34. Frau [414] Tanaquil.

Folgendes ist gezogen aus des Livii ersten Buche. Lucumo eines (wegen Verrätherey) vertriebenen Corinthers Sohn / war in der Stadt Tarquiniis in Etruria mit einem Weibe befreyet / hohes fürtrefflichen Geschlechts / Tanaquil geheissen. Dieses hochmüthige Weib sahe / daß ihr Mann Lucuno zu keinen Ehren oder Aemtern erhoben wurde / (angesehen er frembd und geringes Herkommens /) entschloß derhalben bey sich / ihr Vatterland und alle Erbschafft nur allein darum zu verlassen / daß sie ihrem Manne zu Ehren helffen möchte / und ihr selber durch ihren Mann. Also zwinget sie ihn / mit hin nach Rom zu reisen /da / als in einer neu-erbauten Stadt / einem jeglichen leichtlich der Weg offen stünde / Hoheit und Adelichen Stand zu erlangen. Lucumo war seiner Tanaquil gehorsam: Sie reiseten fort nach Rom. Wie sie nahe vor die Stadt kommen / siehe / da fähret aus der Lufft herunter auf ihre Kutsche zu ein Adler / welcher dem Lucumoni den Hut sanfft vom Haupt hinweg nimmt /in die Höhe erhebt / und alsbald ohne Schaden Lucumoni wieder aufsetzet. Tanaquil wohl[414] erfahren in der Warsagerkunst / und im Vogelfliegen / hat ihrem Mann diß Gesichte ausgeleget / nemlich / daß einem Menschen die Königliche Kron und Ehre vom Haupt gerissen / und ihm (dem Lucumoni) wieder aufgesetzet werden würde. Damahls regierte zu Rom der vierdte König Ancus Martius. Lucumo kauffet ihm in der Stadt ein Hauß / und verändert (aus Angeben der Tanaquil) seinen Namen / hieß sich Lucius Tarquinius, von seines Weibes Geburths-Stadt Tarquinius. Tanaquil gewehnet ihren Mann dergestalt nach ihrer Hand und Willen / daß er sich muste beym König Anco zu Hof angeben. Da er dann so viel Gunst und Ansehen erlangete / daß nicht allein Ancus ihn für einen heimlichen Rath annahm / sondern auch im Testament zum Vormund seiner unmündigen Kinder bestellete. Nach Anci Tod / wie die Kinder etwas erwachsen / hat er sie irgendwo aufs Feld geschicket /und unterdessen so viel bey den Römern zu wege gebracht / daß des Anci Kinder ausgeschlossen und er Tarquinius zum Königreich erhoben worden. Alles durch der Tanaquils Rath / Hochmuth und Durchtreibung. So hats ihr gelungen / und ist sie Königin zu Rom worden: Aber damit noch nicht zufrieden / sondern wie Tarquinius von des vorigen Anci Söhnen mit einem Beil ermordet worden / hat sie so viel mit ihrer Klugheit zuwege gebracht / daß sie einer armen Dienstmagd Sohn / Servius Tullius genannt (von welchem sie gar viel hielte / und ihm ihre Tochter zur Ehe gegeben hatte) in ihres entleibten Mannes Stelle zum Königreich erhoben / welcher dann auch durch Hülffe seiner Schwiegermutter Tanaquil König und ihre Tochter Königin worden; Dieser Servius[415] aber ist auch von seiner eigenen Tochter ermordet worden /welche bey hellem Mittage über ihren todten Vatter mit Wagen und Pferd gefahren.


1. Frauen Hochmuth ist groß. 2. Frauen herrschen gerne über ihre Männer. 3. Frauen Rath erhebet die Männer offtmals mit ihrem eigenen Schaden und Unglück.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 414-416.
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