78. Königs [312] Ptolemei Bibliothec, und die 70. Verdolmetscher der Bibel.

In Egypten hat vormahls geherrschet ein berühmter König Ptolomæus Philadelphus, ein grosser Liebhaber und Beförderer der guten Künste und Erudition. Dieser hatte eine Bibliothec aufgerichtet und zusammen gebracht von 200000. Büchern unterschiedlicher Scribenten / dessen gleichen auf der Welt nicht gewesen. Die Verwaltung und Aufsicht dieses heiligen Wercks hat Ptolomæus dem Demetrio Phalereo anbefohlen / welcher die herrlichsten Bücher aus allen Königreichen und Ländern zusammen gekaufft. Es hatte aber der König auch gehöret von einem fürtrefflichen Buche / welches nur allein bey den Juden zu Jerusalem gefunden und besessen ward. Um solches Buch schrieb Ptolomæus nach Jerusalem. Also ward ihm vom Hohenpriester Eleasar die Hebräische Bibel zugeschicket / ohngefehr 350. Jahr für Christi Geburt: Wurden auch dabeneben hingesand aus jeglichem Stamme Israels / 6. Männer / welche dieses Buch / die Bibel / solten verdolmetschen / und aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzen: (ob wol 72. der Dolmetscher gewesen / nemlich aus jeglichem der 12. Stämme 6. so werden doch nur gemeiniglich genennet 70.) Solches ist auch geschehen und ins Werck gerichtet worden: Und hat der löbliche König Ptolomæus für diesen geleisteten[312] Dienst hundert tausend gefangener Jüden loß gegeben / und in den Tempel zu Jerusalem verehret einen güldenen Tisch mit Edelgesteinen köstlich versetzet und gezieret: Zween grosse güldene Becher / und 30. Schalen / auch einen jeglichen Dolmetscher reichlich und Königlich begabet. Diese Griechische Version der Bibel / gemacht von LXXII. Dolmetschern besitzen wir noch heutiges Tages / und haben sie die Evangelisten und Apostel auch gebrauchet / wie aus dem neuen Testament zu ersehen. Wiewol viel darinnen / das mit dem Hebräischen Brunnen und Original nicht sonderlich überein kömmt.


Wolte GOtt / die hohen Häupter zu dieser Zeit / wären auch so gesinnet / wie Ptolomæus, Die GOttes Wort /Wissenschafften und gute Künste lieben und befördern /deren Nahme und Lob ist unsterblich.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 312-313.
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