92. Welches von den beyden besser und gesünder / mager oder feiste seyn:

[335] Wann man von den beyden eines erwehlen solte und könte / von Feiste und Magerheit / so wär es viel gesünder und besser mager seyn / als feist. Ich will hier nicht von solcher erdichteten Magerheit / davon anderswo / reden: Sondern die den Menschen natürlicher Weise anhanget. Daß nun magere Leute gesünder seyn / länger leben / und viel bequemer zu allen Geschäfften des Leibes und Gemüths / als die feisten /ist aus folgenden Reden zu wissen und zu ersehen: Erstlich wird von der übermäßigen Feiste und Uberfluß des Geblüts die natürliche Hitze unterdrücket /und gleichsam verleschet / wie eine Lampe von allzuhäuffigem Oel. Hernacher seynd auch / wegen Uberfluß der Feuchtigkeit[335] feiste Menschen viel mehr und schweren Kranckheiten unterworffen als magere. Und zwar / was ist ein feister Wanst anders / als eine Bürde und unnützer Ballast / womit die Seele beladen ist? Gleich wie die Vögel / welchen an die Füsse Steine gebunden seynd / nicht können in die Höhe fliegen / also kan das Gemüthe und die Vernunft nicht erhoben werden zur Betrachtung und Erfindung subtiler Sachen / wann sie vom dicken feisten Balck unterdrücket wird: Vom Platone schreibet Basilius, daß er sey sehr dick und feist gewesen / und habe gerne wollen von dieser Bürde entlediget werden / da habe er ihm erwehlet den Ort zu Athen / Academia genannt /von ungesunder Lufft / garstiger Gestalt und unbequemer Gelegenheit: nemlich / er wolte lieber unbequem leben als feist seyn. Crates von Thebis, da er einen Gesellen sahe / der von vielen Essen und Trincken feist worden / hat geruffen: O du elender Mensch /halt auf / dir selber ein Gefängniß zu bauen! Hat wollen anzeigen / das beste Theil des Menschen sey die Seele / die im Leibe als in einem Gefängniß stecke; Je grösser und feister der Leib sey / je mehr die Seele beschweret werde.

Ich kan nicht unterlassen / ein merckliches Exempel anhero zu setzen eines feisten Bauches. Athenæus schreibet vom Dionysio, des Clearchi Sohn / daß er durch tägliches Wolleben dermassen am Leibe und Festigkeit zugenommen / daß er kaum habe mehr können Athem holen / daher er sich augenblicklich befürchtet eines geschwinden Todes. Dieser Beschwerung und Gefahr fürzukommen / haben die Aertzte viel lange / dünne spitzige Nadeln machen lassen /mit denselben ihm den Bauch allenthalben fort und fort gestochen / wann er[336] in einen tieffen Schlaff gefallen: So lange nun die Nadeln in die Feuchtigkeit oder das Schmeer des Bauches gegangen / so lange fühlete Dionysius nichts: Wann sie aber an und ins Fleisch kamen / erwachete er alsbald. Wann er faß / hatte er einen grossen Kasten fürm Leibe / mit welchem der gantze Leib bedecket war / ausgenommen das Haupt /welches allein herfür guckete. Ist endlich elendiglich gestorben.


Ein dicker schwerer Wanst ist eine grosse Bürde.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 335-337.
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