43. Ein undanckbarer Gast.

[243] Philippus, König in Macedonien / des grossen Alexanders Vater / hat auf einmahl einen seiner Hof-Diener über See abgefertiget / etliche Gewerbe[243] zu verrichten. Wie dieser nach geendeter Reise und verrichteten Sachen sich nach Hause zu verfügen gedachte /ist durch Ungestümm des Meers das Schiff zerschmettert / und der Höfeling ins Wasser gestürtzet / darinnen er mit Lebens-Gefahr von den Wellen hin und wieder getrieben worden. Es wohnete aber am Gestade des Meers ein Bauersmann / welcher / da er diesen Schiffbrüchigen Höfeling ansichtig worden / mit seinem Schifflein auf die See gefahren / den halb-todten Menschen eingenommen / mit sich ans Land / und in sein Häußlein geführet / ihm truckne Kleider angethan / beym Feuer erwärmet / und mit Essen und Trincken dermassen erquicket / daß er bald wieder zu seinem vorigen Stande kommen. Der Höfeling reiset fort nach dem Könige: Erzehlet ihm die grosse Leibes-Gefahr /darinnen er gestecket. Philippus hieß ihn bitten um eine Gabe / die solte ihm zur Wiedervergeltung gefolget werden / da hat der undanckbahre Mensch den König gebeten / er möchte ihm des Bauers (seines gewesenen Wirths) Hauß und Acker / am See gelegen /verehren. Philippus giebt dieser Bitte Statt und Raum. Der Bauer wird ausgetrieben / und dem Höfeling das Gütlein eingeräumet. Da säumet sich der Bauer nicht lange / sondern verfüget sich zum Könige / erzehlet demselben allen verlauffenen Handel. Wie er den Höfeling vom Tode errettet: Wie er ihm viel Gutes erzeiget / beklaget sich sehr und bitterlich über die grosse Undanckbarkeit. Philippus die Sache recht behertzend / lässet den Höfeling zu sich fodern / und ihm vorn an der Stirn mit einem glüenden Eisen brennen diese Buchstaben: Ingratus Hospes: Den Bauern aber setzt er wieder in seinen vorigen Stand.


[244] So solte man billich allen undanckbaren Menschen thun / die Gutes mit Bösem vergelten. Des würde mancher mit verbrannter und gezeichneter Stirn einher gehen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 243-245.
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