54. Wie offt sich [261] Jupiter der Buhlerey halben verstellet.

Wir haben an unterschiedlichen Orten des Jupiters, als des Monarchen aller Götter gedacht / und es ist Wunder / daß die Menschen einen / der den Lastern also zugethan / für einen Gott angebetet. Daß ich aber der andern Laster geschweige / so ist der Jupiter ein schrecklicher Hurer und Ehebrecher gewesen. Auf daß er aber die Weiber möchte zu seinem Willen bringen /hat er unterschiedliche List und Betrügerey erdacht und gebrauchet / der einen hat er Gold geschencket /die andere durch seine schöne Gestalt / eine andere durch liebliches Reden / zu seinem Willen bracht. Daher die Poeten bewogen zu dichten in ihren Versen / daß Jupiter sich bißweilen in einen Stier / bißweilen in Gold / bißweilen in andere Gestalt verändert. Ich befinde / er habe sich in siebenerley Gestalt verwandelt / zu dem Ende / daß er desto besser seine Laster üben und ins Werck stellen möchte.

Erstlich hat er seine eigene Schwester / die Junonem, zum Weibe genommen / und theils mit Worten /theils mit Gewalt sie dahin gebracht / daß sie seinem Willen ein Genügen gethan. Die Poeten schreiben / er sey damahls in einen Kuckuck verwandelt gewesen (zweifels ohne darum / weil der Kuckuck seine eigene Jungen auffrisset /) und nachdem er selber ein Ungewitter erreget / deßwegen sich die Juno in eine Höle verkrochen sey er in Gestalt eines Kuckucks zu ihr geflogen / und sich in ihren Schooß gesetzet / als wann er vom Regen naß wäre. Die Juno aber aus Barmherzigkeit bewogen / hat den Kuckuck unter ihre Kleider verborgen.[262] Und ist also von ihm geschwängert worden. Zum andern hat er die Tochter des Königs Tyndari geliebet / und / so wohl mit Worten als Geberden sie bewogen / weggeführet / und endlich zu seinem Willen gebracht. Dahero die Poeten dichten / der Jupiter habe sich in einen Schwan verwandelt / dann die Schwanen seynd schön wegen ihrer weissen Farbe /und wegen des lieblichen Gesangs / welchen (wie man sagt) sie thun / wann sie sterben sollen. Also hat Jupiter Schwanen-Gestalt an sich genommen / und sich gestellet / als würde er vom Adler verfolget: Deßwegen auch in der Ledæ Schooß geflogen / die er also nach seinen Lüsten gebraucht / und bey ihr in Gestalt eines Vogels geschlaffen / und hernach zwey Eyer ihr in den Schooß geleget / die sie auch ausgebrütet. Aus dem einen Ey seynd hernachmahls gebohren der Pollux und die schöne Helena, eine Ursacherin des Trojanischen Krieges / aus dem andern Ey der Castor und Clitemnestra: Ob wohl Horatius in seinen Versen gesungen / daß Castor und Pollux aus einem Ey gebohren / Castor gaudet equis, ovo prognatus eodem Pollux.

Zum dritten ist Jupiter auch in Liebe enzündet gewesen gegen die Europam, des Königs Agenoris Tochter / zu der hat er sich / als sie im Wasser spatzieren gieng / und ihres Vaters des Königs Vieh besahe / gemacht / mit ihr gebulet / und sich als ein muthiger Stier erzeiget: Dahero die Poeten gedichtet / der Jupiter habe sich dazumal in einen weissen Stier verwandelt / welcher der Europæ so wohl gefallen / daß sie sich auf dessen Rücken gesetzet: Da er alsbald mit der Europæ ins Meer gelauffen / davon geschwummen / und sie nach der Insul Creta getragen.[263]

Zum vierdten hat er lieb gewonnen die Jungfrau Antiopen, bey welcher er sich erzeiget als ein geiler Bock / dahero die Poeten gedencken / der Jupiter habe die Gestalt eines Waldgottes Satyri angenommen. Was das aber für ein Gespenste sey / ist für diesem von uns erzehlet.

Zum fünfften hat ihn auch gelüstet die Danaen nach seinem Willen zu gebrauchen / die von ihrem Vater / damit kein Mann zu ihr käme / in einen eisernen Thurn verschlossen war. Jupiter hat den Hüter des Thurns mit Golde bestochen / und ihn dahin bewogen / daß er ihn eingelassen. Ist also zu der Danae gangen / hat ihr einen Hauffen Goldes in den Schooß geworffen und bey ihr geschlaffen. Dahero die Poeten schreiben / daß er sich damahls habe in einen güldenen Regen verwandelt / und sey also durchs Dach zu der Danae hinein gefallen.

Zum sechsten hat er gehuret mit der Alcumena, des Amphitruonis Weib / da er diese List gebraucht /nemlich er ist zu Mitternacht / wie der Amphitruo nicht zu Hause war / zu ihr gangen / fürgebende / er wäre der Amphitruo. Daher Plautus und andere Poeten gedichtet / der Jupiter habe Amphitruonis Gestalt an sich genommen / wie zu sehen aus der ersten Comœdia Plauti.

Zum siebenden und letzten ist er mit Frauen und Jungfrauen nicht zufrieden gewesen / sondern hat sich auch mit dem Knaben Ganymede belustiget / denselben gleichwie die Adler die kleinen Vögel mit sich weggeführet / und ihn hernacher zum Schencken bey den Göttern gemacht. Dahero die Poeten zu fingiren bewogen / Jupiter sey in einen Adler verwandelt[264] und habe den Ganymedem auf dem Rücken gen Himmel geführet.

Uber das hat er noch / ausgenommen diese Verwandlungen / unzählich viel Frauen und Jungfrauen zu Schanden gebracht / um welcher willen er sich selbst zwar nicht verwandelt / aber im Gegentheil dieselben in Gestalt anderer Thiere verwandelt / nemlichen die Jo ist von ihm zur Kuh / und die Calisto zu einer Bärin gemacht; Semele aber vom Donner und Hagel berühret worden / daß ich stillschweigend vor bey gehe die andern / die auch vom Jove geschwächt /als Niobe, Laodicea, Eleutra und unzählich viel andere.


Das seynd die Heyden-Götter / ja aller Götter Großväter. Daraus wir die schreckliche Blindheit derselben / darinnen sie gelebet / zu ersehen haben.

Wie die Heyden / so ist auch ihr Gott gewesen / gleich sucht sich / gleich findet sich / das mag wohl der rechte Teuffel / und kein Gott gewesen seyn.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 261-265.
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