30. [221] Ucalegon, das ist Hans ohne Sorgen.

Æsopus gerieth einmahl in Zwiespalt mit seinem Herrn Xanto, von wegen der häßlichen und unschönen Menschen. Xantus sprach: Ich hatte wohl Lust zu sehen einen Menschen / der ohne Nachdencken und recht unverschämt wäre. Æsopus gieng aus zu suchen /[221] ob er einen solchen finden möchte: Und als er sich wohl umgesehen / siehet er zuletzt einen groben Bauren sitzen / zu dem spricht er: Mein Herr lässet dich an seinen Tisch zur Mahlzeit beruffen. Der Bauer fragte wenig darnach / warum ihn der Herr zu Gaste lude / gieng von stund an mit Æsopo, in unsaubern kothigten Stieffeln / und setzte sich stillschweigend zu Tische. Xantus fragte den Æsopum, was das für ein Mensch wäre? Æsopus sprach: Es ist ein sorgloser und hinläßiger Mensch. Da wincket Xantus seinem Weibe und spricht: Du solt nicht übel aufnehmen /was ich mit dir reden werde. Dann ich will Ursache suchen mich an Æsopo zu rächen / auf daß er und die andern Knechte lernen gehorsamer und unterthäniger seyn. Hierauf sprach Xantus überlaut: Frau / thue Wasser in ein Becken / und wasche diesem Gast die Füsse: Und ziehe du selber ihm die Stieffeln u. Strümpffe aus. Es vermeynete Xantus, der Bauer würde das nicht zulassen / so möchte er Æsopum glimpfflich schlagen. Der Bauer mercket wol / daß sie die Frau im Hause war / gedachte in sich selber / der Mann will dich ehrlich halten / darum hat ers weder Knechten noch Mägden befohlen / sondern seinem eigenen Weibe. Er streckte seine Füsse hübsch der Frauen zu: Ließ sich die besudelte Stieffeln und Strümpffe abziehen / wie auch die Füsse waschen von der Frauen. Als das geschehen / saß er still und ruhete. Da sprach Xantus zu seinem Weibe: Gib ihm zu trincken. Der Bauer gedachte: Ob es sich wol geziemete / daß die Frau zu erst trincke / doch weil es der Herr also haben will / so thue ich nach seinem Gebote: Nahm den Becher / und tranck weidlich; Als sie aber assen / setzt ihm Xantus Fische für / und sprach: Iß. Der Bauer aß frisch ohne Sorge. Da ließ Xantus den Koch ruffen /[222] und beschuldiget ihn / die Fische wären übel gekocht / hieß ihn derhalben ausziehen /und übel schlagen: Da gedachte der Bauer bey sich selber / der Fisch ist wol bereit / man schlägt den Koch unschuldig / aber es gehet mich nicht an / daß man Schläge austheilet / ich will meinen Bauch füllen. Bald hernach als ein Kuche auf den Tisch gesetzet ward / schnitte ihm der Bauer ein Stück / aß das /deß sich Xantus nicht versehen hatte. Und als Xantus ersahe / daß der Bauer so geitzig aß / ließ er den Becker beruffen / und sprach: Du loser Bube / dieser Kuche hat weder Safft noch Geschmack / weder Butter noch Honig. Der Becker antwortet: Herr / ich habe ihn nicht gemacht / sondern deine eigene Frau. Xantus sprach: Ist die Schuld an meinem Weibe / so will ich sie gleich jetzt lebendig verbrennen. Er ließ die Frau beruffen / gab ihr zu verstehen / daß sie nichts solte antworten / auf daß er Æsopum schlagen möchte; sprach zum Knechte: Nun bringe Holtz und Feuer her / und du / Æsope, wirff das Weib darein. Xantus thät solches darum / daß er meynete / der Bauer solte aufstehen / und für die Frau reden und bitten / er aber schwieg eine Weile stille / sagte doch letzlich: Herr /ich bitte dich / wilt du je dein Weib verbrennen / so warte eine kleine Weile / bis ich hinlauffe / und mein Weib auch herhole / daß wir sie beyde miteinander verbrennen. Als Xantus das hörete / verwunderte er sich über des Bauren Standhafftigkeit / und bekannte /daß er vom Æsopo überwunden wäre.


Ein Bauer ist ein grobes Holtz. Doch ist es der Bauer nicht allein / Unverschamheit findet man auch bey vielen / die in hohen Aemtern sitzen.

Wer heute zu Tage sich nur tumm und grob anstellet /der träget das meiste davon. An ungehobelten Leuten ist nichts zu gewinnen / man lasse sie zu frieden / so bleibet man ungeschimpffet.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 221-223.
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