Zweite Szene.


[50] Monaldeschi. – Sylva.


MONALDESCHI nach dem See hinab sprechend. Wartet auf mich! Vorkommend. 's ist eine Nacht wie in meiner Heimat, sie treibt mich umher nach Glück. Kommt weiter vor.

SYLVA ihn für Malström haltend. Schilt mich nicht, ich bin ein unerfahren Kind.[50]

MONALDESCHI. Das sind die reizendsten Kinder!

SYLVA. Ach!

MONALDESCHI. Eine andre Stimme, ein ander Gesicht, aber sonst alle Ader und Sehne, aller Gedanke und Wunsch wie dessen, zu dem Ihr spracht, ein Mann wie jener, ein Mann der Euch gefallen will! – Flieht nicht! – Was sind die Mädchen, was sind die Leute wunderlich; mit einem, den sie gern haben, suchen sie die einsame Mondnacht, und wenn sie überrascht werden, so ist's wohl ein Übel, aber ein kleines. Sie kennen sich, sie lieben sich schon lange, heißt es dann; man verwundert sich wenig, man beunruhigt sich nicht eben sehr. Sieht man aber zufällig einen fremden Mann bei ihnen, wenn der Mond scheint, o, da gerät alles außer sich! Was fürchtet man denn? Ich meine, der Bekannte, der Geliebte sei dem Mädchen gefährlicher, als der Fremde –

SYLVA will nach dem Hause; Monaldeschi aber, der von dieser Seite steht, tritt ihr in den Weg. Erlaubt, Herr!

MONALDESCHI. Ihr habt zu erlauben, Fräulein, ich aber bitte, denn Ihr seid schön, und ich bin es nicht. Die Schönheit befiehlt in der ganzen Welt. Was beklagen sich doch die Weiber, daß es nicht Amazonenreiche gebe, und daß der Mann die Welt regiere! Wir schwachen Männer! Allen Gedankenspänen sind wir unterworfen, die der oder jener Grübler zutage bringt: da gehört das Recht der Macht bald dem Kaiser, bald der Kirche, bald den Lehensträgern, bald der Menge, da müssen wir uns winden und drehen, studieren und disputieren, warten und wagen um das Wörtchen Macht. Das Weib aber, das glückliche Weib! sie pflegt gleichgültig ihres Wohlseins, ihrer Hautfarbe, ihrer Locken und Finger, sie erscheint bloß, und die Macht ist bei ihr, unbestritten, unbefragt – sind sie nicht glücklicher als wir, mein Fräulein?

SYLVA. Und wenn wir nicht schön sind?

MONALDESCHI. Und wenn wir nicht klug sind? Ein törichter Mann ist viel unmächtiger, als eine unschöne Frau; die schönen verbünden sich gern mit ihr, und sie leitet die Fäden des Schicksals, sie ist wiederum mächtig. Daß sie nicht schön sei, läßt sie sich wie eine Ungerechtigkeit des Schicksals vergüten, denn jede Frau hält es für eine Ungerechtigkeit des Schicksals, für einen Irrtum der Natur, wenn sie nicht schön ist, und sie hat recht, es ist die Bestimmung des Weibes zu gefallen. Wenn wir aber nicht besonders klug sind,[51] so kräht kein Hahn danach; da sollen wir arbeiten, da sollen wir uns bescheiden, es sind der Dinge zuviel, die der Mann können soll, man läßt uns unbeachtet zur Seite, man nimmt sich kaum die Mühe zu bemerken: 's ist ein unbedeutender Mensch!

SYLVA. Ihr möchtet wohl bedauert sein, daß Ihr einen Degen an der Seite tragt, und einem wehrlosen Mädchen den Weg vertretet?

MONALDESCHI tritt zurück. Vergebung, mein Fräulein, man ist nicht mehr im Wege, wenn man nicht mehr aufhalten will.

SYLVA an ihm vorübergehend. Eure Neugier war so kurz, wie rasch – Sie verliert eine Bandschleife vom Ärmel.

MONALDESCHI. Mancher Mensch lebte gern länger, wenn's der Tod zuließe – erlaubt, mein Fräulein, Ihr verliert da etwas mit Eurer eiligen Entfernung! Er hebt die Schleife auf.

SYLVA. Eure Unterhaltung?

MONALDESCHI. Auch eine Schleife!

SYLVA danach langend. Ich danke Euch –

MONALDESCHI die Schleife zurückhaltend. Ich würde Euch viel lebhafter danken, wenn Ihr mir nicht danken wolltet!


Malström ist schon seit einiger Zeit im Hintergrunde erschienen, jetzt tritt er eilig vor und zwischen beide.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 50-52.
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Monaldeschi
Monaldeschi: Tragödie in Fünf Acten Und Einem Vorspiele (German Edition)