43. [427] Camilli Leben.

[427] Weil wir jetzund des Camilli gedacht / wollen wir durch die Gelegenheit etwas von seinem Leben melden / über das / was bereits von ihm in der letzten Historie des ersten Hunderts erzehlet ist.

Die Römer hatten mit ihren Nachbarn den Vejensern langwierigen Streit / und / war die Stadt Veji gantzer 10. Jahr von den Römern belägert gewesen /gleichwie Troja von den Griechen. Endlich hat man alle Kriegs-Obristen abgesetzet / und dem Furio Camillo allein die Sache befohlen / welcher dann auch sich der Stadt bald bemächtiget / und dieselbe eingenommen. In der Plünderung ist so viel Gold und Silber bekommen worden / daß das gantze Kriegsheer den Camillum für den glückseligsten Menschen ausgeruffen: Er aber hat deßwegen die Götter gebeten /dafern sie solch groß Glück mit einem Unglück vermischen wolten / sie es nicht der Stadt / sondern ihme selber zufügen möchten. In dieser Eroberung hatte Camillus angelobet / er wolte den Römischen Göttern den Zehenden von aller Beute geben: Solches aber zu thun hatte er in dem grossen Tumult vergessen / und seynd die Soldaten mit aller Beute davon gegangen. Als er nach Rom kommen / und die Götzenpriester gespüret / daß die Götter über die Stadt zürneten / ist Camillus für den Rath getreten / und hat sein Gelübde erzehlet. Darauf der Rath von den Soldaten den Zehenden von der Beute zwar wieder gefodert / aber wenig bekommen. Dann theils es schon verzehret und durchgebracht / theils unwillig worden / und zum Aufruhr Anlaß gegeben. In diesem Tumult seynd die ehrlichen Matronen und Jungfrauen aufgetreten / und von ihren Kleinodien und Schmuck[428] so viel Gold gutwillig dargereichet / als Noth war; Davon ist dem Apollini zu Delphis eine grosse Schale gemacht und gegeben; Den Frauen und Jungfrauen aber ist zur Erstattung vom Rath vergönnet / daß man ihnen eben so wol als den Männern eine Leichenpredigt nachthun möchte / welches für der Zeit niemahls geschehen.

Aus diesen Ursachen / und wegen solcher Vergessenheit und Nachläßigkeit hat Camillus müssen die Stadt räumen / und ins Elend gehen: Das ist sein Lohn gewesen für die getreue Dienste. Wie er nun entwichen / hat er die Götter gebeten / sie möchten die Stadt Rom so ängstigen / daß sie bekennen müsten / Camillo wäre ungerecht geschehen: Welches dann auch bald hernach wahr worden / nemlich als Brennus mit den Frantzosen in Italien gefallen / wie in dem vorhergehenden Satz berichtet. Als nun die Römer nirgend keinen Rath mehr wusten und vom Brenno hart gedrungen / auch das Capitolium nicht lang mehr hätten halten können / haben sie Camillum zum Dictatore und General Obristen erwehlet / der ihnen dann auch männlich beygesprungen / und an den vorigen empfangenen Schimpff nicht mehr gedacht: Den Brennum mit seinem Heer in einer Schlacht gedämpffet / vernichtet / und gantz und gar niedergeleget / daß von den 300000. nicht ein einiger davon kommen / der die Zeitung hätte nachsagen können. Nach diesem ist er noch etliche mal Dictator worden / und sich so wol um die Stadt verdienet / daß man ihn hat ausgeschrien und genennet den andern Romulum, einen Vater des Vaterlandes. In seinem hohen Alter ist er an der Pest gestorben / und mehr beklagt worden / als hundert tausend andere.


[429] 1. Die Tugend wird wohl gedrücket / aber nicht unterdrücket. 2. Tapffere Helden erlangen unsterblichen Ruhm.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 427-430.
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