4. Vom [176] Actæon.

Auf einmal im Sommer gieng die Diana mit ihren Jungfrauen im Walde jagen. Und nachdem sie sich ergetzet / haben sie sich nackend in einem schönen kühlen / holen Brunnen gebadet und erquicket. Was geschicht / da kömmt unversehens zu dem Brunnen gegangen mit seinen Hunden der Jäger Actæon, ein junger Gesell / und siehet die Dianam mit ihren Jungfrauen nackend im Wasser stehen. Als die Nymphen (dann so wurden die Wald-Göttinnen geheissen) den Actæonem gesehen / haben sie die Hände an ihre Brust geschlagen / sehr geheulet / und sind um die Dianam gelauffen / daß dieselbige sie verbergen möchte / damit sie von keinem Manne nackend gesehen würden. Die Diana aber / weil sie ihren Bogen und Pfeile nicht bey der Hand hatte / sondern dieselbe von sich geleget / hat an statt der Pfeile Wasser in die Hände genommen / und den Actæonem damit besprützet / welcher alsbald ist zu einem Hirsch worden / auf daß kein Mensch lebete / der sagen könte / er hätte die Dianam nackend gesehen. Actæon nunmehr in einen Hirsch verwandelt / lieff durch den Wald hin und her / und ward ohngefehr von seinen eigenen Hunden / die er sich mit auf die Jagt genommen / gesehen / welche vermeynten / daß es ein rechter Hirsch wäre / und dem Actæoni an den Leib fielen. Derselbe / weil er nicht reden / auch sich nicht vertheidigen konte / ist also von seinen eigenen Hunden zerrissen und aufgefressen worden.


Fürwitz stürtzet viele in Leib- und Lebens-Gefahr.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 176-177.
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