35. Was Adam im Paradieß für einen Apffel gessen?

[416] Vornan in der H. Schrifft befinden wir die Historien vom kläglichen Fall unserer ersten Eltern Adams und Eva / wann dieselbe von der Frucht des verbotenen Baums Gutes und Böses / gessen / und dadurch alle ihre Nachkommen ins Verderb und Verdammniß gestürtzet. Nun ists allda nicht ausdrücklich gesetzet /was es für ein Baum / oder was für Frucht es gewesen / darvon Adam und Eva gessen. Daß es ein gemeiner Apffel gewesen / hält man gemeiniglich dafür / und pflegen die Mahler also die Geschichte / oder den Fall Adams abzubilden / daß sie einen Baum mit rothgelben Aepffeln gezieret fürstellen / und Adam an einer /Eva an der andern Seiten. Solches aber ist aus dem Wort GOttes nicht zu behaupten / noch zu beweisen /sondern nur eine blosse Meynung. Etliche gelehrte Kräuterschreiber sind der Meynung / diese Frucht sey gewesen das Gewächse / so man nennet Adams-Aepffel / welche daher ihren Namen sollen bekommen haben. Adams-Aepffel ist eine Art wie Citronen und Pomerantzen / doch etwas grösser. Hiervon halt ich auch nichts / weil in keinen Schrifften zu finden / daß der Name Adams-Aepffel irgends in der Welt gebräuchlich sey gewesen / weder bey den Alten / noch bey den Jungen / sondern für wenig Jahren erdacht /[416] und aus Italia in Teutschland gebracht. Die Biebel zeuget uns hievon nichts / sondern nennets ins gemein eine Frucht. Wann man das Wörtlein Pomum oder Apffel also nehmen und verstehen wolte / wie es bey den allergelehrtesten Lateinischen Scribenten gebraucht wird / so ist diese Frucht oder Apffel / davon Adam gessen / nicht mehr ein gemeiner Apffel gewest / als eine Nuß / eine Birn / eine Maulbeer / welche Früchte alle durch das Wörtlein Pomum verstanden werden: Martialis nennet die Cypreß-Nüsse Poma: Ovidius nennet die Maulbeeren Poma: Virgilius nennet die Birn Poma, und so fort an. Es könte jemand muthmassen / als wärens Feigen gewesen / welche GOTT verboten / und unsere ersten Eltern wider GOttes Gebot gegessen. Ursach / weil Adam und Eva ihre Blösse mit Feigenblättern bedecket / die Blätter aber Zweiffels ohne vom selben Baum gebrochen / bei welchen sie gestanden / und wovon sie gegessen: Angesehen / alsbald sie gesehen / daß sie nacket waren /nicht vermuthlich / daß sie fern umher gelauffen / sondern zweifels ohne / gleich als mit der Frucht / also auch mit den Blättern gethan: Insonderheit weil die Feigenblätter sehr bequem sind / die Scham damit zu bedecken / und die Feigen an sich selbst die süsseste und anmuthigste Frucht / so man finden kan.


Was uns zur Seeligkeit nicht dienet / darnach sollen wir in der Heil. Schrifft nicht grübeln.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 416-417.
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