42. Gänse verwahren und vertheidigen das Schloß-[426] Capitolium zu Rom.

Zur Zeiten / als die Frantzosen und derer Obrister Brennus mit grosser Macht und Kriegsheer / über dreymal hundert tausend Mann in Italien fielen /seynd von denenselben die Römer dermassen geängstiget worden / daß sie sich alle ins Capitolium haben verkriechen müssen. Nun war der mannhaffte Held Camillus / der den Römern grosse Dienste erzeiget /aus Rom ins Elend verjaget / und hielt sich auf in der Nähe bey den Vejensern: Nichts destoweniger gedacht er seinem Vaterlande zu Hülffe zu kommen / schicket derhalben etliche Soldaten heimlich ab: Die auch ins Capitolium gekommen / und es entsetzet. Brenus mit seiner Soldatesca erfähret solches: Und weil er das Capitolium starck hatte umringet / steiget er bey Mitternacht denselben Weg / den des Camilli-Soldaten[426] gegangen / zum Capitolio hinein / so heimlich / daß weder Menschen noch Hund solches gewahr worden /und wäre ohne Zweiffel es damals mit den Römern gethan gewesen / wann nicht die Gänse das Capitolium besser bewahret und bewachet / als die Schildwache und Soldaten: Es wurden aus Gewohnheit allezeit im Tempel der Göttin Juno unterschiedliche Gänse gehalten und gespeiset / aus sonderlichen Ursachen: Die Gänse / weil sie in währender Belägerung wenig Futter bekamen / und schmal beissen musten / und ohn das von Naturleichtschläffig / und wenn sie jemand vernehmen / fertig seyn mit ihrem Schnattern: So haben sie in der stillen Nacht den Antritt der Feinde gehöret / bald angefangen zu schreyen / Hauffenweise zu den Römern gelauffen / und dieselben aus dem Schlaff gewecket und munter gemacht: Dadurch dann die Römer einen Argwohn bekommen / daß etwas müste vorhanden seyn: Seynd also zu rechter Zeit des Feindes gewahr worden / deme sie dann männlich widerstrebet / und ihn für dißmal auch noch abgetrieben. Also haben die Römer mehr den Gänsen / als ihren eignen Soldaten zu dancken gehabt. Dahero die Gänse hernacher für heilige Thiere gehalten worden / und den Titul bekommen / daß sie genennet seyn Servatores Capitoli.


1. Offt ist ein unvernünfftiges Thier fleißiger in seiner Art / als ein Mensch in seinem Beruff. 2. Soldaten / so wacht halten sollen / gebührt nicht zu schlaffen. 3. Durch der Soldaten Nachläßigkeit wird offt die Schantze versehen und verlohren.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 426-427.
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