59. Der alten Teutschen Kinder-Prob / ob sie ehrlich gebohren.

[452] Ich finde beym Galeno im 1. Buch von Erhaltung der Gesundheit / wie dann auch in den Griechischen Epigr. einen wunderlichen und Barbarischen Gebrauch / welchen unsere Vorfahren allhie in Teutschland gehabt / nemlich diesen: Wann einem Vater ein Sohn gebohren / und er wissen wollen / obs auch sein rechtes natürliches Kind und seine Frau ehrlich wäre? Hat ers also nacket / wie es zur Welt kommen / hin nach dem Rhein getragen / und es[452] darein gesteckt /und so zappeln und schwimmen lassen / auch mitten im Winter. Ist nun das Kind oben geblieben / und sich wacker gehalten / hat der Vater geurtheilet / es wäre sein rechter Sohn / würde starck und frisch werden /wie er selber / und wäre die Mutter ein ehrlich Weib. Wofern aber das Kind zu Grunde gesuncken / hat ers für ein Huren-Kind / und seine Frau vor unehrlich gehalten. Daß solches auch bey den Rutilis in Italien ist gewöhnlich gewesen / läßt sich ersehen aus dem 9. Buch Virgil. vom Ænea, da diese Verse stehen:


Die Junggebohrne Söhn wir tragen an den Fluß /

Auf daß sie werden starck durchs kalten Wassers Guß.


Eben dasselbe haben auch gethan die Jazyges / die Scythen und Thracier / wie die Historien bezeugen.


Ist auch ein abscheulicher Gebrauch / dessen Anfänger Zweiffels ohne der leidige Satan / welcher / wie GOtt sein Volck durchs Wasser und Geist täuffet / also er seine eigene Tauffe hat. Merck auch unserer Vorfahren Barbarisches Leben / davon mehr beym Tacito.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 452-453.
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