprache hören mußtet –

MALSTRÖM. Ihr sollt Eure Worte nicht an diese Dame richten, Euer Anblick schon ist eine Beleidigung für sie –

SYLVA. Aber, Ludolf, das ist nicht wahr!

BRAHE. Vergebt, Herr –

MONALDESCHI verbeugt sich gegen Sylva und Brahe. Vergeßt nicht, Graf, was mich hergeführt! Geht ab.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 76-78.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Monaldeschi
Monaldeschi: Tragödie in Fünf Acten Und Einem Vorspiele (German Edition)