9. Die Höhe der Berge / und wie hoch die Wolcken / von der Erden.

[369] Von der Berge Höhe wird viel geschrieben und ausgegeben / und offtmahls mehr / als es sich in der Wahrheit und in der That verhält oder befindet. Solinus meldet vom Berg Olympo in Thessalia, daß auf dessen Spitze ein Altar stehe / dem Gott Jupiter geheiliget: Wann darauf das Opffer verbrennet ist / und zu Aschen worden / und man in der Aschen mit dem Stecken oder Finger etwas geschrieben / so solle solches ebener Gestalt übers Jahr wieder gefunden werden / und von keinem Regen / Winde oder andrem Ungewitter verändert seyn: Weil die Höhe dieses Berges sich weit über die Mittel-Lufft biß an den Himmel erstrecke. Daher die Poeten auch den Himmel selbst Olympum nennen. Eben dasselbe erzehlet Mela auch vom Berge Athos in Macedonien, dessen Fluß oder unterster Theil in sich begreiffet / 238. teutsche Meilen.

Der Berge einer in Teneriffa (ist eine von den Canarischen Insulen) ist / nach Aussage des Scaligeri in die 15. teutsche Meilen in die Lufft erhoben.[369]

In der Insul S. Helenæ ist ein Berg / der sich über 20. teutsche Meilen in die See sehen läßt.

Atlas der Berg in Barbarien wird so hoch gehalten /daß er biß an den Himmel reicht / daher die Fabel vom Atlante ihren Ursprung genommen. Soll ein Mann gewesen seyn / nach der Poeten Aussage / der mit seinen Schultern den Himmel habe getragen und aufgehalten.

Ist diesem nun so / wie vorgegeben wird / so müssen die obbenannten Berge sich erstrecken über die Lufft / darinnen Wolcken / Regen / Schnee / Donner und Wind ihren Ursprung und fürnehmsten Sitz haben.

Meines Erachtens aber ist dieses viel anders / und nicht allerding der Wahrheit gemäß. Erstlich die Wolcken / Regen / Donner etc. belangende / so haben die Geometræ, Posidonius, Plinius, Nannus und viele andere aus unfehlbaren Gründen bewiesen und dargethan / daß keine Wolcken über dreyzehendehalb teutsche Meilen von der Erden in die Lufft erhoben stehet / und weder Regen / Schnee noch Wind höher herunter falle. Fürs andere die Berge betreffend / haben gleichfalls die Mathematici, Theon, Cleomedes, Strabo, Albazen, Plinius, befunden mit ihren Instrumenten / und sonsten / daß kein Berg höher in die Lufft erhoben sey / als zum allermeisten drittehalb teutsche Meile: Verstehe nach dem Perpendicul / oder geraden Linie von der Spitze bis zum Fuß des Berges hinunter gelassen. Fehlet derhalben noch sehr viel daran ehe die Berge mit ihren Spitzen reichen biß an die Wolcken / und seynd nur Poetische Gedichte / was von der Asche aufm Olympischen Altar fürgegeben wird.

Zwar ich gebe es wol nach / daß der Berg S. Helena[370] in Teneriffa, und andere können gesehen werden auf dem Meer über 25. 28. Meilweges: Derohalben aber haben sie die erdichtete Höhe nicht. Dann es wird nur die Spitze darvon gesehen und nichts mehr. /Kan doch wohl ein Thurn in der Stadt so kaum 200. Schuh hoch / über etliche Meilen ins Gesicht kommen. (Wie dann unsere Rostocker Thürne in Dännemarck / bey Nieköpping am klaren Wetter / ohngefehr 10. Meilweges gesehen werden:) Wie solte dann nicht ein Berg höher als 6000. Schuh (seyn dritthalb Meilen) auf dem Meer empfunden / und von ferne gesehen werden.


Menschen Vernunfft steiget über alle Berge / über die Wolcken biß in Himmel.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 369-371.
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