46. Meer-Wölffe.

[432] Man erzehlet für gewiß / daß in Leyland und den benachtbarten Gräntzen / etliche Menschen sich selber in Wölffe verwandeln / auf eine gewisse Zeit des Jahrs / nemlich in den 12. nechsten Tagen nach Christmeß / und alsdann im Lande herumlauffen /grausamlich wüten / Menschen und Vieh anfallen /und an Leib und Leben Schaden zufügen: Hernacher aber wiederum zu Menschen werden / und ihre vorige Gestalt wieder bekommen. So ihnen in währender Verwandelung irgendwo eine Wunde wird in Leib geschlagen / behalten sie dieselbe / wann sie ihre Menschliche Gestalt wieder angenommen. Auf was Art und Weise solche Veränderung geschehe / und durch was Mittel / davon sind unterschiedliche Meynungen. Ich lasse einen jeglichen hievon glauben was er wil / meines Erachtens ist unmüglich / daß der Teuffel (welcher allhie der Fürnehmste im Spiel) eines Menschen Leib[432] wesentlicher Weise in ein ander Thier verschöpffen kan. Schöpffen gehöret GOtt allein zu / keinem Engel keinem Teuffel. Wann nun ein Mensch warhafftig solte zum Wolff gemacht werden /müste solches durch eine neue Schöpfung geschehen /die GOtt allein zugehöret. Der Teuffel hat nicht Macht eine Lauß zu machen / wie aus Pharaonis Zäuberern zu ersehen. Folget derohalben / daß diese Veränderung der Menschen in Wolffs-Gestalt / entweder nur ein Einbilde sey / und Melancholische Phantasey /die der Teuffel seinen Dienern eingeust; Entweder er /der Teuffel / macht um den Menschen ein Gespenst und äusserlichen Schein eines Wolffes / wie er dann meisterlich allerley Gestalt anzunehmen weiß; Oder aber der Teuffel treibet leibhafftig die warhafftigen natürlichen Wölffe / daß sie rasend werden / und Schaden thun: Unterdessen bildet er den Menschen ein / daß sie meynen / sie haben alles gethan und verrichtet / was die Wölffe.

Solch Teuffels-Spiel ist nicht neu / noch zu unser Zeit erstlich aufkommen. Ich befinde bey dem uhralten Griechischen und Lateinischen Scribenten / daß schon vor etliche tausend Jahren gleiche Verwandelung im Schwange gegangen sey. Was Homerus von der Zäuberin Circe geschrieben / ist gnugsam bekannt: Nemlich / daß dieselbe des Ulissis Reise-Gefehrden einen Becher gereichet / aus welchen alle die /so getruncken / schleunig seyn zu Wölffen / Schweinen / Hunden / etc. geworden.

Herodotus im Buche Melpomene schreibet / daß Völcker sind / Narvi genannt (sind die Moscowiter) welche alle Jahr einmal sich selbst zu Wölffen machen / und hernacher wieder Menschen werden.[433] Eben solches vermeldet auch Mela, Stabo, Plinius. Beym Virgilio im 8. Baurenlied singet der Alphesibæus, daß er gesehen habe den Zäuberer Mœrim, durch etliche Kräuter sich selber zum Wolffe machen: Ja auch durch seine Kunst der verstorbenen Seelen aus der Höllen herfür ziehen / und das gesäete Korn von einem Acker auf den andern Weg zaubern. Beym Ovidio im 1. Buche der Veränderung wird die Fabel vom König Lycaon, der zum Wolffe worden / weitläufftig erzehlet.


Des Teuffels bestes Handwerck ist / die Menschen zu betriegen und zu verführen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 432-434.
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