83. [319] Accius Navius, ein Wahrsager.

Die Augures, vom Numa Pompilio erstlich bestellet /seynd gewesen Priester zu Rom / welche aus dem Vogel-Fliegen oder Geschrey zukünfftige Dinge geweissaget / und der Götter Willen und Verhängniß den Leuten offenbahret. Unter solchen Auguribus ist nicht der geringsten / sondern der berühmtesten einer gewesen Accius Navius. Wie König Tarquinius Superbus etliche Gebräuche von seinen Vorfahren wol eingeführet / verändern / und andere an statt derselben anstellen wollen / hat sich ihm widersetzet der Accius Navius, und aus seiner Wahrsager-Kunst gesaget: Solche Veränderung gefalle den Göttern nicht / welches er aus dem Vogel-Geschrey erlernet; Tarquinius der Hoffärtige ist hierüber ungeduldig worden / und hat des Accii Kunst zu verspotten und zu verwerffen /zu ihm gesagt: Hörest du lieber Mann / weist du etwas / so frage deine Vögel / und wahrsage mir / ob das / was ich bey mir jetzt gedencket[319] geschehen könne oder nicht? Accius, nachdem er aufs Augurium acht gegeben / hat geantwortet: Ja / es könne gar wol geschehen. Da ist Tarquinius fortgefahren / sagende: Ich habe bey mir bedacht / daß du soltest mit einem Scheer-Messer einen Schleiff-Stein entzwey schneiden; Thue jetzund solches / und richte ins Werck /was dir deine Vögel verkündigen. Navius nicht faul /sondern seiner Kunst trauend / ist ins Mittel getreten /und hat in Gegenwart des Tarquinii und der Römischen Bürgerschaft ein Scheer-Messer / wie dann auch einen harten Schleiff-Stein ihm langen lassen /und alsbald mit dem Messer den Schleiff-Stein entzwey geschnitten. Wegen dieser That ist dem Accio, zum ewigen Gedächtniß beym Rath-Hause ein Bildniß aufgerichtet / und der Augurum Ansehen und Glaube sehr groß worden.


Also spielet der Teuffel mit dem Aberglauben in den Kindern der Finsterniß.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 319-320.
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