7. Der höckrige [182] Philosophus Crates.

Die unbesonnen offtmahl die Weibs-Personen ihre Liebe werffen auf die Männer / und sich nicht lassen von ihrer einmal geschöpfften Meynung abbringen /bezeuget die tägliche Erfahrung. Für dißmal wil ich nur ein altes Exempel anführen:

Hipparchia, eine Schwester des Metroclis, gewann den fürtrefflichen Philosophum Craterem lieb / nicht zwar wegen seiner Schönheit: dann er vom Leibe gantz ungestalt war; Auch nicht wegen seines Reichthums; dann er gar arm war / sondern aus ungearteter Liebe / also / daß sie ihren Eltern und Freunden dräuete / sie wolte ihr selber den Tod anthun / wofern man ihr wehren würde den Craterem zu freyen. Von diesem ihren bösen Fürnehmen und der thörichten Liebe haben sie nicht können abbringen / weder ihre Eltern / noch der Crates selber / weder mit gutem noch mit bösem. Endlich ist Crates aufgestanden /und herfür getreten öffentlich / hat seinen Mantel abgeleget / und seinen Rücken / darauf er einen grossen Höcker hatte / entblösset / sagende: Daß niemand betrogen werde / so sehet alle her / diß ist der Bräutigam. Dabeneben hat er seinen Stecken / und seine Tasche (dann mehr hat er nicht gehabt) hinweggeworffen / und gesagt:[182] Und diß ist mein Braut-Schatz. Hierüber möcht ihr euch bedencken: dann ich kein Weib nehmen kan / deren dieses nicht gefalle. Durch diese That ist Hipparchia von der Liebe wieder abgeschrecket worden.


Die Liebe ist blind / sie fällt so bald auf das Ungestalte als auf das Wolgestalte. Mancher ist vor Liebe gleichsam blind / roll und unsinnig: er freyet in das Gelach hinein /und weiß selbsten nicht was / bis ihm zuletzt die Augen wieder eröffnet werden / daß er sein thörichtes Beginnen handgreifflich spüret.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 182-183.
Lizenz:
Kategorien: