46. Etliche Irrthümer / belangend unterschiedliche Pflantzen.

[248] Es ist eine gemeine Rede / aus dem Plinio und andern Scribenten genommen / daß / gleichwie die Sonne am S. Viti Tage / wann sie am höhesten kommen / sich wendet / also wenden und kehren sich auch um etlicher Bäume Blätter / als der Linden / Pappel / Oelbaum und Bachweiden / dermassen / daß das oberste Theil das unterste werde / daher das[248] Sprichwort: Nach S. Veit / verändert sich die Zeit / und die Blätter kehren sich auf die andere Seit. Dasselbe aber ist in diesen Ländern der Wahrheit nicht gemäß sondern falsch. Dann ein jegliches Blat behält seine gewöhnliche Stelle / ohne daß die neuen Blätter sein in die Höhe gerichtet / die andern aber um dieselbe Zeit hernieder hangend stehen. Deßgleichen gedencken auch etliche vornehme Scribenten / daß so man in einen Becher von Epheu oder Iloss gemacht / Wein und Wasser giesse / und vermische / so komme und schwitze der Wein durch den Becher / und das Wasser bleibe allein darinnen. Welches auch der Wahrheit zuwider. Dann wir haben offt Becher von solchem Holtze machen lassen / und darein Wein und Wasser gossen / ist aber dannoch kein Tröpflein durch den Becher heraus kommen. So es einer will versuchen /der wirds befinden / wie gesagt. Es ist bey den Medicis gar gemein / daß zwischen dem Kohl und Wein eine Widerwertigkeit sey / welches der täglichen Erfahrung gleichfalls zugegen. Dann was für Art Kohl die Alten gehabt / dieselbe Art haben wir auch. Nun befindet sichs nicht allein in Franckreich / in Teutschland / und anderswo / sondern auch allhier bey uns in unsern Gärten / daß wann bey den Wein / der rothe Kohl sowohl als der grüne / gepflantzet wird / nichts destoweniger beydes Kohl und der Wein frisch und lustig wachsen: Ja es pfleget der Wein den Kohl auch mit seinen Beysprößlein zu umsahen. Letztlich sagen sie auch / es seyn etliche Blumen welche gegen die Sonne sich wenden / und dieselbe ansehen: Und wo die Sonne hinläufft / da sollen sie sich auch hinwenden. Als da seynd die Ringel-Blumen oder Göldiche / Cichorien / und die grossen Sonnen-Blumen.[249] Daß solches wahr sey / habe ich noch niemahls befinden oder mercken können. Das ist aber gewiß / daß die Göldliche und Cichorien ihre Blumen ausbreiten /wann die Sonne scheinet / und des Nachts wegen der Kälte wieder zusammen ziehen. Sie folgen aber der Sonnen in ihrem Lauff nicht nach / daß sie sich dahin solten kehren: Sondern da sie einmahl die Spitze hingewand / an derselben Seiten bleiben sie gemeiniglich behangen / gleichwie auch die Spitze anderer Kräuter / welches ich nicht allein für diesem observiret / sondern es jetzunder in vielen noch also befinde.


Man führet offt Wunder-Ding auf die Bahn / die der Warheit nicht ähnlich. Wir sollen stets unsere Augen und Hertzen kehren zu der Sonnen der Gerechtigkeit Christo JEsu.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 248-250.
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