33. [227] Cambysis Trunckenheit.

Der Monarcha Cyrus hatte einen Sohn / genant Cambyses, der seinem Vater zwar in der Regierung / mit nichten aber in den Tugenden nachfolgte / unter andern Lastern war er auch dem Trunck sehr zugethan /deßhalben ihn einer von seinen Räthen Prexaspes, höflich straffete. Das verdroß den Cambysen, wolte darum auch hören / was seine andere Räthe von ihm sagten / und hielten; Ließ sie derohalben zusammen fodern / und fragte sie / ob sie etwas an ihm zu tadeln wüsten? Die meisten unter ihnen wolten den Fuchs nicht beissen / sondern schmeichelten dem Könige und sagten: Sie hielten ihn höher als seinen Vater Cyrum; Warum? Dieweil er zu seines Vaters Königreich noch hinzu gebracht und gewonnen das Egytenland / welches sein Vater nicht hätte überkommen können; Aber der König Crœsus, welchem der Cyrus befohlen hatte / Achtung auf seinen Sohn Cambysen zu haben / und ihn in Tugenden zu unterrichten /sprach: Ich halte Cyrum höher als seinen Sohn Cambysen; Ursache / Cambyses hat noch nicht so einen trefflichen Sohn hinterlassen / als Cyrus. Solches alles gefiel dem Cambysi aus der massen wohl. Forderte derhalben den Prexaspem zu sich / und sprach: Du allein / Prexaspes, straffest mich der Trunckenheit halber / auf daß du aber erfahrest / daß ich / ob ich schon gesoffen / nichts destoweniger bey mir selbsten bin und verrichten kan / was sich geziemet / so will ich deinen jungen Sohn allhier für mich stellen lassen: Und wann ich truncken worden / nach ihm zielen und schiessen. Treffe ich sein (des Jungen) Hertze nicht /so soll man mich für[228] einen Säuffer halten / der seine Vernunfft nicht weiß zu gebrauchen; Treffe ich aber dem Jungen recht ins Hertz / so soltu daraus spüren und abnehmen / daß mir an meiner Vernunfft nichts mangelt / ob ich schon gezechet habe. Hierauf ließ Cambyses ein grosses Mahl anrichten / soff sich gantz voll mit seinen Räthen / und wie er truncken war / stellete er für ihm von ferne des Prexaspis jungen Sohn: Spannete seinen Bogen / zielete / und schoß nach dem Knaben: Befahl alsbald / daß man besichtigen solt / ob das Hertz getroffen wäre? Der Knabe ward aufgeschnitten / da befand sichs / daß der Pfeil mitten im Hertzen stack. Da zeigte Cambyses solches dem Prexaspi und sagte: Daraus magst du nun mercken / daß ich kein Säuffer bin: Und ob ich schon getruncken / dennoch bey guter Vernunfft bleibe. Hütte dich / daß du mich mit Unwahrheit ferner nicht beschuldigest.


Diß war ein unbillicher tyrannischer Lohn für die getreue Warnung Prexaspis. Hieher gehöret das:


Obsequium amicos, veritas odium parit.


Wer stets will die Wahrheit sagen /

Muß zur Beut die Feindschafft tragen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 227-229.
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