14. Der Palm-Baum.

[193] Ein seltzam Ding ist es / daß Aristoteles in seinen Problematibus, und Plutarchus in den Symposiis schreiben / nemlich / daß der Palm-Baum eine solche Natur an sich habe / wo man auf ihn leget eine grosse schwere Last / ja ihn so viel beschweret / daß er auch die Bürde nicht ertragen kan / so beuget er sich nicht niederwärts / sondern richtet sich in die Höhe / und widerstehet der Last / daß er auch über sich krumm wird: Aus diesen Ursachen / sagt Plutarchus, haben die Römer angeordnet / daß die Uberwinder gekrönet würden mit Blättern vom Palm-Baum: Dieweil dieses Baumes Art ist / daß er keinem Dinge / welches ihn drucket und presset / weichet / sondern / allezeit sich herfür dringet. Daher sind kommen die Sprichwörter: Palmam præripere, das ist / andern es zuvor thun; Palmam ferre, Lob davon tragen; Palmam tribuere,[193] einem den Preiß geben. Diese Erzehlung von den Palmbaums wunderliche Natur stelle ich an seinen Ort. Es bezeuget aber immittelst die tägliche Erfahrung / daß der Palmbaum eben so wol von einer schweren Last sich unterdrücken und beugen lasse /alß andere Bäume. Dieses bezeugen nicht allein die in Italia wachsende Palmbäume / sondern auch die in India / und andern Orten: dessen augenscheinliche Zeugen seynd die / so an ermeldete Oerter verreisen /und solches täglich in Augenschein nehmen.

Man soll nicht glauben / was der Augenscheinlichen Erfahrung zuwieder läufft.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 193-194.
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