80. Des [315] Belisarii unbeständiges Glück.

Der Käyser Justinianus, welcher das Recht und die Gesetzen in Ordnung gebracht / hatte einen fürnehmen Kriegs-Obersten / mit Nahmen Belisarius, dessen Hülff und Dienste er sich wol gebrauchte. Dieser Belisarius hatte immerdar trefflich Glück / und giengen ihm alle Sachen / die er im Kriege fürnahm / gar wohl und nach Wunsch vor statten / er besiegete und überwand die Perser in Asien: die Gothen in Italien: die Wenden in Africa, und nahm der Wenden König Gilismer gefangen: Schmiedet ihn an Ketten / und führet ihn mit sich herum. Aber wie ein grosser Uberwinder der Belisarius auch im Kriege war / so konte er doch die Abgunst nicht überwinden / noch deroselben entfliehen. Dann nach dem er durch so viel Victorien grosse Macht / Gewalt und Ansehen bekommen /ward er beym Käyser Justiniano angegeben / als stünde er ihm nach dem Reich und Leben. Durch diesen Argwohn ist der Käyser bewogen / daß er dem trefflichen Held Belisario (der vielleicht niemahls an solche Verrätherey gedacht) beyde Augen ausstechen lassen; Das war die Belohnung für seine treu-geleistete Dienste. Belisarius konte sich an dem Käyser nicht rächen / ließ sich derohalben ausserhalb der Stadt[315] Rom ein kleines Häußlein machen / darinnen wohnete er / und hat Allmosen von den fürübergehenden Leuten / zu Aufenthaltung seines armseligen Lebens / sagende /und zum öfftern wiederholende diese Worte: Date Belisario obulum, etc. Gebet dem Belisario einen Heller / der nicht um Mißhandlung / sondern aus Abgunst seine Augen verlohren.


Abgunst regieret zwar allenthalben: Fürnehmlich aber zu Hofe / da gehet sie in vollem Schwange: Der heute gar hoch am Brete / der liege morgen an der Kette. Niemand traue seinem Glück zu viel / Herren Gunst ist nicht erblich.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 315-316.
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