79. [313] Annibal.

Die Stadt Carthago ist im Punischen Lande gelegen /da die Pœni gewohnet / ein falsch und betrüglich Volck / wie solches das Sprichwort bezeuget: Fides Punica, das ist / leichtfertig / betrüglich / untreu. Allda / sag ich / in Carthago seynd gewesen unterschiedliche Fürsten und Hertzoge / unter welchen der berühmte Amilcar einen Sohn gehabt / Annibal geheissen: Denselben Annibal, wie er noch ein kleiner Knabe gewesen / hat der Vater Amilcar, aus Haß und Neid gegen die Römer / gezwungen / den Göttern einen schrecklichen Eyd fürm Altar zu thun / nemlich daß er wolte der Römer Feind leben und sterben / so bald er Alters halben sie mit Kriegs-Macht überfallen und ängstigen könte. Diesen Eyd hat nachmals Annibal warlich gehalten: Dann erstlich ist er in Hispanien gezogen (welches damal die Römer innen gehabt /)[313] und hat allda ein gut Theil der Einwohner bezwungen. Hernach ist er durch Franckreich nach Italien gerücket / und damit er desto füglicher über das hohe Gebürge Alpes gelangte / hat er solches mit Eßig und Feuer erweichet und gesprenget / und seinem Kriegs-Heer also einen bequemen Weg gemacht / und so fort im Anzuge die Römer zweymal geschlagen / eines bey Trebia, und dann beym See Trasinenus, in welchem Treffen über 15000. Römer geblieben. Nachmals ist er vom Fabio Maximo durch langes Verzögern und Aufhalten ziemlich geschwächet worden. Doch hat er endlich wiederum seine Macht zusammen gebracht /sich gestärcket / und den Römern eine grosse Schlacht geliefert bey Cannas, einem Flecken / den Römern zugehörig / nicht weit von Collatia (davon in der Historien der keuschen Lucretia Meldung geschehen) in welcher Annibal 40000. Römer zu Fuß / und 2700. Reuter geschlagen und niedergemacht / daß er allein vierdtehalb Scheffel güldene Ringe den Erschlagenen abgenommen / und nach Carthago gesandt. Damahls hätte Annibal leichtlich ohne alle Mühe und Widerstand die Stadt Rom einnehmen und erobern können: Aber er wuste seine Victorie nicht recht zu gebrauchen / sondern verließ Rom / zog nach Capua / da er und die Seinen in Essen / Trincken / Spielen / Müßiggehen / und allerley Wollust / sich dermassen vertiefften und versoffen / daß sie alle Mannhafftigkeit und Ritterliche Tugend vergassen. Daher es dann endlich kommen / daß nach der Zeit Annibal nicht mehr glücklich und tapffer gestritten / sondern meistentheils von den Römern geschlagen und verjagt worden. Endlich hat er seine Zuflucht genommen zum Antiocho, den die Römer[314] gleicher massen überwunden. Und wie die Römer vom Antiocho, den Annibal ihnen zu lieffern und zu übergeben / begehrten / hat Annibal aus Verzweifelung das Gifft / welches er in seinem Ringe verwahret / allezeit in der Hand getragen / zu sich genommen / und sich also selber getödtet.


So lang einer der Tugend beflissen / gehets wol und fein von statten: Durch Wollust / Nachläßigkeit / und andere Laster aber verdirbet man gantz und gar / wie trefflich man auch zuvor gewesen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 313-315.
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