6. Vom Hahnen-Geschrey.

[362] Die Philosophi (welche im Pantagruel verächtlich genennet werden: Gerne-Klugen) wann sie der natürlichen Dinge Eigenschafften / und derer Ursachen erforschen / bemühen sich auch unter andern zu wissen / woher es komme / oder was die Ursache sey / daß die Hähne zu Nachtzeiten / insonderheit gegen die Morgenstunde schreyen / oder wie wirs nennen / krehen? Da finden sich nun unterschiedliche Discursen; einer bringet diese Ursache / ein anderer jene. Der Türcken Mahomet in seinem Alcoran giebt für / es stehe oben im Himmel ferne über Sonn und Mond und allen Sternen ein grosser himmlischer Hahn /welcher / so bald er anfähet seine Stimme zu erheben /und zu[362] krehen / alsbald hören es alle Hähne hierunten auf Erden / und fahen an / ihme nachzuschreyen: Und so offt / auch zu welcher Stunde der grosse Urhahn sich rege / die Flügel schlage / folgen ihm die irrdischen Hähne ebener massen alle nach. Was von diesen Träumen zu halten / findet ein jeglicher Verständiger bey sich selbst. Daß die Hähne zu Nacht-Zeiten / und gemeiniglich kurtz vor der Sonnen Aufgang mit ihrer Stimme sich hören lassen / geschicht zweiffels ohne daher / weil alsdann durch der Sonnen Bewegung und Lauff unter dem Erdkreiß eine Veränderung der Lufft bey uns verursachet wird. Dann die Lufft anders beschaffen ist Abends / wann die Sonne untergehet / anders zu Mitternacht / anders gegen dem Morgen / so wol Wärme und Kälte belangend / als Feuchte und Trockenheit: Solche Lufft-Veränderungen empfinden die Hähne / und fast alle Gevögel / besser und ehe / als wir Menschen. Dadurch dann deroselben Geblüt und Feuchtigkeit des Leibes also bewogen wird /daß sie verursachet werden / sich zu regen und zu bewegen.

Daß man aber vorgiebt / als solten die Hähne zu gewisser beständiger Stunde schreyen / und also die Nacht-Stunden offenbahren / darum dann auch die Soldaten etliche Hähne mit sich zu Felde führen / welche sie an statt eines Uhrwercks gebrauchen / und von ihnen erlernen was die Glocke sey / solches ist der Warheit nicht gemäß / und hat keinen Grund in der Natur / noch in der täglichen Erfahrung.


Siehe / wie groß ist die Weißheit GOttes / auch in so geringen Dingen / daß die Gelehrten die Köpffe darüber müssen zubrechen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 362-363.
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