17. Wunderliche Wirckung der Music an dem Dänischen König Erico.

[382] Ich weiß mich zu erinnern / daß ich bey einem Geschichtschreiber der Nordländischen Historien gelesen habe / daß beym Könige Erico in Dännemarck vor etlichen Jahren am Hofe ein Lautenist oder Instrument-Schläger gewesen / welcher sich berühmet / daß er mit seiner Kunst die Zuhörer dergestalt bewegen könte / daß sie auch unsinnig oder rasend würden. Solches hat König Erich zu sehen / und zu erfahren begehret: Derhalben dem Lautenschläger befohlen / er solte solches darthun und beweisen. Dieser hats angenommen / und ins Werck zu richten versprochen: Damit aber alles ohne Schaden möchte abgehen / hat gedachter Musicant befohlen / alle Wehr und Waffen hinweg zu tragen / und in der Nähe Wächter und Trabanten bestellet / welche wann sie ein Getümmel hören würden / herein dringen / und allem Unheil fürkämen. Auch damit sie selber gleich mit den andern nicht rasend würden / solten sie ihm / dem Musico /die Laute schleunig aus der Hand reissen / und auf dem Kopff oder an der Wand zerschmettern. Was geschicht? Anfänglich hat dieser Meister eine Melodey ungewöhnlicher Ernsthafftigkeit auf seiner Lauten geschlagen / dadurch die Zuhörer alsbald zur Traurigkeit gebracht / und gleichsam verstarret. Bald darauf hat er ein so liebliches lustiges und anmuthiges Liedlein gemacht / daß die Gemüther gantz verändert / mit äusserlichen Geberden ihre Frölichkeit zu verstehen gegeben / und sich kaum vom Tantzen enthalten können: Aber zuletzt hat dieser Meister angefangen / auf eine sonderliche strenge und durchdringende Art also zu spielen / daß alle Gegenwärtige von Sinnen kommen / und unter einander sich zu schlagen und zu tumultuiren[383] angefangen. Zu diesem Geschrey sind die Wächter oder Trabanten ins Losament gebrochen /und haben den wütenden / und nunmehr tollen König Ericum nicht so viel halten können / daß er nicht ihrer Rappier eines ergriffen / und vier von den Seinigen damit durchstochen / doch endlich (nachdem dem Lautenisten die Laute genommen und zerschlagen) ist er mit vielen Stuhlküssen zur Erden geschlagen / und also gefället: Als er zur vorigen Vernunfft wiederum gelanget / ist er / seine begangene Sünde und Todschlag zu versöhnen / nach Jerusalem gereiset mit seinem Gemahl / und seyn in der Insul Cypro alle beyde Todes verfahren.


Ich muß zwar bekennen / daß die Music ein grosses vermag ist der Menschen Hertz und Sinn. Aber daß dieser Effect durch die Kunst allein verrichtet / glaube ich nicht. Der Teuffel gebrauchet offtmals solche Mittel / die Menschen zu betrügen und in Unfall zu bringen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 382-384.
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