37. Vom Allrüncken.

[418] Der Geschichtschreiber Avetinus im 1. Jahr-Buche gedencket aus dem Strabone, daß vormals unter den Teutschen gewesen seyn gewisse Weibs-Personen Allraunen genannt / Priesterinnen und Wahrsagerinnen / von welchen die Männer / wann sie in den Streit gezogen / den Anfang des Kriegs / und sonsten allerley zukommende Dinge erlernet; Und wann sie die Allrüncken nur bey sich in ihren Lägern gehabt / so sey alles wol gewesen. Es giengen aber solche Allrüncken mit blossen Beinen und Füssen / mit losen aufgebundenen hengenden grauen Haaren / hatten ein weiß leinen Hemd an / unten zugebunden / um den Leib einen meßingen Gürtel. Wann die Männer aus dem Streit Gefangene mit sich brachten / lieffen diese Teuffelinnen dieselben grausamlich an / schnitten ihnen mit dem Schwerdt die Gurgel ab / und fiengen das Blut in kupffernen Schalen auf / daraus sie dann von künfftigen Dingen weissagten.

Von diesen Allrüncken ist ohne Zweiffel hergeflossen der Aberglaube, welcher noch heutiges Tages bey vielen gottlosen Menschen gespühret wird, die sich ein Allrüncken in ihrem Hause zu haben sehr befleißigen / meynend / sie haben dann groß Glück / und können wissen / was ihnen wiederfahren soll. Es werden auch Landstreicher und Betrüger gefunden / welche solche Allrüncken feil umher tragen und verkauffen: Kleine Bildigen sinds / gleichgeschnitzte Männlein oder Weiblein mit allen ihren Gliedmassen / deren Kopff mit langen Haaren bewachsen / ein klein weiß Hemdieln anhabende: Summa / ebener massen zugerichtet wie[419] die Allrüncken der alten Teutschen. Ist aber in der Wahrheit eitel Betrug und Gauckeley. Des Krauts Mandragora Wurtzel ist von Natur eben so formiret / als ein kleiner nackender Mensch: Die graben diese Betrieger aus der Erden / wischen sie ab /helffen ihr mit Schnitzeln und Ausarbeiten dermassen / daß sie einem Männlein oder Weiblein (wie sie wollen /) gleich siehet: Da am Haupt die Haar seyn sollen / stecken sie Gerstenkörnlein oder andern Saamen häuffig ein / lassens auswachsen / und wieder etwas trücknen: So stehet es fest / und scheinet wie natürlich Haar. Solche Allrüncken ziehen sie artig an mit einem kleinen Hemdlein / thun ihnen einen Gürtel um den Leib / legens in ein sauber Schächtlein / und befehlen dem Käuffer / daß ers wol pflege / wöchentlich bade und sonst fleißg in acht nehme / so werde er groß Glück haben in allem seinen Thun und Handthierungen. Damit wird die Welt betrogen / und spielet der Teuffel sein Fastnachtspiel weidlich.

Es giebt aber solch Allrüncken / oder der Teuffel gemeiniglich die Belohnung / welche die alten Teutschen Allrüncken ihren Gefangenen gaben / nemlich daß es ihnen den Hals abstosse / sie mit Leib und Seel und Gut ins Verderben stürtze. Dann der Teuffel ist in der Abergläubigen mächtig / darum hüte man sich.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 418-420.
Lizenz:
Kategorien: