39. Eine unbesonnene und unchristliche Mutter gegen ihre 12. neugebohrne Söhnlein.

[421] Die erzehlte Historia giebt mir Anlaß hieher zu setzen eine andere gleiches Inhalts / welche ich zum Theil erzehlen hören / zum Theil auch bey einem gewissen Historico gelesen. Ein Graf von Altorff Isembret geheissen / hatte zum Ehegemahl / Frau Irmentrud: Diese / wie sie ein armes Weib gesehen / welches mit dreyen ihren Söhnen eines Alters und Geburt sich geschleppet / ist sie unmuthig worden / und die Frau mit harten unfreundlichen Worten / als eine leichtfertige Metze gestraffet und ausgemacht. Diese ihre Unbesonnenheit und ungerechten Argwohn hat GOTT der HERR gestraffet. Dann sie hernachmahls in Abwesenheit ihres Herrn 12. lebendige Söhne in einer Geburt zur Welt gebracht. Irmentrud ist hierüber sehr erschrocken / hat gedacht / man würde eben dasselbe von ihr muthmassen / was sie dem armen Weibe fürgeworffen. Ruffet derhalben die Hebamme zu sich /befiehlet derselben eilffe von den Kindern zu nehmen / und im nähesten Fluß zu ersäuften / das übrige eins ihr zu lassen. Das Weib nimmt die 11. Kinder in die Schürtze / gehet mit nach dem Wasser: Unterwegens begegnet ihr der Graf Isembret / fraget / was sie trage? Sie antwortet / es sind 11. Wölffe oder junge Hunde / die wolle sie wegwerffen und erträncken. Der Graf begehret sie zu sehen und zu schauen / ob nicht etliche darunter zur Jagt dienlich. Das Weib wegert sich so viel sie kan. Muß doch endlich ihren verborgenen Schatz herfür ziehen / da bekennet sie den gantzen Handel. Der Graf befiehlet ihr still zu schweigen / und keinem Menschen[422] hiervon zu sagen: Verschaffet alsbald / daß die Kinder an einem besondern Ort wol auferzogen werden. Stellet sich gegen sein Gemahl /als wüste er nirgends von. Nach Verlauff 6. Jahren lässet er diese 11. Söhne / die nunmehr ziemlich erwachsen / und alle sehr schöne frische Jungen waren /auf einerley Art kleiden: Richtet hier auf ein stattlich Mahl an / dazu er seine und seines Gemahls Verwandten / und viel andere Freunde einladet: Unter währender Mahlzeit lässet er herfürtreten 11. Kinder /und erzehlet den Gästen ordentlich / was sich zugetragen. Frau Irmentrud / theils aus Freude / theils aus Leid / fället ihrem Herrn und den Kindern weinend um den Hals / und bittet um Vergebung / welche sie auch erlanget. Zum Gedächtniß aber dieser That / hat er seiner 12. Söhne Zunahmen verändert / und sie nicht Grafen von Altorff / sondern die Wolffen nennen lassen: Welche hernach in ihrem Wapen auch einen Wolff geführet; GOTT aber zu Ehren und Danck für die wunderbare Erhaltung seiner Kinder /hat er binnen Altorff ein Kloster gestifftet.


1. Was die Menschen zu verderben gedencken / das erhält GOtt wunderbarlich. 2. Manche Mutter ist grausamer gegen ihr Kind / als eine Bärin / Wölffin / oder Hundinne gegen ihre Jungen gesinnet.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 421-423.
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