16. Warum die Weiber mit weissen Schleyern /die Männer aber gantz schwartz trauern.

[381] Den ersten Punct dieser Frage hat Plutarchus in seinen Römischen Fragstücken in etwas berühret. Er vermeynet aber / daß es fürnemlich darum geschehe /entweder weil der todte Leichnam mit weissen Leinwand bekleidet wird / (welche Arbeit gemeiniglich die Weiber verrichten /) daß darum die nechsten Verwandten sich befleißigen / eben dergleichen Zierrath an ihrem Leibe zu tragen: Darum aber wird der verstorbene Cörper in weisse reine Tücher gewickelt /weil man verhoffet / die Seele des Verstorbenen (welche man nicht bekleiden kan) sey nunmehr rein / weiß und frey von aller Arbeit und Befleckung: Oder entweder darum / weil bey Leichen die allereinfältigste /schlechteste und am wenigsten kostbare Farbe wohlstehet / und billich gebrauchet wird: Weisse Farbe ist die reineste / die einfältigste nicht durch Kunst / oder mancherley Materien zuwegen gebracht / sondern von Natur herrührend: Und die Todten seynd von gleicher Art / schlecht ohne Vermischung. Warum aber die Männer schwartz trauren / ist leichtlich zu ermessen: Nemlich / weil diese Farbe der Finsterniß ähnlich /oder der tunckeln Erden / darunter der Leichnam soll geleget werden: Oder weil schwartz Geblüt / und sonsten alles schwartz nicht allein die Traurigkeit stärcket / sondern dieselbe auch anzeiget / und deren ein merckliches Zeichen ist / auch davon herrühret.


Daß man seine Todten betraure und beweine / ist Menschlich / ist billich / ist Christlich. Mercke aber / daß auch hierinnen die Frauen / wie in andern unterschiedlichen Dingen / den Männern das Gegentheil halten.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 381-382.
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