16. Der Gordianische Knopff oder Knote.

[195] Die Stadt Gordium ist gelegen in Phrygia, daselbst der geistige König Midas seine Hoffstadt für Alters gehabt. Dahin war der große Alexander mit seinem Kriegsheer auch kommen / und hatte die Stadt überwunden; in derselbigen Stadt war verwahret ein wunderlicher Wagen / gebunden mit einem Strick / welcher gemacht war (wie Plutarchus meldet) von der Rinde eines Tarlingbaums / und zusammen verwickelt mit einem unaufflößlichen Knoten. Die Inwohner der Stadt und des gantzen Landes hielten es für eine gewisse und unfehlbare Prophezeyung / daß / wer denselben Knopff oder Knoten würde auflösen / derselbe sollte ein König und Herr werden des gantzen Erdstreifes. Dieses ward dem Alexandro erzehlet: derhalben suchte er den Knoten aufzubinden: konnte aber solches nicht ins Werk richten; angesehen er so sehr ineinander geschlungen / daß man weder Anfang noch Ende davon finden konte. Alexander sehend / daß er mit Kunst nichts könte außrichten /[195] hat sein Rappier ausgezogen / und den Knoten mitten entzwey gehauen. Wie das geschehen / hat man unterschiedliche Enden daran gefunden / und den Knoten leichtlich gantz aufgelöset. Daher ist das Sprichwort kommen: Nodus Gordius, von einem schweren / verwickelten und unauflößlichen Dinge: Sonsten ist ein König in Franckreich gewesen / welcher in seinem Emblemate geführet einen solchen Knoten / und darbey eine Hand mit einem Schwerdt / mit dieser Uberschrifft: Nodos virtute resolvo.


Was man nicht kan mit Fug verrichten / da soll man nicht mit Ungestümmigkeit hinein fahren. Die Ketzer werffen uns auch manchen verwirrten Knoten falscher Lehre vor: Aber mit dem geistlichen Schwerdt des Geistes können wir solchen auflösen und zertrennen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 195-196.
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