81. Wie die [316] Semiramis zum Regiment kommen /und von deroselben Thaten.

Der ersten Monarchie (in Assyrien) erster Herrscher und Haupt ist gewesen Ninus, (dessen Groß-Vater war Nimrod, davon in der Bibel) von welchem die Stadt Ninive / die des Propheten Jonas Predigt gehöret / ihren Namen geführet. Nini Hauß-Frau war Semiramis, eine Heldin von grossen Thaten. Auf was Art dieselbe nach ihres Mannes Nini Tode zum Regiment kommen / erzehlet Justinus also / daß / weil kein Weibs-Bild bey den Assyrern herrschen konte /sie sich gestellet / als wäre sie männliches Geschlechts / welchen Betrug sie viel Jahr heimlich gehalten. Biß endlich nach vielen trefflichen und schier einem Mann zu thun unmüglichen Thaten sie sich kund gegeben / daß sie ein Weib wäre / und kein Mann. Welches zwar ihr nicht allein an ihrer Gewalt und Regierung nichts geschadet / sondern sie vielmehr zu höhern Respect und grösserer Macht erhoben. Andere Historien-Schreiber erzehlen diese Sache auf eine besondere erschreckliche Art / nemlich also: Semiramis[316] war anfänglich eines Leibeigenen Knechts Kebsweib / und wie ohngefehr König Ninus an sie gerieth / gewann er sie alsbald lieb / und gebrauchte sie zu seinem Willen: Da hat diß Weib den König mit ihrer süssen Rede und gar lieblichen Geberden dermassen eingenommen / daß nichts so groß gewesen /was sie auch vom Könige begehren mögen / welches der König ihr nicht gerne vergönnet und gewähret hätte. Auf eine Zeit nun / wie sie mit dem König Kurtzweil trieb / meldet sie ihm an / sie hätte sehr grosse Lust und Begierde zu einem Dinge / bäte / der König möchte ihr darinnen willfahren. Ninus sprach alsbald / alles / was sie begehren würde / wie hoch es auch wäre / solte ihr widerfahren. Ich bitte / sprach sie / du wollest mir vergönnen / daß ich nur einen Tag lang auf deinem Königlichen Stuhl sitze / und man mir in allem / was ich befehlen und heissen werde /gehorsame. Ninus lachet dessen / und williget in ihr Begehren: Ward auch alsbald ein Tag bestimmet und ausgeruffen / daß an demselben alle Menschen der Semiramidis Befehl ausrichten / und in allen ihr gehorchen solten. Wie der angesetzte Tag kommen / hat sich Semiramis mit Königlichen Kleidern und Zierrath angethan / an statt des Königs dargestellet / und anfänglich zum Versuchen / etwas geringes den Dienern anbefohlen / auf welches / wie es verrichtet / und diß verschmitzte Weib nun merckte / daß ein jeder ihrem Geheiß und Willen gnug thäte / sie den Trabanten befohlen / sie solten den König Ninum greiffen: Die ihn auch alsbald gegriffen. Man solte ihn binden /welches auch unverzüglich geschehen: Endlich man solte ihn tödten: Die Diener / vermöge öffentlichen Befehls / haben auch hierinnen der Semiramidis[317] Willen vollbracht / und den Ninuin erstochen. Auf diese Weise soll Semiramis zum Regiment kommen seyn.


Huren Liebe bringet manchen um Ehr und Wolfahrt /um Leib und Leben. Item mancher bekömmt ein Regiment oder Amt / nicht durch Recht / sondern durch Practicken / es geräth aber selten wol.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 316-318.
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