10. Kampff der zweymahl drey Gebrüder[185] Horatiorum und Curatiorum.

Nicht weit von Rom / da damahls regierete der dritte König Tullus Hostilius, war für Zeiten eine Stadt gelegen / Alba genannt (daher die Albaner kommen.) Ob nun wol die Römer den Albanern / so wol mit Blutfreundschafft / als Schwägerschafft verwandt waren / nichts desto weniger / weil die Stadt Rom sehr florirte / und täglich zunahm / so hasseten und verfolgten die Albaner die Römer: Biß endlich dieser Zwiespalt / Neid und Wiederwill so groß ward / daß daraus ein öffentlicher Krieg erwuchs. Damit aber dem Unglück ferner fürgebauet werden möchte / so wurden unter sich eins aus der Stadt Rom der Tullus, und von der Albaner Seiten Metius Suffetius: Nehmlich / daß drey Brüder vom Geschlecht der Horatiorum, und gleichfals aus der Stadt Alba andere drey Brüder / vom Geschlecht der Curatiorum, (welche sechs eben damahl im Läger unter den Soldaten gefunden wurden /) solten ausgeordnet werden / und mit einander streiten. Und welche Stadt alsdann unterläge / die solte der andern unterthänig und gehorsam seyn: Diese sechs junge Gesellen / ob sie wol einander am Geblüte verwandt / so fiengen sie dennoch den Streit an. Wurden also zu bestimmter Zeit die Schrancken zwischen beyden Städten auf einen grünen Platz aufgeschlagen / und die sechs Kämpffer dahin geführet:[185] Woselbst auch von Rom und Alba viel Zuseher kamen. Es begab sich aber nicht ohne Schrecken der Römer / daß aus ihren dreyen 2. erschlagen wurden /doch gleichwol der dritte im geringsten nicht verwundet / frisch und gesund verbliebe. Die drey Albaner aber / allesammt hart verwundet / trieben den einen frischen Römer tapffer herum / und verfolgten ihn. Derselbe immittelst gebrauchte diese List: Er gedachte / grieff er seine Feinde alle drey zugleich an / so würden sie ihm überlegen seyn: Stritte er aber mit einem jeglichen absonderlich / so könte er sie wol überwinden. Nahm derhalben den einen erst für: Derselbe / weil er hart verwundet war / und sich sehr verblutet hatte / ward von ihm bald nieder gemacht: Gleicher gestalt nahm er absonderlich den andern für /tödtet den auch: Und zuletzt den dritten ebener massen. Also überwand der eine Römer / Horatianer Geschlechts / die Curiatier alle drey / und erlangeten die Römer den Sieg / wurden der Albaner Ober-Herrn /und brachten den Horatium mit grossem Triumph und Ehren in die Stadt Rom. Diese Freude aber ward bald hernach in Traurigkeit verkehret. Dann wie der Horatius jetzt in die Stadt treten wolte / siehe / da kömmt ihm entgegen seine Schwester / eine Jungfrau /welche einem der Curiatier, so vom Horatio über wunden und getödtet / zur Ehe versprochen war. Diese / da sie ihres Vertrauten Wapen-Rock / den sie selbst gemacht hatte / auf des Bruders Achseln ersahe / risse sie ihre Haare voneinander / und rieff gantz kläglich mit Nahmen ihren entleibten Bräutigam. Solch der Schwester Leidklagen bewegte den jungen Horatium dermassen / daß er sein Schwerdt zuckete /und sie auf der Stätte erstach / also sagende:[186] Fahre hin mit dieser unzeitigen Liebe zu deinem Bräutigam / die du deiner zween Brüder / und des noch lebenden / ja auch des Vaterlandes vergessen hast. Also soll einer jeden Römerin geschehen / die einen Feind ihres Vaterlandes betrauren wird. Diese That wurde bey dem Könige Tullo, und allen Vätern / für gar grausam gehalten / und derohalben über den Horatium Recht gesprochen: Er / auch ungeachtet seiner trefflichen That / dergestalt zum Tode verurtheilet / daß er solte mit Ruthen zur Stadt hinaus gestrichen / und mit einem Strick an einen Baum gehencket werden: Des Jünglings alter Vater aber / Publius Horatius, legte sich hierzwischen / appellirte dagegen / wie dann auch der Jüngling selbst auf ferners Erkäntniß der Sache sich berieff. Der Vater sprach / seine Tochter wäre aus rechtmäßigen Ursachen entleibet / sonst wolt er sie in Krafft väterlicher Gewalt selbst gestraffet haben. Folgends bate er / daß sie dennoch ihn / als welchen sie unlängst zuvor mit fürtrefflichen Kindern begabt gesehen / auf diesen Tag nicht gantz und gar Kinderloß machen wolten. Mit dieser Bitte hat also der Vater den Sohn vom Tode erlöset.


In Krieg und Streit ist das Glück seltsam und wanckelbar. Item / nach erobertem Sieg kan auch ferner Unglück entstehen. Darum sey niemand vermessen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 185-187.
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