45. Treue des Königs [247] Codri.

Codrus ist gewesen der letzte König zu Athen; Zu dessen Zeiten die Peloponenser einen hefftigen Krieg wider die Athenienser geführet. Nun war denen aus Peloponeso vom Oraculo Apollinis zu Delphis eine Antwort worden / daß / wofern sie sich hüten würden / und der Athenienser König nicht tödten / ob sie schon könten / so solten sie den Sieg erhalten. Im widrigen Fall / wofern sie ihn erschlagen würden /würde sie ebener massen das Unglück treffen. Wie diesen des Oraculi Ausspruch der Codrus vernommen / hat er seines Vaterlandes Freyheit seinem[247] eigenen Leben fürgezogen / und alle Mittel gesucht / wie er möchte von den Peloponesern getödtet werden. Hierauf zeucht er arme Bettlers-Kleider an / läst ihm Haar und Bart wegscheeren / auf daß er von niemand erkannt würde: Gehet also aus der Stadt / und verfüget sich ins Feindes Läger. Da wird er zwar von niemand erkannt / ist aber auch niemand / der ihm Böses thut. Codrus suchet Ursache / und fähet mit etlichen Soldaten an zu hadern / machet es auch ihnen so viel und grob / daß sie über ihn herkommen / und ihm das Leben nehmen. Alsbald hat sich das Kriegs-Glück geändert / und seynd die Peloponeser von den Atheniensern / nach Laut des Oraculi, verjagt und geschlagen worden. Aus dieser Geschicht hat das Sprichwort seinen Ursprung: Jurgia Codri, wird gesagt vom liederlichen / leichtfertigen und übelgegründeten Hader /und nichtigen Zanck / daraus doch endlich Mord und Todschlag herrühret.


Christus ist der rechte Codrus: Denn wie das gantze Höllen-Heer uns umgeben hatte / da verließ er seinen Königlichen Sitz / nahm Knechts Gestalt an sich / ließ sich selbsten tödten / und nahm also durch den Tod die Gewalt / dem / der des Todes Gewalt hatte / das ist / dem Teuffel / und errettet uns von unsern Feinden.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 247-248.
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