47. [434] Virgilius saget dem Käyser Augusto, wes Sohn er sey.

Als der weitberühmte und treffliche Poet Virgilius erstlich nach Rom gekommen / ist er mit des Käysers Augusti Stallmeister in Kundschafft gerathen / und weiter in der Artzney-Kunst sehr erfahren / hat er /wann des Käysers-Pferde irgendwo dreshafft worden /dieselbe geheilet. Es hat sich auf eine Zeit begeben /daß dem Käyser ein sehr schön und theures Pferd verehret worden. Von diesem hat Virgilius, so bald er es gesehen / gesaget und angezeiget / es würde nichts tügen / noch lange leben / weils von ungesunden Eltern gebohren wäre: Welches sich dann auch in der That also befunden. Solches ist dem Augusto zu Ohren kommen / der hat befohlen dem Virgilio zweymal so viel Brod zu geben / als er zuvor bekommen. Auf eine andere Zeit seynd dem Augusto aus Spanien etliche Hunde zukommen / die hat Virgilius sehr gerühmet / und gesaget / was für Art ihre Eltern und daß sie schnell von Lauffen / und gut von Tugend[434] wären. Augusto hat Virgilio wiederum das Brod verdoppeln lassen. So stund nun der Augustus in etwas in Zweiffel / ob auch Octavius sein rechter Vater wäre oder nicht? Und weil Virgilius so eben von des Pferdes und der Hunde Eltern geurtheilet hatte / gedacht er / er würde auch von seinem rechten Vater gute Wissenschafft haben: Ließ derhalben Virgilium gar allein in ein besonder Gemach zu sich fordern / fraget um / ob er wol wisse / wer er sey? Und welche Macht er habe / die Menschen glückselig zu machen? Ich weiß es gar wol / sprach Virgilius, O Auguste, daß du schier gleiche Gewalt mit den Göttern hast / und kanst erheben wen du wilt. Des Willens bin ich auch / sagt Augustus, und wil dir guts genug thun / wo du mir wirst die Warheit sagen. Fähret fort / und spricht: Die Leute haltens dafür / ich bin vom Octavio gebohren: Andere aber sagen / Octavius sey nicht mein Vater /sondern ich weiß nicht wer; Zeige an / was dich hierbey deucht? Virgilius etwas lachend / gab zu verstehen / er wolte seine Meynung wol aussagen / wanns der Käyser nicht in Ungnaden vermercken wolte. Augustus schweret / es soll ihm daraus nichts Ubels entstehen. Da fängt Virgilius an und spricht: O Käyser /an den unvernünfftigen Thieren findet man wohl Zeichen / von was Eltern die gebohren seyn; Aber bey den Menschen ists fast unmüglich. Doch wolte ich auch wol wissen und muthmassen / was dein Vater für einer gewesen. Augustus erwartete mit grossem Verlangen was Virgilius sagen würde: Du bist /spricht Virgilius, eines Beckers Sohn: Augustus gleichsam erstarrend / gedachte wie das seyn möchte: Da hat Virgilius loßgedrucket und gesaget: Vernimm[435] Auguste, aus was Ursachen ich solches rede: Wie ich von den Thieren etwas habe ausgesaget und berichtet / welches niemand als ein hoch-gelehrter und erfahrner Naturkündiger hätte wissen oder sagen können; So hast du demnach / der du ein HErr bist über die gantze Welt / mir zur Verehrung nichts anders geben lassen als Brod / welches dann die Becker oder Beckerkinder zu thun pflegen. Dieser Schertz ist dem Augusto nicht unangenehm gewesen. Hat zum Virgilio gesagt: Hinführo solt du nicht von des Beckers Sohn /sondern von einem milden Käyser Geschenck und Gaben empfangen: Welches er ihm dann auch gehalten.


1. Die Allergelehrtesten werden offtmahls am allerschlechtesten belohnet. 2. Doch krancket die Kunst wol etwas / stirbet aber nicht. 3. Wann nur Virgilii seyn /so werden sich auch wol Augusto finden.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 434-436.
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