8. Auftritt

[50] Kißling. Alfred von rechts hinten.


KISSLING. Aber Alfred, Mensch, was ist dir denn? Ich kenn dich ja gar nicht mehr.[50]

ALFRED. Kißling, Herzensfreund, gib mir einen Kuß.

KISSLING. Unsinn! Rappelt's bei dir, oder bist du betrunken?

ALFRED. Errätst du es denn nicht? Ich bin verliebt.

KISSLING ruhig. Ah so! Dann ist dir freilich manches zu verzeihen. Aber sage mir nur, wie ist denn das so schnell gekommen?

ALFRED. Ich will mich kurz fassen. – Es war im Mai vorigen Jahres –

KISSLING will gehen. Und jetzt haben wir September?! Adieu!

ALFRED hält ihn zurück. Wo willst du hin?

KISSLING. In eine unterhaltendere Gesellschaft.

ALFRED. Hier bleibst du!

KISSLING mit Galgenhumor. Es rast der See und will sein Opfer haben. Na meinetwegen, ich bin auf alles gefaßt.

ALFRED. Es war also im Mai vorigen Jahres, als ich sie zum ersten Male sah.

KISSLING. Ueberspringen wir die Zwischenzeit und –

ALFRED. Sie sehen und lieben war eins.[51]

KISSLING. So ist's recht. Das Tempo gefällt mir.

ALFRED. Kurz darauf mußte ich auf Befehl meine damaligen Prinzipals eine wichtige Geschäftsreise ganz plötzlich antreten. Als ich nach acht Wochen zurückkam, war sie verschwunden, und so viel Mühe ich mir auch gab, sie war und blieb verschwunden.

KISSLING. Bitte, tu' mir den einzigen Gefallen und finde sie jetzt.

ALFRED. Ich habe sie ja gefunden, hier habe ich sie wiedergefunden.

KISSLING. Hier? Gratuliere, mein Junge.


Klavierspiel im Salon.


KISSLING. Aha, man beginnt jetzt drin zu musizieren, da bleibe ich lieber hier. Schlendert nach links hinten.

ALFRED für sich. Famos! Während der musikalischen Vorträge versprach sie, mich hier zu treffen.

KISSLING hat in das Zimmer links hinten gesehen. Alfred, dort sitzt ja dein vortrefflicher Onkel und kneipt mit Herrn Bernhardy lebhaft Champagner. Sieh nur, wie fidel der alte Herr ist.

ALFRED. Ueber was mag er sich nur so königlich amüsieren?

KISSLING. Bernhardy wird ihm die Reiseerlebnisse und Abenteuer erzählen. Lassen wir also den Onkel in dieser Gesellschaft, da ist er sicher gut aufgehoben und hat keine Gelegenheit, Unheil anzurichten.


Quelle:
Carl Laufs: Pension Schöller. Berlin 11[o.J.], S. 50-52.
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