8. Wie es die alten Römer mit der Braut oder neuen Hochzeiterin gehalten.

[365] Bey den Römern war der Gebrauch / wann Braut und Bäutigam Hochzeit machten / so ward der Braut für allen Dingen fürgestellet und præsentiret (1.) Wasser und Feuer / das muste sie mit ihren Händen berühren. (2.) Es wurden ihr die Haar mit der Spitze einer Helleparte oder Spiesses unterschieden / und also eine Scheidel gemacht. (3.) Fünff angezündete oder brennende wächserne Fackeln wurden ihr fürgetragen. (4.) Um den Leib ward sie gebunden mit einem breiten Gürtel oder Riemen. (5.) Und gleich wie bey den Griechen auf der Hochzeit gesungen ward Hymen, Hymenæus, also sungen die Römer das Braut-Liedlein / Talasius, Talasius. (6.) Wann man nach geendetem Hochzeit-Mahl die Braut ihrem jenen Ehemann ward zu Hause geführet / gieng sie selber nicht gutwillig über die Schwelle des Hauses / sondern ward von den beywesenden Freunden aufgehoben / und also gleichsam mit Gewalt hinein getragen. (7.) Muste aber mit sich ins Haus bringen eine Spindel und einen Spinnrocken / und des Bräutigams Thüre mit Wolle krönen und zieren. (8.) Wenn dieses[365] geschehen / fieng sie an ihrem jungen Ehegatten zuzuruffen / und zu sagen: Da du bist Cajus, da bin ich Caja. (9.) Ehe aber und bevor sie mit ihme zu Bette gieng / ward ihr der Braut-Gürtel öffentlich abgelöset / (10.) und musten sie beyde (Braut und Bräutigam) einen Quittenapffel aufessen / welchen Gebrauch der Solon vormals im Griechenlande angeodnet. (11.) Bald hierauf warff der junge Ehemann welsche Nüsse Hauffenweise unter das anwesende junge Volck. (12.) Es wurden aber nimmer Hochzeit gehalten im Monat Majo. (13.) Wie dann auch keine Jungfrau zu heyrathen pflegte an öffentlichen Feyer-Tagen / sondern den Wittwen war solches vergönnet. Diese und andere mehr Ceremonien seynd hin und wieder vom Plutarcho aufgezeichnet / und bey andern Authoren mehr zu finden.

Was hiemit die alten Römer gemeynet und vorgebildet / wird aus folgenden Bericht kürtzlich zu vernehmen seyn.

