63. [279] Ulysses Gepräch mit der Hindin.

Als Ulysses sahe / daß er von dem blinden Maulwurff verachtet ward / hat er sich nach dem Walde begeben / der nicht ferne von dannen war / sein Gemüthe zu ergetzen / und die Melancholey zu vertreiben. Hoffend unterdessen seine Beredsamkeit und Weißheit besser anzulegen: Er war kaum in selbigen Wald kommen /siehe da läufft ihm entgegen eine Hindin / welche er alsbald zu sich geruffen / die Hindin hat auf sein Begehren ihren Lauff unterlassen / ist zu ihm gangen /und hat ihn mit aufgereckten Haupt angeschauet /welche Ulysses auf folgende Art angeredet:

U. O du liebes Thier / ich vernehme / du seyst auch eins aus der Zahl derer / so mit mir hieher kommen /und von der Circe in unvernünfftige Thiere verwandelt[279] worden / angesehen du verstehen kanst / was ich sage. So bin ich nun allhier / daß ich dich mit deiner vorigen Vernunfft wieder begabe / wofern du es nur selber wilst und begehrest. Darum sage mir mit einem Wort / ob du wieder ein Mensch zu werden begehrest oder nicht.

H. Keinerley Weise.

U. Ich vermercke wohl / du bist von der Circe nicht allein deiner äusserlichen Gestalt / sondern auch deiner Vernunfft und Sinne beraubet. O du thörichtes Thier / was hastu für Ursachen / solche grosse Wohlthaten / die dir angeboten werden / zu verachten?

H. Ich hab / O Ulysses, viel Ursachen / welche ich dir wol könte erzehlen / wann ich als eine Weibs-Person mich unterstehen dürffte / mit dir / als einem so verschmitzten Mann / in Wortwechselung mich einzulassen.

Ulyss. Die Weiber sind doch alle beredsam / darum sage mir frey heraus / was du wilt / ich will gerne zuhören.

H. Lieber Ulysses, wann ich gantz keine andere Ursache hätte menschliche Gestalt zu fliehen / so wäre diß ja genug / daß ich solte eine Weibs-Person werden. Wann ich ein Weib nenne / so nenne ich und begreiffe / gleich in einem Auszuge / tausenderley Unglück / Jammer und Elend / dem die Frauen unterworffen seynd / die Zeit würde mir entbrechen / alles zu erzehlen / derowegen will ich nur kürtzlich sagen /und mit wenigem berühren: Ist es nicht Unglücks genug / daß die Weiber von den Männern so verachtet seyn / daß sie auch genennet werden Mißgeburten /und unvollkommene Menschen / die nicht geboren werden / als nur wann die Natur von ihrem vorgesetzten Ziel abgewichen / und[280] dasselbe nicht erreichen mag? Ist das nicht Elends genug / daß die Weiber vor Dienst-Mägde von den Männern gehalten werden? Ja sie müssen diese ihre Dienste noch mit Geld kauffen. Dann wann sie kein Geld oder Braut-Schatz haben /so werden sie entweder nicht gefreyet von den Männern / oder doch gar verachtet und gering gehalten. Suche nun / Ulysses, ob du unter allen Geschlechten der Thiere eins findest / darinnen der Mann sein Weiblein so übel / schlecht und verächtlich halte. Daß ich anderer geschweige und nur von mir allein rede: Ich werde vom Hirsch nicht für eine Mißgeburt / sondern für ein vollkommen Thier gehalten / nicht für eine Magd / sondern für eine liebe Frau / ich habe keinen andern Braut-Schatz / als die Liebe. Gehet der Hirsch wohin / so folge ich ihm nach / kommt er wieder / so komm ich auch: Zanck / Zwietracht / Armuth / damit ihr Menschen geplaget werdet / empfinden wir nimmermehr. Ich weiß auch von keiner Hauß-Sorge /meine Speiß-Kammer finde ich allenthalben / wann die Wälder mit grünen Zweigen / Blättern / Graß /und wohlriechenden Blumen erfüllet und bedeckt seyn. Mit kurtzem / ich habe Speise die Fülle ohne Geld / und meinen Tisch allezeit gedecket. Laß uns ferner gehen; Wann ich daran gedencke / wie die Frauen ihre Kinder zeugen in eurem menschlichen Geschlecht / so zittere und bebe ich / O welch eine Arbeit / welche Schmertzen / Schwachheit des Leibes / Bangigkeit des Hertzens / ja offt Todes-Gefahr fällt den Weibs-Personen für! Ihr Männer müsts selber bekennen / wann ihr wünschet lieber zehenmal vorn an der Spitze einer Schlacht zu stehen / als einmal gebären. Ich zeuge meine Jungen ohne Schmertzen /[281] ohne Mühe / ohne Kranckheit / mit Lust und Ergetzlichkeit / ja mit Spielen. Nach der Geburt springe ich / und gehe wo ich will. Wie viel Mühe haben eure Weiber in Auferziehung der Kinder / ehe sie zu ihren Jahren kommen. Sie haben manche schlaflose Nacht / und müssen viel Tage und Stunden in grosser Mühe und Arbeit zubringen. Ich dancke den Göttern / und will auch mein Lebenlang dancken der edlen Circe, die mich von diesem allen befreyet / und in einen so glückseligen Stand gesetzt / den ich auch zu verändern gantz und gar nicht willens bin.


Ein Weib ist ein mühsam / elend / waschhafftiges und verachtetes Ding.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 279-282.
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