12. [190] Coriolanus, ein ritterlicher Held.

Coriolanus (schreibet Cnejus Martius) war ein Edelmann zu Rom vom hohen Verstand und weisen Rathe / und hatte sich um die Stadt Rom sehr wol verdient gemacht. Nichts desto weniger ward er durch Mißgunst aus Rom ins Elend verwiesen. Da ist er gezogen zu den Völckern Volscis, welche ihn in so grossen Ehren gehalten / daß sie ihn zum obersten Kriegs-Herrn erwehlet. Derhalben er kurtz hernacher mit Kriegs-Macht wider sein undanckbahres Vaterland Rom angezogen kam / des Vorhabens / seinen Freunden / von welchen er war auf- und angenommen / zu helffen und Beförderung zu thun. Hat auch in diesem Kriege die Römer so geängstiget / daß sie gezwungen worden / etliche Personen aus dem Rath und der Bürgerschafft an ihn abzusenden / seinen gefaßten Widerwillen zu lindern / und ihn zu erweichen / daß er von der schweren Belägerung möchte abstehen. Wiewol sie aber damit nichts bey ihm ausgerichtet /so haben sie doch nicht nachgelassen / sondern ihre Priester und heiligen Leute zum andernmal an ihn geschicket / Fürbitte zu thun fürs Vaterland; Die er gleichfalls mit harten Worten wieder von sich gewiesen. Hierauf seynd alle ehrliche Matronen in Rom aufgestanden / und zu des Coriolani Mutter / wie auch zu seiner Haus-Frauen Volumnia gangen / bey denen sie bittlich so[190] viel erhalten / daß die alte Mutter (welche kaum mehr gehen können /) und die Volumnia mit zween des Coriolani Söhnen / sich aus Rom nach des Coriolani Läger begeben / zu sehen / ob sie etwas könten ausrichten. Wie nun die Mutter in ihres Sohnes Gezelt eingehet / und er sie ansichtig wird / da entsetzet er sich / fällt aus Ohnmacht und kindlicher Affection auf die Erde: Stehet doch bald wieder auf /läufft nach seiner Mutter / sie zu umfahen: Die ihn aber von sich gestossen und mit grosser Hertzhafftigkeit seine That ihm zu Gemüthe geführet: Unterdessen kömmt auch seine Frau Volumnia, mit den beyden Söhnen: Da wird Coriolanus noch mehr in seinem Hertzen bewegt / fähet an zu weinen / und wie er ihre Meynung und Bitte vernommen / rufft er überlaut: Expugnasti & vicisti iram meam, ô Patria! Worauf er alsbald das Krieges-Volck wiederum abgeführet / und sein Vaterland von der äussersten Gefahr erldediget.


Also viel vermag die ςοργὴ, das ist / die Liebe zwischen Eltern und Kinder. Lernet hieraus ihr Kinder /euren Eltern zu willfahren in allem / was zu thun Christlich und möglich ist.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 190-191.
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