(1.) Feuer und Wasser ward der Braut angeboten /daß sie bey ihrem Manne getreu halten solte / ihn in keinem Unglück / noch in Feuer / noch in Wassers-Noth verlassen / oder von ihm weichen. (2.) Das Haar ward ihr mit einer spitzen eisern Hellepart von einander geschieden / zum Zeichen / daß der kalte und eiserne Tod allein sie von einander trennen solte. (3.) Fünff Kertzen wurden ihr fürgetragen / weil diese unebene Zahl sich nicht lässet gleich theilen: Also solten die beyden Ehegatten auch bey einander in Einigkeit leben / und sich nicht verunreinigen: Oder aber darum / weil zur beständigen Ehe fünff Götter die hülffliche Hand leisten (nach ihrem Aberglauben) Jupiter, als der höchste Vater; Juno, eine Freymacherin: Venus, als Mutter der Liebe: [366] Suada, als Göttin der freundlichen Beredung: Lucina, als Beförderin der Geburt oder des Kinder-Zeugens. (4.) Der Gürtel bedeutet die Jungfrauschafft und Keuschheit. (5.) Das Brautlied Talasius hat seinen Ursprung daher; Als Romulus mit Erbauung der Stadt Rom fertig war / und es seinem Mannsvolcke an Weibern mangelte / hat er ein Schauspiel angestellet / und darzu geladen der benachbarten Sabiner Töchter und Weiber / mitten im Spiel ist aus Angeben des Romuli ein jeglicher Mann zugelauffen /hat eine von den Sabinischen Weibs-Personen ergriffen / und mit sich nach Hause geführet. Damals eben ist nicht darbey gewesen ein edler / mannhaffter Jüngling / hoch von männiglich gehalten / mit Namen Talasius, für diesen haben die andern auch eine Sabinerin geraubet / und wie sie ihme dieselbe zubringen wolten / sind sie unterwegs von andern / die ihnen die Jungfrau wieder entwenden wollen / angesprenget worden. Weil nun Talasius überall wol bekannt / und viel gute Gönner hatte / haben die Jungfrauen-Führer geschrien: Talasius, Talasius soll diese haben. Also seynd sie unangefochten zum Talasio kommen / und haben ihm die Jungfrau überantwortet. Dannenhero weil diese beyde Menschen / Talasius, und seine zugebrachte Braut / nicht allein schön von Leibe / sondern auch in glücklicher / friedsamer und fruchtbarer Ehe ihr Leben biß ins hohe Alter zugebracht: Als hat man hernach auf allen Hochzeiten gesungen den Namen Talasius, damit gewünschet / daß es den jungen Hochzeitern eben so glücklich als Talasio mit seiner Ehegattin ergehen möchte. (6.) Die Braut muste nicht selber über die Schwelle treten / sondern ward ins Haus getragen, damit anzuzeigen, daß sie[367] auch nicht solte von sich selber wieder hinaus lauffen / noch dasselbe ihrem eigen unbesonnenen Willen nach ohne Ursach verlassen. (7.) Spindel und Rocken seynd der Frauen bestes Geräth. Solches haben sie der Hochzeiterin hiemit fleißig anbefohlen / und sie vermahnet / durch täglichen Fleiß ihres Mannes Hauß mit Wollen und Leinen zu versorgen und zu krönen. (8.) Das Liedlein du Cajus, ich Caja, bedeutet nichts anders / als daß die Frau theilhafftig werde alles dessen / das der Mann besitzet. Ist der Mann Cajus oder Herr / so ist die Frau billich Caja oder Mitherrscherrin. (9.) Die Ablösung des Gürtels zeiget an / daß eine Braut ihre Ehre und Jungfrauschafft ihrem Bräutigam solle auftragen und überlieffern / der allein Macht hat / solches zu geniessen. (10.) Solon hat angeordnet / daß Braut und Bräutigam mit einander einen Quitten-Apffel aufessen / damit anzudeuten /daß die eheliche Zusammenkunfft und Vereinigung soll lieblich / freundlich / anmuthig und wohlschmeckend seyn. (11.) Daß der junge Ehemann, Welsche Nüsse ausgeworffen / bedeutet / daß er nunmehr die Kinderschuh ablegen / den Jungen ihre Spiele lassen und sich des männlichen Standes annehmen müste. (12.) Warum im Majo keine Heyrathen geschehen /gibt Plutarchus diese Ursache / daß man im selben Monat vor Zeiten die alten Menschen zu Rom hat von der Brücken ab in die Tybet gestürtzet / daher diese Zeit unglücklich / verworffen und zu aller Frölichkeit unbequem gehalten worden. (13.) Den Wittwen war es vergönnet / Jungfrauen aber nicht / auf Fest-Tagen Hochzeit zu machen / weil alsdann die Leute meistentheils der öffentlichen Feyer beywohneten / und dahero sich bey der Hochzeit wenig[368] könten finden lassen. Es müssen aber Jungfrauen Ehren-Tage mit vieler ehrlichen Personen Gegenwart gezieret werden. Wittwen aber sollen sich in ihrem Heyraths-Tage der Stille befleissen / da sie billich wegen ihrer verstorbenen Männer noch etwas Traurigkeit im Hertzen behalten.


1. Lands-Sitten / Lands-Ehre. Anders lebet man bey uns / anders zu Rom. 2. Braut und Bräutigams Anverwandten sollen Ursache und Anlaß geben / daß die jungen Eheleute beyderseits ihrer Pflicht erinnert werden.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 365-369.
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