36. Vom Schmincken.

[417] Daß man das Agesicht und die Hände mit fremden Farben anstreichet / und eine falsche Schönheit bettelt / solches ist ein altes Ding / dessen man bey den Heidnischen Scribenten gute Nachrichtung[417] findet: Ist aber niemals von ehrlichen Weibs-Personen / sondern nur von Huren und leichtfertigen Metzen gebraucht worden / unter welchen dannoch etliche gefunden / die ihren Leib nicht so unwerth gehalten / daß sie den mit Schmincke haben verunzieren und beschmieren wollen. Dessen ein merckliches Exempel vom Plutarcho aufgezeichnet / und vom Erasino in seinen Apophthegmatis wiederholet.

Phryne, ist eine gemeine Metze, war zu einer führnehmen Gasterey geladen / allda viel andere Frauen auch gegenwärtig waren. Es geschahe / daß man ein Spiel anfieng / darvon eine zur Königin erwehlet ward / und was dieselbe gebot / oder erst selber thate / das musten die andern alle nachthun. Die Phryne traff das Loß / sie solte Königin seyn: Da hat sie befohlen / ein Becken voll Wassers herzubringen / und alsbald ihre Hände darein zwey / dreymal genetzet / damit über die Stirn und Angesicht gefahren / und sich also gewaschen. Die andern Weiber allda zugegen / haben sich nicht weigern dürffen / eben dasselbe auch ins Werck zu stellen / da ist allen denen / die mit einer gemachten Röthe sich gesalbet / die aufgeschmierte Farbe vom Angesicht herunter gangen / und nur eine scheußliche / abscheuliche Gestalt hinterblieben. Entgegen aber hat der Phryne natürliche Schöne desto klärer und besser nach dem Waschen herfür geleuchtet.


1. Es ist gewiß / wer in seinem Angesicht keine Aufrichtigkeit gebrauchet / der taug im Hertzen auch nicht. 2. Wie wollen doch die Menschen GOttes Weißheit und Geschöpff allezeit reformiren. 3. Was GOTT löblich / gut und schön gemacht / daß beschmeist der Teuffel. 4. Der Teuffel verstellet sich in einen schönen Engel / da er an sich schwartz und heßlich: Dessen Art folget die Schminck-Flecke.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 417-418.
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