89. Des grossen [327] Alexandri Leben und fürnehmste Thaten.

Wir haben zwar an unterschiedenen Orten des grossen gewaltigen Monarchen Alexandri gedacht. Allhier will ich kürzlich berühren / was er sonderlich in seinem Leben verrichtet. Alexander der grosse ist gebohren vom Philippo Könige in Macedonien und Griechenland / und von der Königin Olimpiade, eben an dem Tage / da der wunderschöne und köstliche Tempel der Dianæ zu Epheso in Brand gesteckt / und zu Asche gemacht worden. In seiner Jugend hat man ihn dem Aristoteli zu unterweisen vertrauet / der ihn dann auch in allen Künsten unterrichtet. Wie er noch ein Knabe war / und man ihm sagte / sein Vater Philippus eroberte viel Städte / hat er zu seinen Spiegelgesellen gesagt: O Kinder / mein Vater nimmt alles /und lässet uns nichts übrig / das wir durch Mannheit erwerben könten. Nach seines Vaters Tode hat er selber das Regiment angenommen / und ist König über Griechenland worden im 20. Jahr seines Alters. Alsbald darauf hat er ihm fürgenommen / die Perser mit Krieges-Macht zu überziehen / ihnen ihre Monarchie zu zerstören / und dieselbe an sich zu bringen / welches dann auch geschehen. In Phrygiam kommend /hat er allda in der Stadt Gordo, den seltzamen und verwirreten Knoten aufgelöset / davon anderswo gedacht / beym Sprichwort: Nodus Gordius. Damahls herrschete über die Perser und Meder Darius der letzte / mit welchem Alexander wolte zu thun haben / und ihm die Krone und das Reich nehmen. Darius zog dem Alexandro entgegen mit sechsmal[328] hundert tausend Mann / und allzuviel trauend auf seine Macht /schickete er Alexandro einen Sack voll Mon-Saat /mit Vermeldung / er solte die Körnlein zehlen / wo es ihm möglich / eben so viel Soldaten hätte er (Darius) bey sich. Alexander hat ein Körnlein aufgebissen /und wie ers geschmecket / gesagt: Hier ist zwar ein grosser Hauffe / aber wenig Krafft. Hat darauf dem Dario wieder zugeschicket ein Säcklein voll Pfeffer-Körner / sprechende: Siehe da eine geringe Menge /aber die Grösse und Krafft derselben ist viel besser /und so du sie schmeckest / wirst du befinden / daß ein Körnlein besser ist als deiner tausend. Also seynd die Soldaten / so ich mit mir führe. Bald darnach haben sie einander eine Schlacht gelieffert / darinnen Darius überwunden / und dessen Frau und Tochter zwar gefänglich vom Alexandro weggeführet / aber bey ihm sehr ehrlich / züchtig / und wol gehalten worden. Ferner hat er die Stadt Tyrum belägert / und darzu Hülffe begehret von den Juden zu Jerusalem / welche ihm selbige abgeschlagen und gewegert / daher Alexander erzürnet / nach Jerusalem gezogen / und die erobert. Wie er aber in die Stadt kommen / ist ihm der Hohepriester Taddæus mit der gantzen Clerisey oder Priesterschafft entgegen gegangen / dadurch Alexander bewogen / sie freundlich angenommen / und der Stadt verschonet.

Nun rückte er immerfort / und kam in Syriam an die Stadt Gaza / die er auch eingenommen / und allda eine überaus grosse Menge gefunden von Weyrauch /Myrrhen / und dergleichen kostbaren Räuchwerck /davon hat er einen grossen Hauffen an seinen alten Hofmeister Leonidem geschickt / ihm darbey geschrieben / er[329] solte hinfort nicht mehr so karg und genau seyn gegen die Götter. Die Ursache solches Schreibens war diese: Als Alexander in seiner Kindheit den Göttern opffern solte / hat er das Räuchwerck mit vollen Händen häuffig ins Feuer geworffen / darüber ihn Leonides gestraffet mit diesen Worten: Sohn / wann du nun kommen wirst in die Länder / da solch Räuchwerck wächset / alsdann sey liberal gegen die Götter / jetzt must du sparsam seyn: Dieses erinnerte sich Alexander. Unterdessen hat sich Darius wieder gestärcket / und dem Alexandro abermal eine Schlacht gelieffert / welche er gleichfalls verlohren /und auf der Wahlstatt blieben / indem er von einem Soldaten erstochen worden. Ist also Alexander Monarcha über Persien worden / und hat des Darii Cörper Königlich begraben lassen. Den Soldaten aber (welcher Bessus geheissen) hat er an zween gekrümmete Bäume binden / und in Stücken reissen lassen. Damals hat Alexander in der einigen Stadt Susa bekomen an gemüntztem Golde 140. Tonnen voll / an güldenen und silbernen Geschirren / an Purpur und Kleinodien / und andern köstlichen Dingen / einen unaussprechlichen Schatz. Allda hat er auch 30000. der schönsten jungen Knaben zu sich bringen lassen / und dieselben etlichen gelehrten Meistern anbefohlen /von welchen sie in Kriegs-Sachen unterwiesen worden. Nach der Zeit ist er von seiner vorigen Freundlichkeit abgewichen / und sehr tyrrannisch worden. Seinen allerbesten und vertraulichsten Rathgebern und Freunden / Parmenioni, Clyto, Philoti, hat er erstlich Nasen und Ohren abschneiden lassen / und sie hernach theils mit eigener Hand / theils durch andere erwürget. Nachdem auch König Pyrhus von ihm überwunden worden / ist er ferner biß in Indien gerücket /[330] da ihm mächtiger Widerstand geschehen / also daß er niemalen in grösserer Gefahr gewesen: Dannoch endlich / nach Verlust vieler tausend / wiederum in Persien angelanget / allda er in der Stadt Susa mit des Darii Töchter einer Hochzeit gehalten: Auf der Hochzeit seynd 9000. Persianer gewesen / derer jeglichen er einen güldenen Pocal verehret: Seinen Griechen aber über 60. Tonnen Gold / ihre Schulden damit zu bezahlen / geschencket. Letztlich in der Hinreise nach Babylon haben ihn die Wahrsager gewarnet / er solte nicht in die Stadt Babylon gehen / sonsten würde er sterben. Alexander aber hat solches nicht geachtet / ist gleichwol in die Stadt kommen / da sind ihm unterschiedliche Gespenste erschienen / die ihn also erschrecket / daß er gleichsam unsinnig worden / keinem Menschen mehr getrauet / und letztlich auf einer Gasterey sich mit einem starcken Wein dermassen überladen / daß er kurtz hernach Todes verfahren / im 32. Jahr seines Alters. Also ist der Uberwinder so vieler Völcker / Länder und Könige vom Wein / Zorn und Verzweiffelung / überwunden worden: Und dem die gantze Welt zu klein / ist endlich ein geringes Kästlein groß genug gewesen.


Des Menschen Hertz ist unersättlich / hätte es auch die gantze Welt / so ists doch nicht zufrieden. Vanitas vanitatum & omnia vanitas.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 327-331.
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