57. Grosse Schlacht zwischen den Römern und Sabinern / durch Weiber aufgehoben.

[268] Nicht lange darnach / als die Stadt Rom meistentheils erbauet / und mit Mannschafft und Einwohnern besetzet / und aber es ihnen an Weibs-Personen mangelte /hat Romulus ein Schau-Spiel angestellet / und darzu die Crustuminer und Sabiner mit ihren Weibern und Töchtern verschreiben und einladen lassen / zu dem Ende / daß ein jeglicher Römer eine Frau oder Jungfrau in währendem Schauspiel mit Gewalt ergreiffen /mit sich nach Hause nehmen / und für seine eigene behalten solte. Solches ist auch geschehen und ungehindert vollbracht; Uber diese That seynd nicht allein die Sabiner sehr entrüstet worden / sondern es ist auch bald darauf ein grosser Krieg zwischen den Römern und Sabinern entstanden. Der König der Sabiner war Titus Tatius, der Römer aber der Romulus. Der Tatius hat mit[268] seinen Sabinern die Stadt Rom belägert. Nun war aufm Haupt-Schloß zu Rom ein Oberster / mit Nahmen Spurius Tarpejus, der hatte eine Tochter / dieselbe gieng in der währenden Belägerung aus der Stadt / ihrem Gebrauch nach / Wasser zu holen. Da hat der Titus Tatius seine Dirne mit guten Worten dahin beredet / daß sie angelobet / bey Nachtzeiten die Sabinische Soldaten aufs Schloß zu lassen /dafür sie zur Wiedervergeltung und Belohnung begehret und gefordert alle güldene Armbänder / die die Sabiner um ihre Arme trugen. Wie dieser Accord gemacht / ist folgende Nacht der Hauptmann Metius Curtius mit etlichen Soldaten in die Burg und Schloß kommen / dieselbe durch Verrätherey eingenommen. Der Tatius hat hierauf nicht allein der Verrätherin /des Tarpeji Tochter / die güldenen Armbänder / sondern auch die Schilde und Waffen der Soldaten zu geben befohlen / welche ihr in solcher Menge zugeworffen worden / daß die Jungfrau darvon zu todte gedrucket / und unter der Bürde gestorben. Romulus immittelst hat sich geschicket / den Sabinern entgegen zu ziehen / auch alsbald mit seinem Kriegs-Heer beflissen / selbige wiederum vom Schloß abzutreiben: Woraus an beyden Seiten ein groß Treffen entstanden / daß so wol Sabinische als Römische Hauffenweise aufm Platze blieben. Wie solches die zuvor gewesenen Sabinischen / und jetzo Römischen Weiber / die nunmehr viel Kinder gezeuget / und ihrer Männer gewohnet waren / gesehen / daß nemlich nicht allein ihre Männer und Kinder / sondern auch ihre Väter und Brüder in mächtiger Gefahr stunden / haben sie ihren Schmuck und weiblichen Zierrath abgeleget /seynd mit blossen Füssen[269] und Armen / mitten unter das streitende Kriegs-Heer / unter die Waffen / Pfeile und Spiesse hauffenweise gelauffen / und an einer Seiten die Brüder und Söhne / an der andern Seiten die Väter und Brüder / mit Heulen und Weinen gebeten / sie möchten aufhören zu streiten / und sich selbst nicht so hinmetzen. Durch diese unverhoffte und merckliche That hat man zu beyden Seiten mit Streiten innen gehalten / und nach Betrachtung der Sachen die Waffen weggeworffen / daß also aus Feinden dergestalt wieder Freunde worden / inmassen auch die Sabiner von den Römern zu Bürgern und Stadtgenossen auf- und angenommen / und daher nachmals alle Bürger zu Rom Quirites, von der Stadt Curete, den Sabinern zugehörig genennet worden.


Es schmertzet gar sehr / wann einem das Seinige genommen wird / und pfleget offt grossen Krieg zu verursachen. Verrätherey ist ein schändlich Laster / und stürtzet doch viele selbst ins Verderben. Weiber Bitte soll man in rechtmäßigen Sachen annehmen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 268-270.
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